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Software AG: XML-Image und Wachstum mit Adabas

19.10.2000
SAG-Chef Erwin Königs erläutert im Gespräch mit CW-Redakteur Hermann Gfaller den Wandel seines Unternehmens zur XML-Company und dessen Chancen und Risiken.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit Erwin Königs, dem Vorstandsvorsitzenden der Darmstädter Software AG, sprach CW-Redakteur Hermann Gfaller.

CW: Ihr derzeitiger Werbeslogan lautet: "Software AG, das XML-Unternehmen". Was ist aus der Drei-Säulen-Strategie mit Datenbanken, Middleware und Tools geworden?

KÖNIGS: Daran hat sich nichts geändert. Es gibt nach wie vor die Adabas-Datenbank, die Entwicklungsumgebung Natural und die Entire-Middleware, die heute Entire-X heißt und ausgesprochen erfolgreich ist.

CW: Warum kaufen heute Kunden noch Adabas und Natural?

KÖNIGS: Nur wegen der Leistung bei der Massendatenverarbeitung. Wir haben Kunden, die machen über 300 Millionen Transaktionen am Tag. Hier sind wir führend. Wir verzeichnen 20 Prozent Wachstum bei Adabas.

CW: Entire-X sollte die Windows-Welt in Mainframe- und Unix-Backend-Systeme integrieren. Das war die Zeit, als die Software AG sich enorm um die Partnerschaften mit Microsoft bemühte. Seither hört man wenig von dieser Partnerschaft und um so mehr von Java- und XML-Bemühungen.

KÖNIGS: Das ist nicht ganz richtig. Die Lizenzumsätze mit Entire-X wachsen jährlich um 75 Prozent, und IDC bescheinigt uns nach der IBM den zweitgrößten Marktanteil für Message-based Middleware.

CW: Was hat das damit zu tun, dass sie sich als XML-Unternehmen bezeichnen?

KÖNIGS: Wir haben unsere Kernkompetenzen, die drei Säulen, auf das Internet ausgeweitet. Die Middleware dient heute nicht nur der Windows-, sondern auch der Web-Integration. Neben Natural steht die Web-Entwicklungsumgebung Bolero, und die Adabas-Datenbank wird um Tamino ergänzt. In allen Fällen spielt XML eine wichtige Rolle.

CW: Sie haben als eines der ersten deutschen Unternehmen auf XML gesetzt. Wie kam das?

KÖNIGS: Vor ein paar Jahren hatten wir Besuch aus Kalifornien von den Leuten, die XML entwickeln wollten. Unsere Entwickler waren von dem Konzept derart begeistert, dass wir uns nach einigen harten Diskussionen haben anstecken lassen. Im April 1998 fiel dann die Entscheidung, dass wir künftig alle unsere Produkte auf XML-Basis machen würden.

CW: Das klingt nach großer Vision. Aber bis 1998 hat die Software AG fast nur von Microsofts DCOM-Middleware geschwärmt und von der Möglichkeit der Windows-Anbindung an die Backend-Systeme. Vom Internet war keine Rede.

KÖNIGS: Gut, wir haben nicht darüber geredet, aber wir haben bereits an den Produkten entwickelt.

CW: Ich erinnere mich, dass Bolero zuerst eher Windows- als Java- und XML-basiert daherkam. Mir scheint, es hat sich bei den neuen Produkten eher um Versuchsballons gehandelt.

KÖNIGS: Stimmt, denn damals war XML völlig unbekannt. Aber schon im Herbst kamen die ersten Meldungen - übrigens auch von Microsoft. Das bestätigte uns in unserer Entscheidung, so dass wir unter Hochdruck XML-fähige Produkte auf den Markt brachten. Inzwischen sind sich Analysten, Öffentlichkeit und Hersteller einig, dass XML die IT-Infrastrukturen massiv vereinfachen wird.

CW: Trotzdem ist es ein Risiko, früh dafür Produkte zu entwickeln. Denken Sie im Datenbankbereich an die Universal Server, die zum Schimpfwort geworden sind, oder an die objektorientierten Systeme, die sich bis heute nur eine kleine Nische erobern konnten. Befürchten Sie nicht ein ähnliches Schicksal für Tamino?

KÖNIGS: Unser Ziel ist es, mit Tamino weltweit zur Referenzplattform für Internet-Anwendungen zu werden. Zu diesem Zweck haben wir mit unserer Firmentradition gebrochen, nur direkt zu verkaufen. Wir haben einige hundert Partner gefunden, die ab diesem Herbst Tamino und Entire-X für uns verkaufen. Ziel ist es, Kunden zu finden, die ihre Lösungen auf Tamino-Basis anbieten. Wir werden ein Nischen-Player bleiben, wenn es uns nicht gelingt, mehrere hundert solcher Lösungen in den nächsten fünf Quartalen zu initiieren. Sind wir erfolgreich, dann - so sagen uns die Fonds-Manager - haben wir die Chance, Oracle, Microsoft und IBM im Datenbankgeschäft zu schlagen.

