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Kein Hype ohne Skandale

Social Media bei Olympia

06.08.2012
In die Kameras zu winken, reicht nicht mehr aus. Für den Kontakt der Sportler mit ihren Fans sorgen Twitter, Facebook und YouTube. Das IOC freut sich über die zusätzlichen Medien - hat aber auch Angst vor Kontrollverlust.

Nach seinem Sprint zur Goldmedaille feierte Sprinter Usain Bolt nicht nur im Londoner Olympiastadion. Kurz nach dem packenden 100-Meter-Finale machte der Jamaikaner auf Facebook und Twitter weiter - mit einem Foto vom siegreichen Lauf. Und mit gewohnt selbstbewussten Kommentaren. "Unglaublich, Usain! Sicher der Größte aller Zeiten", gratulierte der Unternehmer Richard Branson via Twitter - Bolt verbreitete es an seine 984.000 Follower weiter.

Höher, schneller, stärker - sozialer? Die Olympischen Spiele in London könnten als das Großereignis in die Geschichte eingehen, bei dem Online-Diensten wie Facebook, Twitter und YouTube der große Durchbruch bei den Sportfans gelang. Millionen Zuschauer im Stadion und daheim feiern und leiden mit ihren Stars, und auch immer mehr Athleten gestatten Einblick in ihren Alltag und bedanken sich artig für die Unterstützung. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) befeuert den Hype - und bekämpft den Kontrollverlust.

Bei den Spielen in Peking vor vier Jahren waren Facebook und Twitter noch ein Nischenphänomen, das fürs IOC nur eine ungeordnete Rolle spielte. Anders in London: Die beiden Dienste sind mittlerweile Massenmedien, und schon viele Monate, bevor das olympische Feuer London erreichte, bastelten die Veranstalter an einer eigenen Plattform. Im "Olympic Athletes' Hub" bündelt das IOC die Facebook-Nachrichten und Tweets vieler Sportler. In London gebe es dank der Sozialen Medien die ersten "Gesprächsspiele" ("conversational games"), sagte Alex Huot, Social-Media-Chef des IOC, der "New York Times".

Klar, dass die Olympia-Macher nichts dem Zufall überlassen wollen. Mit vierseitigen "Guidelines" wurden die Athleten weit im Voraus eingenordet: Weder Töne noch Videos von den Wettbewerben dürfen sie verbreiten, alle Äußerungen müssen in Ich-Form und Tagebuchformat verfasst sein, Werbung für die eigenen Sponsoren ist strikt verboten.

Die meisten Sportler halten sich brav an die IOC-Regeln. Sie versorgen ihre Fans mit Fotos von Ausflügen und Medaillen, danken fürs Anfeuern oder betrauern ihr Scheitern. Auch Sportverbände wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mischen mit. Facebook und Twitter sind ideale Plattformen zur (Selbst-) Vermarktung. Das gelte gerade für Sportler aus "Nicht-Fernseh-Sportarten", die nur alle vier Jahre die breite Öffentlichkeit erreichen, sagte der Social-Media- Berater Jan Rode - etwa Hockey und Fechten.

Doch die Sozialen Medien lassen sich nicht so einfach kontrollieren, wie es das IOC gerne hätte. In der ersten Olympia-Woche gab es etliche Misstöne und ein paar handfeste Skandale: Bei der Ankunft in London beschwerten sich Sportler via Twitter über die Irrfahrt ihrer Busse auf dem Weg ins olympische Dorf. Eine griechische Dreispringerin ließ einen rassistischen Spruch ab, ein Fußballer aus der Schweiz hetzte gegen den Gegner - beide mussten abreisen. Und zumindest in den USA sind die Proteste einiger Leichtathleten, die gegen die Werbebeschränkung aufmucken, deutlich vernehmbar.

Kontrollieren kann der olympische Sportverband tausende von Tweets und Facebook-Nachrichten nicht. "Das IOC versucht, mit seinem Social-Media-Hub so viel positiven Buzz zu erzeugen, dass die negativen Meldungen nicht mehr so sehr ins Gewicht fallen", erklärte Rode, der unter www.der-medienlotse.de über die Sportkommunikation bloggt.

Die Gespräche rund um die Olympischen Spiele dienen auch den Plattform-Betreibern. Vor allem Twitter setzt auf den Sport - nicht nur unter dem Logo der Ringe, sondern etwa auch beim Fußball. Das Kalkül: "Wenn Prominente und Sportler sich äußern, ist das immer eine Nachricht wert", sagte Rode. "Die Relevanz von Twitter steigt durch solche Berichte." Der Zwitscherdienst kooperiert bei den Spielen mit dem US-Sender NBC, der in seinem Programm prominent auf den Partner hinweist. Ganz ohne Risiken ist das nicht, wie die Zensurvorwürfe nach der zwischenzeitlichen Sperrung eines Journalisten zeigen.

Rode ist davon überzeugt, dass die Bedeutung der Sozialen Medien für die Olympioniken deutlich zunehmen wird: "IOC und Athleten sind hinsichtlich der Kombination von Social Media und Sportgroßveranstaltungen Pioniere", sagte Rode. Bisher sei erst jeder dritte deutsche Teilnehmer bei Facebook oder Twitter aktiv. In den kommenden Jahren werde es zu einer Professionalisierung kommen. Bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro dürfte das Motto wohl lauten: Höher, schneller, weiter - und noch sozialer. (dpa/tc)