Vielen US-Unternehmen stehen im nächsten Jahr harte Entscheidungen bevor:

Software-Anbieter müssen gegen Flaute kämpfen

20.12.1985

FRAMINGHAM (cw) - Bei vielen amerikanischen Software-Anbietern weht derzeit ein harter Wind: Gingen noch zu Beginn dieses Jahres die meisten Marktforscher davon aus, die Flaute im Hardwaregeschäft werde kaum Auswirkungen auf die Software-Branche haben, sehen sie die Situation inzwischen völlig anders.

Plätze auf der Erfolgsleiter erwirtschafteten sich beispielsweise die Cullinet Software Inc. und Applied Data Research. Cullinet konnte das Geschäftsjahr 1985 am 31. April mit einem Umsatz- und Gewinnzuwachs von 50 Prozent abschließen. Applied Data verzeichnete gar eine Steigerung um 60 Prozent im Vergleich zur entsprechenden Abrechnungsperiode des Vorjahrs.

Weniger rosig sieht es für Unternehmen wie Management Science America Inc. und Oracle Corp. aus. Beide Anbieter haben bereits begonnen, ihren Personalstand zu reduzieren. Wenn sich das Blatt für die Software-Branche nicht bald ändere, so orakeln inzwischen die Marktkenner, würden sie wohl nicht die einzigen bleiben.

"Bekommt die Industrie nicht bald wieder Auftrieb, werden einige Anbieter wohl sehr schwierige Entschlüsse zu treffen haben", kommentiert Robert Grandhi, Vizepräsident bei E. F. Hutton & Co., die derzeitige Situation. "Bei unternehmerischen Entscheidungen stellen die Kosten eines der Hauptprobleme dar. Für einen Software-Anbieter bedeutet das: die Anzahl und das Gehaltsniveau seiner Mitarbeiter."

Mit den Umsatzzahlen der Softwarebranche setzte sich das US-Marktforschungsinstitut Gartner Group Inc. auseinander. Im Mainframe-Bereich ging die Gesamtsteigerungsrate von 40 Prozent in 1984 auf etwa 20 Prozent in diesem Jahr zurück. Besonders hart betroffen waren das Applikations- und Datenbankgeschäft. Die Zuwachszahlen im DBMS-Bereich geben die Branchenkenner von Gartner mit lediglich sieben Prozent für die ersten neun Monate dieses Jahres an (1984: 50 Prozent).

Diese Rückschläge führen die Marktforscher auf eine Reihe von Faktoren zurück: Unter anderem wird auf die allgemeine Lage der Industrie verwiesen, die potentielle Kunden veranlaßt, ihren Gürtel enger zu schnallen.

Außerdem hat sich der Konkurrenzkampf bei den Anbietern von Applikations- und DBMS-Software deutlich verschärft. Die Anwender verlagern nämlich die Diskussion um mögliche Neuanschaffungen auf immer höhere unternehmensinterne Entscheidungsebenen.

Nicht ganz so düster stellt sich die Situation im Systemsoftware-Bereich dar. Günstige Endverkaufspreise haben den Anbietern dazu verholfen, das Jahr relativ unbeschadet zu überstehen. Der Trend zu teureren, integrierten Produkten, so argumentieren die Marktanalysten, könne je doch dazu führen, daß die "System-Schmieden" schon bald mit ähnlichen Problemen konfrontiert werden, wie jetzt die Applikations- und DBMS-Anbieter.

Von einer solchen Sparpolitik bei den Vertretern der Industrie kann der Anwender kurzfristig betrachtet zwar profitieren. Langfristig sieht die Situation allerdings anders aus: Die Entwicklung von neuen Produkten und die Wartungsqualität stehen auf dem Spiel.