Software-Fusionen: Anwender zwischen Hoffen und Bangen

03.07.1987

Keineswegs einheitlich beurteilen Anwender die Konzentrationstendenzen auf dem Softwaremarkt. Für die meisten gibt diese Entwicklung allerdings mehr Anlaß zu Hoffnungen als zu Befürchtungen: Die Schnittstellenprobleme sollen schrumpfen, die Zukunftssicherheit der Investitionen wachsen. Außerdem bürgt nach Ansicht der DV-Fachleute eine große Zahl von Anbietern nicht per se für gute Qualität von Produkten und Service. Einigen wird die zunehmende Dominanz der großen Hersteller jedoch auch suspekt. So ist denn nach Ansicht von Gerd Quick, RZ-Leiter bei der Hamburger Elida-Gibbs GmbH, "gesundes Mißtrauen gegenüber einer Konzentration der Softwarehäuser durchaus angebracht". Eine Möglichkeit, "dieses Dilemma zumindest langfristig zu lösen", sieht Johann Reisegger, DV-Leiter der Bombardier Rotax GmbH in Gunskirchen/Österreich: Als Maßnahme, um die Risikobereitschaft der Anwender und ihr Vertrauen gegenüber kleineren SW-Unternehmen zu stärken, schlägt er "herstellerunabhängige Normierungen" vor.

Reinhard Hansen

Leiter Organisation und DV, Happich GmbH, Wuppertal

Wir brauchen starke Softwarehäuser mit dem nötigen Kapital, um große Softwaresysteme zu entwickeln. Denn Software muß heute integrierbar sein und einen weiten Verbreitungsgrad haben. Unternehmen, die keine integrierten Pakete anbieten, haben nur eine Chance am Markt, wenn sie Spezialsysteme entwickeln und auf diesem Gebiet top sind.

Wenn der Anwender eine Software einführt, nimmt er eine sehr große Investition vor. Er kann also nicht einfach nach dem Motto "Software rein - Software raus" verfahren. Die dahinterstehenden Entwicklungen müssen über mindestens zehn Jahre abgesichert sein. Die Kraft dafür hat meines Erachtens nur ein großes Unternehmen.

Unternehmenszusammenlegungen haben für uns Anwender aber nur dann einen konkreten Sinn, wenn daraus integrierte Produkte entstehen. Es gibt einige Beispiele dafür, wie ein Softwarehaus seine Produktphilosophie in ein anderes hineingetragen hat.

Kein Produkt ist so flexibel, daß es zu hundert Prozent die Wünsche des Anwenders abdeckt. Also heißt eine große Auswahl von verschiedener Produkten noch lange nicht, daß es die vollkommene Lösung für den speziellen Anwender überhaupt gibt. Deshalb wurde, überspitzt ausgedrückt, ein einziges Produkt eigentlich ausreichen - wenn nicht, braucht man eben eine Individuallösung.

Der fehlende Konkurrenzkampf der Anbieter wird zumindest teilweise durch den Wettbewerb zwischen Softwarehaus und eigener Entwicklungsabteilung aufgehoben. Der Anwender wird sich immer überlegen, ob er es nicht selber billiger machen kann. Allerdings wird die Eigenprogrammierung auf längere Sicht immer teurer werden.

Der Preis spielt aber ohnehin nur für diejenigen eine Rolle, die auf der grünen Wiese einsteigen. Wer sich einmal entschieden hat, einen bestimmten Weg einzuschlagen, muß ihn auch weiter gehen. Denn ein Unternehmen, das sein Informationssystem umstellt, legt während dieser Zeit die gesamte Weiterentwicklung lahm. Das aber kann sich heute niemand mehr erlauben, weil die Verbesserung der Informationswirtschaft für ein Unternehmen gleichzeitig auch eine Verbesserung seiner Wettbewerbssituation bedeutet.

