Larmoyanz angesichts schwieriger Lage für unabhängige Datenbank-Anbieter

Software AG: Dezente Kritik an IBM-Politik

21.10.1988

WIEN (CW) - Verklausulierte Kritik üben Spitzenmanager der Software AG (SAG) an IBMs Vorgehen im Mainframe-Softwaregeschäft: "Die IBM verkauft mit einem Marketing-orientierten Konzept, nicht mit einem Markt-orientierten", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Adabas-Produzenten, Peter Schnell, auf einer SAG-Benutzer-tagung in Wien.

Mochte Schnell die monopolartige Dominanz der IBM bei systemnaher Mainframe-Software, etwa auf dem Gebiet der Daten-banken, nicht beim Namen nennen, so ging Vertriebsleiter Wolfgang Mudter immerhin auf die Folgen ein: "50 Prozent der IBM-Anwender ziehen andere DBMS-Anbieter nicht einmal in Betracht."

Auf die Schwäche der IBM-Konkurrenten in diesem Markt wies SAG-Pressesprecher Rolf Bastian hin. Daß renommierte ISVs (Independent Software Vendors) derzeit wenig erfolgreich operierten, andere - wie ADR - gar ihre Selbständigkeit eingebüßt hätten, würde letztlich nur der IBM nutzen.

Eine Bedrohung durch die IBM-Policy, zunehmend Zugriffs- und Kontrollfunktionen in Mikrocode zu implementieren, um die eigenen DB-Systeme abzuschotten und den Drittanbietern das Leben schwer zu machen, kann Peter Pagé, Executive Vice President der SAG, für sein Haus indes nicht sehen: "Davor haben wir keine Angst." Entsprechende Assembler-Anweisungen könnten von den SAG-Systemen gelesen und genutzt werden. So hält auch Schnell offenbar nichts davon, sich in Spekulationen über eine künftige DB2-Maschine der IBM zu ergehen: "Eine solche Maschine ist immer die teurere Lösung."

Andere Mitglieder des Managements räumten allerdings ein, daß Gerüchte dieser Art die Kundschaft erheblich verunsicherten - zu Lasten des eigenen Umsatzes.

Dennoch gab die Software AG in Wien eine Schnittstelle ihres 4GL-Produkts Natural zum IBM-Datenbanksystem DB2 frei.

Wettbewerb droht dem SAG-eigenen DBMS-Produkt Adabas allerdings auch von seiten der Unix-orientierten Datenbank-anbieter. Konstatiert Pagé: "Oracle und Informix kommen vom unteren Ende her, wir vom oberen; bislang sind wir uns noch nicht oft begegnet. Doch wir erwarten Konkurrenz aus dieser Richtung."

Mittlerweile hat jedoch auch die Software AG im Unix-Umfeld einen künftigen Absatzmarkt entdeckt. Nächstes Jahr sollen die ersten Implementierungen der Software-Systeme aus Darmstadt freigegeben werden. Zunächst steht das Derivat von Digital Equipment, Ultrix, auf dem Programm; das DEC-Feld wurde nämlich unter VMS bereits erfolgreich beackert.

"Innerhalb der kommenden zwölf Monate" soll, nach den Worten Pagés, auch die erste Mikrocomputer-Implementiertung von Adabas, Natural und einigen anderen SAG-Produkten auf den Markt kommen - unter OS/2. Pagé: "Man hatte uns gesagt, OS/2 wäre strategisch; und das haben wir auch geglaubt." Daß die IBM-Vokabel "strategisch" bedeutet: strategisch für IBM, nicht für den Kunden, haben die Software-AG-Vorständler eigenem Bekunden zufolge ohnehin lernen müssen.

Mittlerweile sei offensichtlich, so Pagé, daß MS-DOS keineswegs so schnell sterben werde, "wie manche Leute gerne hätten". Deshalb habe sein Unternehmen beschlossen, die entsprechenden Softwarepakete auch auf MS-DOS zu implementieren; voraussichtlich zum Ende des nächsten Jahres werden sie unter dem Microsoft-Betriebssystem lieferbar sein.

Die bereits im ersten Quartal dieses Jahres angekündigte Unterstützung von Wang-Rechnern unter VS ist jetzt verwirklicht. Dafür, daß die SAG-Produkte Adabas, Natural 2, Super Natural und Predikt auf den Wang-Rechnern eher verfügbar sind als beispiels-weise unter Unix, führt Pagé pragmatische Gründe an: "Die Wang-Architektur ist sehr eng an die der IBM angelehnt."

Anläßlich der Benutzerkonferenz gab der Hersteller auch ein Volltext-Retrieval-System auf der Basis von Adabas und Natural frei. Das "Natural Document Management" bietet nach Hersteller-angaben die Möglichkeit, Texte anhand von Synonymen oder phonetischen Deskriptoren zu suchen. Außerdem könnten ständig wiederkehrende Recherchen programmiert und anschließend nur noch mit den aktuellen Parametern beschickt werden.