Software gibt es nach wie vor als Service

15.11.2002
Von Peter Dück und Tracy Dietz . Dr. Peter Dück, Vice President IT-Services and Sourcing, ist Analyst bei Gartner in Frankfurt, Tracy Dietz ist Senior Editor bei Gartner in München. MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Konzept „Software als Service“ bedeutet für Unternehmen, je nach Bedarf Zugriff auf individualisierte Anwendungsfunktionen des Service-Providers zu haben, die dieser in großen Mengen bereitstellen kann. Die ersten derartigen Servicesangebote sind mittlerweile auf dem Markt, so dass ein kritischer Blick auf die Offerten lohnt.

2002 begannen Softwareanbieter die Wendung „Software als Service“ in Umlauf zu bringen. Allerdings ist weder die Bezeichnung noch das Konzept dahinter neu. Schon lange suchen Unternehmen nach Beschaffungsformen, die die teure und ineffiziente Tradition umgehen, Technik kaufen, implementieren und betreiben zu müssen.

Das Ökosystem der Dienstleistungen: Dem Bereich der Betriebsservices nähern sich die Softwareanbieter und ASPs von unterschiedlichen Ausgangspunkten. (Quelle Gartner)
Das Ökosystem der Dienstleistungen: Dem Bereich der Betriebsservices nähern sich die Softwareanbieter und ASPs von unterschiedlichen Ausgangspunkten. (Quelle Gartner)

Bisher müssen Unternehmen in Hardware und Software investieren und die Produkte technisch einbinden, bevor sie die Funktionen nutzen können. Das ist keine einfache Aufgabe. Anwendungen müssen mit anderen Anwendungen interagieren, die oft nicht die gleiche Plattform teilen. Außerdem muss jede große Geschäftsanwendung in einem Service-„Ökosystem“ existieren, das Geschäft und Geschäftsveränderungen bestmöglich unterstützt und gleichzeitig optimale Verfügbarkeit, Sicherheit und Leistung erzeugt. Wachsende Komplexität und zunehmende Globalisierung von technischen Umgebungen hat zur Folge, dass die traditionelle Methode von Einkauf, Implementierung, Verwaltung und Betrieb weniger praktikabel geworden ist. Unternehmen brauchen andere Optionen.

Eine davon ist die Bereitstellung von Anwendungssoftware als Service. Software als Service bedeutet, dass Unternehmen auf Anforderung über einen Service-Provider auf Funktionalität zugreifen können und entweder einen festgelegten Beitrag oder pro Nutzung zahlen. Der Service-Provider tätigt die anfänglichen Investitionen, implementiert eine „massenindividualisierte“ Lösung, die an viele Kunden verkauft werden kann, und betreut diese Lösung während ihres Lebenszyklus. Im Endeffekt sieht Software als Service vor, Software als „Massenware“ zu liefern, mit dem Fernziel, Softwarefunktionalität „aus der Steckdose“ überall zur Verfügung zu stellen, etwa über das Internet.

Das Modell ist keine Zukunftsvision - Teile davon sind schon weit verbreitet. Online-Banking, Internet-Spiele und Web-gestützte Reisebuchungssysteme sind Beispiele dafür, wobei den Anwendern oft gar nicht bewusst ist, welche komplexe Funktionalität hinter den von ihnen genutzten Diensten steckt. Das Modell wird zunehmend auch für Produktivitäts-Tools wie E-Mail, Groupware oder andere Büroanwendungen sowie für Back-Office-Funktionen im kleineren Umfang, etwa zur Verwaltung von Reisekostenabrechnungen, angewendet.

Realistische Erwartungen

Es gibt zwei Arten von Anbietern, die versuchen, das Modell zu übernehmen: Softwareanbieter und Application-Service-Provider (ASPs). Beide nähern sich dem Markt von verschiedenen Ausgangspunkten und Perspektiven an. ASPs arbeiten entlang eines Geschäftsmodells, das die Vermietung vorsieht. Im Gegensatz dazu entwickeln und verkaufen unabhängige Softwareanbieter traditionell Anwendungssoftware als Pakete (beispielsweise SAP und Oracle).

Die frühen Versuche von ASPs, Software als Service zu liefern, sind gescheitert. Im Hype-Cycle, einem Bewertungssystem von Gartner, befindet sich der ASP-Markt momentan jedoch in der Phase „Anstieg durch Verständnis“. Die Anbieter beginnen nun damit, echten Mehrwert für die Geschäfte der Kunden zu liefern. Die Anwender wiederum treten mit realistischen Erwartungen an ihre Dienstleister heran. Dabei entwickelt sich der europäische Markt erheblich langsamer als in den USA (siehe Abbildung „Marktentwicklung in Europa und den USA“). Der Grund dafür ist die im Vergleich zu den USA inhomogene Kundschaft in der Alten Welt. In Europa gibt es beispielsweise vergleichsweise viele kleine und mittelgroße Unternehmen. Hinzu kommen die vielen unterschiedlichen Sprachen und Kulturen sowie gesetzlichen Regelungen.

Trotz des langsameren Wachstums in Europa begannen ASPs vor einigen Jahren, das Modell der Software als Service auch hierzulande einzuführen. Obwohl anfänglich Interesse bestand und die Anbieterzahl enorm war, scheiterten viele von ihnen - hauptsächlich, weil sie zu technologiegetrieben operierten. Diejenigen, die überlebt haben, taten dies oft, indem sie einen Kompromiss schlossen: das Hinzufügen von traditionellen Outsourcing- und Hosting-Angeboten zu dem Servicemodell. Das war und ist besonders in Industrieanwendungen mit ihrer Komplexität und den hohen Service-Level-Anforderungen, der Fall.

Die nächstliegende Folgerung aus der Geschichte der ASPs wäre die Annahme, dass ihr Geschäftsmodell fehlerhaft sei. Beispiele abseits des „Mainstreams“ lassen anderes vermuten. Software als Service ist in vielen Gebieten heute Realität geworden. Spezialanbieter haben Business-Services im kleineren Umfang sowie Endverbraucher-Anwendungen im Rahmen des Modells umgesetzt. Sie haben die Akzeptanz ihrer Kunden gewonnen, indem sie deren Anforderungen ernst genommen und Geschäftsprobleme für sie gelöst haben.

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