Johann Reisegger

DV-Leiter, Bombardier Rotax GmbH, Österreich

Damit ein Softwarehaus überhaupt komplexe Produkte entwickeln kann, ist eine gewisse Größe nahezu unabdingbar. Einem kleinen Betrieb fehlen dafür einfach die Manpower und das Kapital. Um diese Größe zu erreichen, sind zwei Wege möglich: Entweder das Unternehmen entwickelt sich aus eigener Kraft, oder es fusioniert mit einem anderen.

Allerdings dürfen die großen Softwareunternehmen auch nicht allzu stark werden. Denn der Konkurrenzkampf ist not wendig, um die Leistungen zu steigern und die Preise zu regulieren. Nur so bleibt die Softwareszene beweglich und damit die Kreativität erhalten.

Wenn einer unserer Softwarelieferanten mit einem anderen fusionieren würde, wäre die wichtigste Frage für mich, ob die Kontinuität der Produkte gewahrt bliebe. Im Vordergrund stehen für mich immer die Konsequenzen für die praktische Einsetzbarkeit der Software. Meine theoretischen Argumente müssen sich diesen Erwägungen in jedem Fall unterordnen.

Ein Datenbanksystem zum Beispiel kann man nicht ohne weiteres wegwerfen und durch ein anderes ersetzen. Insofern sind wir vom Hersteller unseres DBMS de facto abhängig. Der Anwender muß sich also vor einer Investitionsentscheidung sehr genau darüber informieren, wie das Herstellerunternehmen wirtschaftlich dasteht. Für uns ist die Firma, die unser Partner wird, genauso wichtig wie das von ihr vertriebene Produkt.

Eine große Rolle bei der Entscheidung für eine bestimmte Software spielt also das, was ich die "Zukunftssicherheit" nennen möchte. Die Frage lautet hier: Soll ich mich an einen großen Hersteller wenden, um in jedem Fall auf der sicheren Seite zu sein - auch wenn mir ein kleinerer Anbieter mehr Möglichkeiten bietet?

Fallweise entsteht der Eindruck, daß vor allem systemnahe Software unter dem Aspekt der Zukunftssicherheit nur von den großen Hardwareherstellern bezogen werden sollte. Obwohl anzuerkennen ist, daß dadurch vielfach erst Standards entstehen, so halte ich diese Dominanz doch für ungünstig. Nachrichten von Fusionen auf dem Softwaremarkt tun ein übriges, um den Anwender zu verunsichern und sein Vertrauen in die Stabilität kleinerer Häuser zu erschüttern.

Eine Möglichkeit, dieses Dilemma zumindest langfristig zu lösen, sind herstellerunabhängige Normierungen. Solche Standards würden uns als Anwendern mehr Sicherheit geben. Wenn es mehr Normen gäbe, wären wir sicher risikofreudiger, was die Auswahl unserer Geschäftspartner angeht. Wir könnten uns dann mit weniger Bedenken an kleine Softwareunternehmen wenden - sofern sie diese Standards unterstützen. Deswegen dürften die Kleinen stärker als die Großen an Normierungen interessiert sein. Es ist deshalb leider durchaus möglich, daß sich die Konzentrationstendenzen negativ auf die Standardisierungs-Bemühungen auswirken.

Gerd Quick

RZ-Leiter, Elida-Gibbs, Hamburg

Grundsätzlich ist aus der Sicht der Benutzer eine Vielzahl von Softwareanbietern wünschenswert und zu befürworten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Flexibilität in der Auswahl und damit größere Chancen, eine den spezifischen Anforderungen entsprechende Lösung zu finden, sowie vor allem der höhere Spielraum bei der Preisgestaltung.

Wie fast alle Wirtschaftsbereiche zeigt jedoch auch der Softwaremarkt einen starken Trend zur Konzentration. Aus dieser Entwicklung könnte sich durchaus auch Positives ergeben: Durch ein in sich abgestimmtes, kompatibles und breiteres Produktangebot aus einer Hand könnten viele Probleme von den Benutzern ferngehalten werden. Eine Installation zusätzlicher Softwareteile wird dadurch sicher erleichtert. Hier kam es in der Vergangenheit bei der Verknüpfung von Systemen verschiedener Hersteller doch zu erheblichem Anpassungsaufwand und damit zwangsläufig zu größeren Fehler- und Störungsquellen.

