Software auf dem Weg zur Dienstleistung

11.04.2006
Von Frank Naujoks
Kaufen, mieten, selbst betreiben oder betreiben lassen: Hersteller lassen Anwendern zunehmend freie Wahl, wie sie Applikationen nutzen. Doch Versprechen und Wirklichkeit klaffen noch auseinander.
Gehaltssoftware würden die knapp 470 befragten Anwender am ehesten im SaaS-Modell beziehen.
Gehaltssoftware würden die knapp 470 befragten Anwender am ehesten im SaaS-Modell beziehen.

Heutzutage trennen herkömmliche Vertriebsmodelle noch weitgehend Software und dazugehörende Dienstleistungen als separat abzurechnende Bereiche. Doch zunehmend finden Anwender auch Offerten aus einer Hand, für die sie neben der Softwarelizenz auch gleich für Leistungen wie Inbetriebnahme oder Service und Support zahlen. Marktforschungsunternehmen wie IDC bezeichnen diese Form des Angebots als "Software-as-a-Service" (SaaS).

Neue Software - warum nicht on Demand?

In einer von IDC im Jahr 2005 veranstalteten Befragung von 468 Anwendern in Westeuropa begründeten 60 Prozent der Teilnehmer ihr Interesse an Software-as-a-Service mit einem anstehenden großen Software-Upgrade, 55 Prozent suchen nach Möglichkeiten, um ihre IT-Kosten zu reduzieren, und mehr als 40 Prozent erhoffen sich, die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu verbessern. In rund 40 Prozent der Fälle soll SaaS eine bestehende Applikation ersetzen beziehungsweise ergänzen. Als Gründe, das SaaS-Modell nicht in Betracht zu ziehen, nennen die Anwender Sicherheitsbedenken, mangelnde Customizing-Möglichkeiten und die aufwändige Integration in bestehende Lösungen.

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Der Hauptvorteil von Software-as-a-Service-Angeboten ist der laufende Support der Applikationen durch den Anbieter. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei unterschiedliche Modelle unterscheiden: Hosted Application Management (Hosted AM) und Software on Demand. Üblicherweise werden beim Hosted-AM-Modell die Lizenzen einmal gekauft und jährliche Wartungsgebühren in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Lizenzpreises an den Hersteller bezahlt. Lizenz- und Hosting-Regelwerk bilden separate Verträge. Die meisten Hosted-AM-Verträge erlauben ein Customizing der Applikationen, das jedoch in aller Regel extra bezahlt werden muss.

Dieses Dienstleistungskonzept fasst Software, Services und Support einer Applikation zusammen, die in den meisten Fällen speziell für eine One-to-many-Verteilung konzipiert ist. Der Zugriff der Anwender erfolgt über das Internet, wobei einige Anbieter zusätzlich auch Offline-Module als Ergänzung anbieten, die im System des Nutzers arbeiten. Die Applikation wird an einem zentralen Ort für alle Anwender betrieben, und der Mietpreis enthält die Bestandteile für die Softwarelizenz und das Hosting der Lösung. Die Möglichkeiten zum Customizing sind allerdings bis auf Konfigurationsänderungen sehr eingeschränkt und bieten deshalb nicht für jeden Anwender die geforderte Flexibilität.

Erinnerungen an ASP

In den 90er Jahren war unter dem Namen Application-Service-Providing (ASP) ein ähnliches Modell schon einmal en vogue, konnte sich aber unter anderem aus technischen Gründen nicht am Markt behaupten. Während der vergangenen Jahre hat sich allerdings die technische Basis für On-Demand-Angebote verbessert. Damit einhergehend ist auch die Akzeptanz auf der Anwenderseite gestiegen. Dazu haben die Angebote beispielsweise von CRM-Lösungen etablierter Unternehmen wie SAP, Siebel, Update und bald auch Microsoft beigetragen.

