Indien sucht europäische Partner

Software-Export finanziert die Technologie-Entwicklung

03.11.1989

MÜNCHEN (CW) - Die indische Software-Industrie setzt auf Export. Dort werden nicht nur die besten Gewinnmargen erzielt, sondern gleichzeitig unterstützen die nach Indien fließenden Devisen den Ausbau der heimischen Computer-Industrie.

"Der indische Markt ist für die expansive Software-Industrie einfach zu klein", begründet Narenda H. Kale, Chef der Kale Consultants, Bombay, das starke indische Engagement für den Export. Von dem Subkontinent aus wurden im Geschäftsjahr 1988/89 für 66 Millionen Dollar Software oder Service-Leistungen exportiert.

Diese Umsätze sollen jedoch nicht nur den Exporteuren zugute kommen. So muß jeder Hardware-Import dreifach durch Einnahmen aus dem Software-Export gedeckt sein. Auf diese Weise will die indische Regierung den Ausbau der heimische Computerindustrie fördern - ein Konzept, das sich laut Wilhelm Berg, Geschäftsführer der Deutsch-Indischen Handelskammer, Düsseldorf, als ausgesprochen erfolgreich erwiesen hat.

Trotz eines Exportvolumens im Wert von knapp 130 Millionen Mark hat die indische Software-Industrie Schwierigkeiten sich auf dem europäischen Markt zu etablieren. Vorurteile spielen hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. "Eines der Hauptprobleme besteht darin, daß die Europäer uns unsere Kompetenz einfach nicht abnehmen", klagt K.V. Ramani, Managing Director der Future Software Private Ltd., Madras, und Sprecher des Verbandes der indischen Software-Industrie ("Nasscom").

Schwierigkeiten mache den Indern auch der gewaltige räumliche und kulturelle Abstand von den europäischen Kunden. Darum versuchen sie ihre Geschäfte vor allem über Partner Unternehmen abzuwickeln. In Deutschland arbeiten sie mit Unternehmen wie Nixdorf, Ikoss, Siemens und Bosch zusammen.

Die Attraktivität der indischen Industrie für ausländische Partner liegt laut Ramani vor allem in der Verfügbarkeit einer großen Zahl von ausgebildeten Spezialisten, deren hoher Ausbildungsstand und vor allem die niedrigen Entwicklungskosten.

Sein Land verfüge als zehntgrößte Industrienation weltweit über das drittgrößte wissenschaftliche und technische Arbeitskräftepotential. Zur Zeit arbeiten, so Ramani, 80 000 Computer-Fachleute in Indien - eine Zahl, die sich jährlich um etwa 5000 erhöht.

"Die Software-Entwicklung ist in Indien wesentlich besser im Bildungssystem verwurzelt als im europäischen Kulturkreis" erklärt Berg das Intresse der Inder an der Programmierung. So gebe es dort einen eigenen Studiengang für Software-Entwicklung. Und auch in der Schule spiele der Computer eine weit wichtigere Rolle als etwa in Deutschland. Der Grund dafür liege zum einen in dem natürlichen Spieltrieb vieler Inder und andererseits in ihrem traditionellen Interesse an Mathematik und Astronomie.

Trotz einer jährlichen Zuwachsrate von 15 Prozent ist die indische Computer-Industrie jedoch vergleichsweise klein. Die Hardware-Landschaft ist vor allem durch PCs und Midrange-Rechner sowie durch Workstations bestimmt. Der Mainframe-Bereich spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Gegenüber einem Software-Umsatz von derzeit 156 Millionen Dollar wird der Löwenanteil von 313 Millionen Dollar im Hardware-Bereich erwirtschaftet. Doch die Software-Unternehmen holen mit jährlichen Umsatzsteigerungen von 50 Prozent rasch auf. Eine wichtige Rahmenbedingung für diesen Erfolg ist, daß die indische Regierung die Software-Industrie - im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen - kaum reglementiert.