Der Servicegrad erhöht sich möglicherweise; denn es kann wohl davon ausgegangen werden, daß ein Ansprechpartner für aufgetretene Probleme kurzfristig zur Verfügung steht. Da über hinaus ist die Marktfähigkeit bei starken Unternehmen hoch anzusiedeln. Die Softwarebetreuung wird für einen langen Zeitraum sichergestellt. Die Produktqualität selber könnte sich verbessern, da man sicherlich mittelfristig mehrere sich über schneidende Produkte vereint und damit integrierte Lösungen anbieten kann.

Die Standardisierungsmaßnahmen der Hersteller erhalten vielleicht endlich einmal einen Vorwärtsschub. Möglicherweise verbessert sich auch die Aufgeschlossenheit zur Zusammenarbeit mit anderen Softwarehäusern, was Anschlußprodukte betrifft. Die kontinuierliche Weiterentwicklung von bestehenden Systemen und deren Portabilität auf andere Rechnertypen könnte ebenfalls besser werden.

Darüber sollten aber die Gefahren nicht übersehen wer den: Die Flexibilität gegenüber Kundenwünschen würde sicherlich eingeschränkt. Abhilfe kann hier jedoch durch die Nutzungsmöglichkeit von User-Exits geschaffen werden - zumal es aus Gründen der Wartung sowieso nicht sinnvoll ist, innerhalb der gekauften Systeme anwenderspezifische Änderungen durchzuführen.

Die Gefahr, daß sich die Preisgestaltung mehr auf die Anbieter- denn die Nachfrageseite verschiebt, ist ebenfalls nicht zu übersehen. Die Abhängigkeit vom Softwarelieferanten erhöht sich. Denn wenn mehrere Systeme von einem Softwarehaus bezogen wurden, ist ein Wechsel zwar nicht unmöglich, aber mit so hohem Umstellungsaufwand behaftet, daß in der Praxis sehr selten davon Gebrauch gemacht wird. Das zeigen auch die Erfahrungen der Vergangenheit auf.

Bei der Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile. Allerdings sind in meiner Beurteilung der Vorteile gewisse Hoffnungen eingebettet, deren Realisierung nicht unbedingt vorhersagbar ist. Letztendlich ist eine gewisse Skepsis und ein gesundes Mißtrauen gegenüber einer Konzentration der Softwarehäuser durchaus angebracht.

Gerhard Buchkremer

Leiter Organisation und Datenverarbeitung, Ackermann-Fruehauf Corp. & Co. oHG, Wuppertal-Vohwinkel

Grundsätzlich sind die Konzentrationstendenzen der Softwareunternehmen nicht negativ zu bewerten, entsprechen sie doch marktwirtschaftlichem Verhalten. Ich glaube im Gegenteil, daß diese Entwicklung für, das Gros der Anwender positive Auswirkungen haben werden. Mit folgenden Vorteilen ist zu rechnen:

Das unüberschaubare Softwareangebot wird sich verringern, woraus sich eine einfachere und zielsicherere Softwareauswahl ergibt. Das bedeutet wiederum für die Anwenderunternehmen eine Minimierung des Investitionsrisikos. Da durch Fusionen im allgemeinen stärkere Unternehmen entstehen sind Investitionen in deren Produkte aus kaufmännischer Sicht besser abgesichert. Weitere Chancen, die sich durch Konzentrationen auf dem Softwaremarkt eröffnen, sind mehr Standardisierung und stärkere Unabhängigkeit vom Personal.

Unternehmen, die keine Standardsoftware einsetzen können - das sind mehr, als man gemeinhin denkt -, werden ihre Probleme weiterhin mit individueller Software lösen müssen; das ist in jedem Fall eine kostspielige und risiokoreiche Angelegenheit.

"Produkt-Elimination" im Zusammenhang mit Unternehmensfusionen ist zwar ein oft diskutiertes Thema; aber das Problem liegt wohl eher in der Natur der Sache - dem Produkt - als in unternehmerischen Strategien.