Was in den Marketing-Präsentationen schon reibungslos funktioniert, stellt die Softwareanbieter und Systemintegratoren aber noch vor große Herausforderungen: Insbesondere ein geeignetes Abrechnungsmodell zu finden sowie Software und Prozesse an die unternehmensindividuellen Anforderungen anzupassen bereitet noch Schwierigkeiten.

Zwar gibt es schon heute Mietmodelle beispielsweise von Customer-Relationship-Management-Herstellern (CRM) wie Salesforce.com, Siebel, Update oder neuerdings auch SAP. Damit binden sich die Anwender aber in der Regel mit ein- bis zweijährigen Verträgen, in denen der Leistungsumfang fix festgelegt ist. Abgerechnet wird pro Anwender und nach den freigeschalteten Funktionen. Kurzfristige Veränderungen der Kapazitäten und Funktionen, beispielsweise für Weihnachtswerbung, sind zwar möglich. Die Hersteller belohnen aber längerfristige, konstant auf ein bestimmtes Leistungsvolumen getrimmte Verträge mit deutlichen Preisnachlässen.

Auffallend ist, dass die Anwender, die bereits Software-as-a-Service-Konzepte in Anspruch nehmen, überwiegend Kleinunternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern beziehungsweise Großunternehmen mit mehr als 10000 Beschäftigten sind. Dieses Kaufverhalten ist allerdings nicht ungewöhnlich.

In den Abteilungen fängt es an

Große Unternehmen sind traditionell die Early Adopters, die kleineren folgen mit einigem zeitlichen Abstand. Allerdings bedeuten diese Zahlen nicht zwangsläufig, dass im Gesamtunternehmen SaaS eingesetzt wird, es sind typischerweise einzelne Geschäftsbereiche, Abteilungen oder Regionen, die dem neuen Modell offen gegenüberstehen.

Betrachtet man die Klientel für On-Demand-Angebote, wird auch schnell der Fokus auf mittelständische Unternehmen deutlich. Beispielsweise hat Salesforce. com eine durchschnittliche Anwenderzahl von weniger als 20 pro Unternehmen. Selbst wenn es in Deutschland Ausnahmen mit ein paar hundert Nutzern in einem Einzelunternehmen gibt, die Mehrheit bilden kleine Installationen.

Favoriten Payroll und Accounting

Von den befragten Anwenderunternehmen vertrauen mehr als 40 Prozent auf SaaS in der Lohnabrechnung, über 35 Prozent nutzen SaaS im Bereich Accounting, mehr als 30 Prozent verwenden Web-Conferencing-Tools im Servicemodell. Sales-Force-Automation-Lösungen werden von einem Viertel der Befragten als SaaS bezogen, und weniger als zehn Prozent setzen SaaS für den Bereich Product-Lifecycle Management ein.

Im Bereich der Enterprise Applications werden in den nächsten Jahren sowohl die On-Demand- als auch die Application-Management-Modelle weiter zulegen. Prominentester Vertreter aus dem Bereich on Demand ist der CRM-Anbieter Salesforce.com. Aber mittlerweile ist auch Enterprise-Resource-Planning-Software (ERP) beispielsweise von Collmex oder Semiramis zur Miete erhältlich.

Wachstum auf niedrigem Niveau

Auch wenn die Wachstumszahlen der aufstrebenden On-Demand-Protagonisten durchaus beeindruckend klingen, muss man sich vergegenwärtigen, dass dieses Wachstum von einem relativ niedrigen Niveau ausgeht. Mittelfristig ist nicht zu erwarten, dass der Bereich SaaS mehr als fünf bis zehn Prozent der gesamten Softwareerlöse ausmachen wird. Lediglich in Teilsegmenten wie beispielsweise CRM ist ein größerer Anteil nicht auszuschließen, denn die Angebote auch der seit Jahren etablierten Softwarehersteller wie SAP, Siebel, Update oder auch Microsoft nehmen zu.

