Software as a Service erreicht Europa

24.07.2008
Auch in Deutschland soll die Nachfrage nach Mietlösungen steigen. Bislang sind hierzulande aber vor allem die Anbieter rührig.

Weltweit kommt die Nachfrage nach Software as a Service (SaaS) kräftig in Fahrt. Laut einer Studie von Saugatuck Technology werden Ende 2008 fast 40 Prozent aller Unternehmen mindestens eine Lösung zur Miete nutzen. Bis 2010 soll dieser Anteil auf 65 Prozent, in den USA sogar auf 75 Prozent, ansteigen. Immer mehr Anwender hoffen auf die Vorteile des Mietmodells: SaaS-Angebote bieten eine höhere Preistransparenz als stationäre Angebote. So kostet das Web-basierende Paket "Google Apps" - bestehend aus Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und E-Mail - pro Endanwender 50 Dollar im Jahr. Der "Simple Storage Service (S3)" von Amazon ist für monatlich 15 Cent pro Gigabyte zu haben. Auch dass zentral gehostete SaaS-Lösungen die Hardware besser auslasten und damit energieeffizienter sind als On-Premise-Anwendungen, ist in diesen Zeiten nicht zu unterschätzen.

Vorlaufkosten entfallen

Und schließlich spricht die schnelle Einführung ohne große Vorlaufkosten für das Mietmodell. "Es rechnet sich, dass wir für die bislang genutzten Services den Infrastrukturbetrieb nicht vorhalten und uns nicht um Installation und Wartung kümmern müssen", beschreibt Torsten Moeller, Bereichsleiter Entwicklung bei der Versicherungsgruppe Deutscher Ring, die Standardmodule - unter anderem zur Bonitäts- und postalischen Überprüfung von Adressdaten - in Form von Dienstleistungen bezieht. "In der Softwareentwicklung stellt sich für uns immer die Make-or-Buy-Frage. Und in speziellen Bereichen gibt es betriebswirtschaftlich keinen Sinn, eigene Software zu entwickeln." Vor allem bei Systemen und Prozessen, die nur periodisch genutzt werden oder ständigen Änderungen unterworfen sind, sei es oft günstiger, auf externe Ressourcen zurückzugreifen: "Das sonst erforderliche Know-how muss man ja erst einmal aufbauen und dann permanent auf dem neuesten Stand halten - auch in den Fachbereichen."

Hier lesen Sie ...

  • dass Anwender die zentrale Pflege der SaaS-Lösungen schätzen;

  • warum sie auf Datenschutzmängel gelassen reagieren;

  • dass SaaS-Anwendungen zunehmend in Lizenzlösungen integriert werden;

  • welche Anbieter sich für SaaS rüsten;

  • warum sich vor allem IBM und Microsoft für das Thema stark machen.

Europa holt auf

Speziell in Zeiten konjunktureller Unsicherheit steigt das Interesse an SaaS, betont Liz Herbert, Analystin bei Forrester Research: "Mit dem Mietmodell können Anwender ihre kurzfristigen Ausgaben senken, Anwendungen im Vorfeld testen und einen Großteil des Investitionsrisikos auf den Provider abwälzen." Kein Wunder, dass auch in Europa das Interesse wächst. "Vor allem in Skandinavien und den Benelux-Ländern ist die Nachfrage in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen", beobachtet Bill McNee, CEO von Saugatuck. Dementsprechend bereiten sich immer mehr IT-Anbieter auf das Thema vor - neben SaaS-Spezialisten und Softwareherstellern auch unabhängige Softwarehäuser (ISVs) sowie IT- und TK-Dienstleister.

Zu schaffen machen ihnen allerdings die länder- oder branchenspezifischen Regeln in puncto Datenschutz und Sicherheit. Wer über sein Rechenzentrum eine Geschäftssoftware betreibt, muss die gesetzlichen Auflagen der Mieter in den unterschiedlichen Ländern berücksichtigen. Den Gesprächen mit diversen SaaS-Anbietern entnimmt Saugatuck, dass die Debatte um den Schutz personenbezogener Daten und gesetzliche Auflagen eher emotional als auf Fakten begründet geführt wird. Unbestritten ist aber, dass diese Themen der Branche Kopfschmerzen bereiten: "Die Datenschutz-Problematik ist mit Abstand das größte Hindernis für das Wachstum des Hosting- und SaaS-Markts", erklärt etwa Nick Sharma, Senior Vice President Managed Services beim indischen IT-Dienstleister Satyam.

Das Marktwachstum wird sich dadurch jedoch nicht aufhalten lassen, glaubt Saugatuck-Analyst McNee: "Solche Bedenken hat es immer gegeben und wird es immer geben. Und deutsche Anwender sind traditionell besonders vorsichtig. Aber auch sie werden erkennen, dass sie ihre IT-Sicherheit durch SaaS sogar erhöhen können, weil die Provider darauf spezialisiert sind", ist der Experte überzeugt. Auch Entwicklungschef Moeller vom Deutschen Ring sieht hier keine Probleme: "Bei der Auswahl externer Services prüfen wir detailliert, ob der Provider unsere Datenschutz- und Security-Anforderungen einhält. Hinzu kommen so genannte Stresstests, in denen wir die Systeme im Rahmen der konstruktiven Qualitätssicherung überprüfen", beschreibt der Manager.