CW: Sind die Zeiten nicht vorbei, in denen Datenbanken strategische Produkte waren, und sind Sie mit Ihren Produkten nicht eher als Internet-Integrator positioniert?

KÖNIGS: Das kann man so sehen.

CW: Ist das Integrationsgeschäft aufgrund des hohen Dienstleistungsanteils überhaupt für den indirekten Vertrieb geeignet?

KÖNIGS: Tatsächlich machen wir das reine Middleware-Geschäft selber. Hier bleibt der Verkauf über Partner die Ausnahme. Bei Tamino ist das anders. Dort werden wir drei Viertel indirekt verkaufen - über Lösungsanbieter.

CW: Warum glauben Sie, mit diesem abgegriffenen Konzept erfolgreicher sein zu können als etwa Informix?

KÖNIGS: Sofern es sich um Multimedia-Daten handelt, sind wir sind einfach schneller. Außerdem war es ein Fehler, zu glauben, die Kunden mit einem Universal Server dazu bringen zu können, die bisherige Datenbank aufzugeben. Wir dagegen bieten uns als Ergänzung an.

CW: Beim Verkauf von Datenbanken über Partner zielt man meist auf vertikale Märkte. Welche sind das in Bezug auf Tamino?

KÖNIGS: In Europa vor allem Online-Banking, E-Procurement und Handel. In beiden Bereichen gilt es viele Partner zu koordinieren. Außerdem gibt es große Initiativen der Staaten und der EU für E-Government, während in den USA vor allem der Bereich Gesundheitswesen interessant ist. Hinzu kommt die Chemie- und Gentechnik, wo es darum geht, Molekülstrukturen grafisch zu speichern.

CW: Die Beispiele deuten auf komplexe Anwendungen mit hohem Datenaufkommen hin. Kann da XML schon mithalten?

KÖNIGS: Rund 80 Prozent der Rechenleistung wird für Datenaustausch gebraucht. XML kann diese Aufgabe radikal vereinfachen, wenn es an beiden Enden eingesetzt wird. Programme für die Datenanpassung, Konversionen und Mapping lassen sich ausmustern. Damit wird gerade bei großen Datenmengen viel Leistung freigesetzt.

CW: Bei dieser Beschreibung ließe sich erwarten, dass Tamino zuerst für den Mainframe kommt. Tatsächlich aber haben Sie mit einer NT-Version begonnen. Ist das nicht unlogisch?

KÖNIGS: Das hat geschäftliche Gründe. Es handelt sich um eine neue Technik, in die die Anwender auch finanziell erst hineinwachsen müssen. Die Kunden wollen erst mit einer kleinen Plattform anfangen. Bei NT handelt es sich hier um Projektkosten von etwa 50 000 Mark, auf dem Großrechner geht es um andere Größenordnungen.

CW: Wie viel Geschäft machen Sie denn schon mit ihren XML-basierten Produkten im Vergleich zu Adabas und Natural?

KÖNIGS: Adabas und Natural stehen noch für 58 Prozent des Umsatzes. Der Rest fällt auf Bolero, Tamino und Entire-X, wobei hier das Wachstum bei 108 Prozent liegt.

CW: Sie bündeln Bolero und Entire-X. Lässt sich Bolero allein nicht verkaufen?

KÖNIGS: Das ist nicht der Grund. Es ist ganz einfach zu aufwändig, mehrere Markenzeichen gleichzeitig zu bewerben. Das ist auch der Grund, warum wir uns als XML-Unternehmen bezeichnen. Wir brauchen ein Image, das jeder versteht.

CW: Sie haben vorhin die Fonds-Manager erwähnt und jetzt die Bedeutung des Markenbewusstseins. Außerdem haben Sie mit Ihrer XML-Werbung hohe Erwartungen geweckt. Das klingt nach Dotcoms, die ihren Erfolg an den Reaktionen an der Börse messen. Ist das nicht gefährlich?

KÖNIGS: Das stimmt schon, aber ich bin ein konservativer Mensch und lasse das Unternehmen nicht überbewerten.

CW: Trotzdem - von Unternehmen im Internet-Umfeld erwartet man extrem hohe Wachstumsraten. Können Sie die liefern?

KÖNIGS: Der Druck ist tatsächlich groß. Aber bisher haben wir die Erwartungen der Analysten jedes mal übertroffen.

CW: Das verschärft das Problem doch nur, schließlich können Sie nicht jedes Jahr dreistellig wachsen.

KÖNIGS: So ist die Situation nun einmal: Wir müssen wachsen, organisch und durch Akquisition.

CW: Wen kaufen Sie?

KÖNIGS: Bisher vor allem Servicefirmen aus dem Middleware-Bereich. Dabei ging es uns auch um regionale Ausweitung. In diesem Bereich werden wir weiter kaufen, vor allem Vertriebspartner.