Für die Anbieter bedeutet diese On-Demand-Ergänzung des Portfolios eine Umstellung sowohl im Vertriebs- als auch im Erlösmodell. Statt einmaligem Softwareverkauf und anschließender Wartungserlöse fließen die Einnahmen monatlich, und die Verträge können leichter geändert werden.

Im Bereich Application-Management ändert sich das Erlösmodell der Softwarehersteller erst einmal nicht, denn in der Regel werden die Lizenzen wie gehabt gekauft und dann von Dienstleistern betrieben. Dieser Serviceanbieter kann entweder das Softwarehaus selber sein, wie es beispielsweise SAP mit seinen umfangreichen "Managed-Services"-Offerten verfolgt, oder aber ein IT-Dienstleister wie T-Systems, der beispielsweise mit dem Angebot "Dynamic Services for SAP Solutions" den Betrieb der Infrastruktur, Wartung und Benutzerservices übernimmt. Dabei nehmen die Vertragslänge, der insgesamt bezogene Leistungsumfang sowie die Länge der Bezugsdauer einzelner Leistungskomponenten wie beispielsweise zusätzliche Schulungs- oder Projektsysteme Einfluss auf die Kosten.

Gleichgültig, welche Spielart von SaaS die Anwender wählen, die Nutzer verlangen nach einem Dienstleister, der ihre individuellen Geschäftsprobleme lindert beziehungsweise löst. Um erfolgreich zu sein, müssen Anbieter deshalb das Geschäft, die Branche und die damit verbundenen Herausforderungen ihrer Kunden genau kennen und verstehen.

Gute Erfahrungen

Anwender erwarten von ihren Softwarekäufen einen Mehrwert. Zwar ist heute eine Vielzahl von Produkten mit leistungsfähigen Features und Funktionen verfügbar, die jedoch in der Anwendererfahrung enttäuschen. Elemente der SaaS-Angebote, beispielsweise das Pricing und die Auslieferung des Produkts sowie der Bereich Service und Support, sind so angelegt, dass der Anwender mit der Software gute Erfahrungen macht. Damit ist das Modell genau in den Bereichen erfolgreich, in denen die Hersteller mit ihren traditionellen Produkten nur unzureichende Angebote unterbreitet oder zu viele Funktionalitäten geliefert und damit die Anwender überfordert haben.

Um erfolgreich zu sein, müssen die Anbieter die Anwender davon überzeugen, dass Software as a Service für eine schnelle Einführung der Software, kalkulierbare Kosten und eine Verlagerung des Implementierungs- und Infrastrukturrisikos steht. Nachrichten über längerfristige Ausfallzeiten, mit denen Salesforce.com vor Wochen zu kämpfen hatte, sind bei dieser Überzeugungsarbeit allerdings nicht hilfreich und verdeutlichen den Anwendern die neuralgischen Punkte, Grenzen und Abhängigkeiten des gewählten Lösungswegs.

Allerdings wird es für die On-Demand-Anbieter noch ausreichend Möglichkeiten geben, potenziellen Kunden ihre Leistungen zu demonstrieren. Denn wenn es den Servicespezialisten in Sachen Software gelungen ist, einer Fachabteilung ein dringendes Problem zu lösen, das die eigene IT-Abteilung nicht beheben konnte, besteht eine gute Chance, auch in weiteren Abteilungen Fuß zu fassen. Ob sich das On-Demand-Konzept unternehmensweit durchsetzen kann, hängt allerdings stark von den spezifischen Gegebenheiten ab; so sind beispielsweise Unternehmen mit verteilten Umgebungen und jeweils nur wenigen Mitarbeitern leichter zu überzeugen, da die anfallenden Support- und Maintenance-Arbeiten vom Anbieter zentral übernommen werden. Wer sich am besten auf den jeweiligen Kunden einstellen kann, gewinnt zuletzt den Auftrag. (ba)