"In Zeiten von SOA und BPM basiert die Entwicklung auf wiederverwendbaren Einzelbausteinen. Und wenn diese von einem Provider angeboten werden, spielt es technisch keine Rolle, wo sie infrastrukturell laufen." Die entscheidenden Kriterien seien heute Funktionalität, Performance, IT-Sicherheit sowie die Kommunikation zwischen den Systemen. Prognosen von Pierre Audoin Consultants (PAC), wonach der SaaS-Markt in Deutschland in den nächsten drei Jahren um durchschnittlich 20 Prozent zulegen wird, hält Moeller daher für durchaus vorstellbar: "Wenn die Zahl der Module für spezifische Komponenten steigt und die Kosten sowie die notwendigen Rahmenbedingungen stimmen, wird sich SaaS durchsetzen."

Angebote aus Deutschland

Angesichts der rosigen Marktaussichten führen auch in Deutschland immer mehr Firmen entsprechende Angebote ein. So hat der Internet-Service-Provider Strato unlängst Mietmodelle für das Content- und Dokumenten-Management sowie für Kundendatenbanken prästentiert. Die GUS Group stellte auf der CeBIT die neue Version ihrer ERP-Lösung vor, die sich auch on Demand beziehen lässt ("GUS-OS OnService"). Und SAP hat eine Mietsoftware speziell für mittelständische Kunden entwickelt, die sich vor allem an den hiesigen und den amerikanischen Markt richtet. Ob "Business ByDesign", bei dem die Walldorfer sowohl technisch als auch in der Vermarktung neue Wege gehen, seine Zielgruppe findet, ist allerdings noch nicht ausgemacht. Weitere Hersteller von Geschäftsapplikationen, die Mietprogramme offerieren, sind T-Systems, Sage Software, CAS Software und Oracle.

Anbieter auf Partnersuche

"Die Bewegung geht derzeit klar von den Anbietern aus", räumt Frank Sempert von Saugatuck in Deutschland ein. Vor allem IBM versuche massiv, unabhängige Softareanbieter für SaaS zu gewinnen. Auch Microsoft will seine Partner dazu bringen, Mietapplikationen aufzulegen, für die der Branchenriese nicht nur die entsprechende Software, sondern auch Services liefern will. Die Suche nach Plattformanbietern, die die Anwendungen Web-fähig machen, in eine für mehrere Kunden angebotene Architektur (Multitenant-Architektur) einbinden und die damit verbundenen Services übernehmen, ist in vollem Gange. "Gegen Ende des Jahres wird es eine ganze Reihe von funktionierenden Geschäftsmodellen geben", prognostiziert Sempert.

SaaS wird komplexer

Den Durchbruch erlebte SaaS mit klar abgegrenzten Anwendungen für dedizierte Funktionen - etwa CRM (Customer-Relationship-Management) oder Collaboration. Laut Saugatuck ist die zweite SaaS-Welle aber bereits angelaufen: Mietlösungen werden zunehmend in bestehende On-Premise-Anwendungen integriert. Und laut Umfrage plant mehr als die Hälfte der Anwender weltweit, mittelfristig auch unternehmenskritische Anwendungen im SaaS-Modell zu nutzen - etwa für die Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung oder in der Steuerverwaltung. Zwei Jahre zuvor hatten nur 18 Prozent der Firmen diese Absicht geäußert.

Allerdings erfordert der Vertrieb von SaaS-Lösungen eine völlig andere Herangehensweise als der Verkauf von Softwareprodukten, räumt Saugatuck-Chef McNee ein: "Die Mitarbeiter des Providers müssen den Servicegedanken verinnerlichen und sich auf eine langfristige Zusammenarbeit mit ihren Kunden einstellen." Durch den derzeitigen Fokus auf Integration und kundenindividuelle Anpassung steigen die Anforderungen weiter. Speziell im Support sind neue Strukturen wie dedizierte SaaS-Arbeitsgruppen unabdingbar. Und dadurch, dass immer mehr Unternehmen mit einem Mix aus Lizenzsoftware und SaaS-Anwendungen arbeiten, sind fundierte Kenntnisse in der Systemintegration gefragt - nicht nur beim Provider, sondern auch in der IT-Abteilung des Anwenders.

Nicht zuletzt treiben komplexere SaaS-Strukturen auch die Kosten wieder in die Höhe: Schätzungen von Saugatuck zufolge werden die Management-Ausgaben der Saas-Anwender in den nächsten zwei Jahren um 25 Prozent zunehmen. Es bleibt abzuwarten, ob die Anbieter ihre derzeit hohe Akzeptanz - 84 Prozent der mehr als 400 weltweit befragten Unternehmen sind mit ihrer SaaS-Lösung "zufrieden" oder "sehr zufrieden" - angesichts der steigenden Kundenerwartungen hinsichtlich Governance und Integration aufrechterhalten können.