Andreas Resch

"Software als Produkt ist extrem unreif"

16.07.2007

Schnittstelle als Grundübel

RESCH: Die Schnittstelle ist für uns Anwender das Grundübel schlechthin. Mit einzelnen Softwaremodulen kommen wir gut zurecht. Aber die Integration von verschiedenen Bausteinen von unterschiedlichen Herstellern mit unterschiedlichen Update-Zyklen macht uns das Leben extrem schwer. Schnittstellen verlangen eher nach einem Pflaster oder einem Arztbesuch. An dem Wort "Schnittstellen" kann man ablesen, dass wir in den IT-Abteilungen kaum in der Lage sind, dem Wunsch der Anwender nach mehr Flexibilität und Kombinierbarkeit gerecht zu werden. Deshalb übt das SOA-Konzept auch so eine große Attraktivität auf uns aus. Es verspricht, den Kampf mit der Schnittstelle zu gewinnen.

Wir wünschen uns von Anbietern die leichtere Kombinierbarkeit von Elementen, bessere Handhabung von Schnittstellen und alles, was damit zusammenhängt. Wir müssen uns darüber klar werden, dass wir immer noch kein spontanes Gefühl, keine Intuition für die Statik unserer Systeme entwickelt haben. Im Auto- oder Hausbau ist das vorhanden. Jeder weiß, dass man bei einem Haus nicht die tragenden Wände entfernen kann, ohne dass es einstürzt. Wir wissen, dass wir mit einem Rennwagen nicht über einen Acker fahren können. In der Software ist das anders. Selbst Fachleute können manchmal nur sehr schwer erkennen, wie sich Änderungen auf das Funktionieren des Systems auswirken. Da hängen wir oft noch dem Glauben an, dass ein Rennwagen, nur weil er einen starken Motor hat, ganz ausgezeichnet querfeldein fahren müsste. Was ist daran so schwierig, ein System mit numerischen Kundennummern in eines mit alphanumerischen zu verändern? Auf der Karteikarte geht das doch auch ganz leicht. Da stellt sich heraus, dass die Statik eines IT-Systems ganz andere Stärken, aber auch Schwächen hat, als man erwartet.

Und diese Fehleinschätzungen führen vor allem auf Anwenderseite dazu, dass Erwartungen an Flexibilität, Bequemlichkeit und Veränderungsfähigkeit von Software enttäuscht werden. Die Statik unserer heutigen Systeme erlaubt das einfach nicht. Die Anwender verstehen nicht, warum in Excel etwas leicht zu ändern ist, aber die Abaps nicht mal eben neu geschrieben werden oder die Struktur der Datenbank komplett verändert werden kann. Gleichzeitig hegen wir ganz hohe Ansprüche in Sachen Integration. Die macht die Systeme natürlich noch komplexer und noch unflexibler.

CW: Gemessen an anderen Industrien, auf welcher Entwicklungsstufe sehen sie die Softwarebranche?

RESCH: Auf einer frühkindlichen. Gemessen am Lebenszyklus anderer Branchen, steht die Softwareindustrie erst ganz am Anfang. Das gilt für Entwicklung und Produktion, aber auch für den Absatzmarkt. Nehmen Sie als Beispiel nur das Fehlen eines Gebrauchtgütermarktes. Nennen Sie mir eine andere Industrie, in der keine gebrauchten Produkte gehandelt werden.

CW: Wer muss gescheiterte Projekte häufiger auf seine Kappe nehmen, der Anwender oder der Anbieter?