Remote Assistance via AR

Social Distancing für Servicetechniker

24.04.2020
Von 
Dirk Schart ist Chief Marketing Officer beim Münchner Augmented-Reality-Anbieter RE'FLEKT.
Mit Remote Assistance via Augmented Reality wird technischer Support direkt vor Ort möglich - unabhängig von Reisebeschränkungen oder anderen logistischen Problemen.

Als Reaktion auf die Corona-Krise haben inzwischen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen ins Homeoffice geschickt. Allerdings können längst nicht alle Tätigkeiten in das heimische Arbeitszimmer verlagert werden. In vielen Fällen ist weiterhin eine Präsenz vor Ort erforderlich, etwa in der Produktion, bei Inspektionen oder bei der Fehlersuche und -behebung an Maschinen und Geräten.

Gerade im letzten Fall reicht die Unterstützung per Telefon oder E-Mail häufig nicht aus, weil sie zeitaufwendig, anstrengend und häufig mit Missverständnissen verbunden ist. Videotelefonie über Skype & Co. wiederum ist nicht interaktiv genug und die physische Anwesenheit eines Experten ist - unabhängig von aktuellen Reisebeschränkungen oder anderen logistischen Problemen - teuer. Bei komplizierten Fehlern, die eine Präsenz erfordern, brechen daher Prozesse für Wartung, Kontrollen und Reparaturen aktuell komplett zusammen.

Eine Lösung für dieses Problem stellen Prozess- und Kontroll-Apps mit integrierter Augmented Reality (AR) dar: Sie ermöglichen Unternehmen, Remote Assistance - die Zusammenarbeit über weite Distanzen, visuell und in Echtzeit - eine Funktion, die dank der damit möglichen Zeit- und Kostenersparnis auch über die aktuelle Krise hinaus wertvoll ist.

Per Augmented Reality können Experten unabhängig von ihrem Standort Arbeitern mit konkreten visuellen Anweisungen direkt an der Maschine helfen.
Per Augmented Reality können Experten unabhängig von ihrem Standort Arbeitern mit konkreten visuellen Anweisungen direkt an der Maschine helfen.
Foto: ERIKS

Remote Assistance mit AR - Schlüsselanwendungen

In den Kernbereichen Support und Training ist Remote Assistance per AR besonders wirkungsvoll:

1. Erweiterter Remote Support

Über Chats oder Videotelefonie können Mitarbeiter die jeweils zuständigen Experten konsultieren. Auf Fotos oder direkt in der Videoübertragung kann per Augmented-Reality-Anmerkung die Diagnose gestellt oder die Lösung des Fehlers markiert werden. Dabei arbeiten die Teilnehmer mittels Smartphone, Tablet oder AR-Brille (beispielsweise HoloLens 2, Realwear HMT-1 oder Vuzix M400) in Echtzeit gefühlt am selben Ort zusammen. Da alle Teilnehmer das gleiche Bild sehen, können sie exakte Diagnosen stellen und gemeinsam Lösungen finden.

Ein Experte in der Zentrale stellt eine Fehlermeldung beim Kunden fest. Er leitet den Techniker vor Ort mittels AR-Anweisungen umgehend visuell an, wie der Fehler behoben werden kann.
Ein Experte in der Zentrale stellt eine Fehlermeldung beim Kunden fest. Er leitet den Techniker vor Ort mittels AR-Anweisungen umgehend visuell an, wie der Fehler behoben werden kann.
Foto: Re'flekt

Der Technologiekonzern ABB setzt zum Beispiel auf AR-Unterstützung in der ABB Remote Insights App, um die Fernwartung durch effiziente Zusammenarbeit zwischen Experten in der Zentrale und dem Techniker vor Ort beim Kunden zu beschleunigen. Dieser verfügt nicht unbedingt über das notwendige Fachwissen, kann aber mit Remote-AR unter direkter und visueller Anleitung des Experten im ABB Collaborative Operations Center den Fehler beheben. Dadurch werden die Ausfallzeiten von Maschinen minimiert.

Auf Augmented-Reality-gestützte Remote Assistance bei der Instandhaltung und Reparatur komplexer Maschinen setzt der Maschinenbauer ERIKS. Mit der Remote-App ERIKS Brain können sich Arbeiter mit nur einem Knopfdruck mit dem richtigen Experten verbinden. Der kann Hinweise und Tipps in ein Foto oder Video eines Bauteils einzeichnen. Diese visuelle Führung durch Augmented Reality beschleunigt dann die Problemklärung.

Ein Arbeiter schießt ein Foto einer fehlerhaften Maschine. Anschließend wird er mit nur einem Knopfdruck mit einem Experten verbunden, der ihm anhand des Bildes visuelle AR-Hilfen direkt auf der Maschine einzeichnet.
Ein Arbeiter schießt ein Foto einer fehlerhaften Maschine. Anschließend wird er mit nur einem Knopfdruck mit einem Experten verbunden, der ihm anhand des Bildes visuelle AR-Hilfen direkt auf der Maschine einzeichnet.
Foto: ERIKS

2. Schulungen und Trainings

Eine Augmented-Reality-geführte Ausbildung, beispielsweise für die Montage oder Reparatur einer Maschine, kann effektiver und zeitsparender sein als eine traditionelle Schulung, bei der ein Ausbilder vor Ort sein muss. Per Remote-AR kann der Ausbilder mehr Auszubildende gleichzeitig betreuen und die Wartezeiten der Azubis sind kürzer.

Augmented Reality - Vorteile gegenüber Skype & Co.

Wie die Beispiele zeigen, können Unternehmen mit Remote Assistance per AR auch während der Corona-Krise sicher und schnell technischen Support direkt vor Ort leisten. Die Lösungen bieten dabei Features, die weit über den Support mit traditioneller Videotelefonie hinausgehen. Dazu zählen etwa:

  • Incident-/Vorfalls-Management: Incidents funktionieren ähnlich wie Tickets in einem Ticketsystem. Jeder Incident steht für einen Zwischenfall, bei dem der Mitarbeiter oder Techniker Unterstützung eines Experten benötigt. Bevor ein neuer Incident eröffnet wird, können frühere Vorfälle in der Datenbank durchsucht und auf Lösungsansätze geprüft werden.

  • Bereiche/Realms: Unternehmen können verschiedene Bereiche anlegen, in denen Nutzer und Vorfälle nach bestimmten Kriterien, etwa Region oder Marke, voneinander getrennt werden.

  • Intelligentes Routing: Sind die Realms korrekt konfiguriert, wird bei Bedarf direkt die richtige Verbindung zum passenden Experten sowie den relevanten Informationen hergestellt.

  • Reporting: Integrierte Analyse-Tools zeigen dem Anwender Zwischenfalldaten und Nutzeranalysen.

Kollaboratives Arbeiten mit AR - in allen Industrien

Remote Assistance mit Augmented Reality eignet sich aber nicht nur aktuell zur Überbrückung der Corona-Krise, sondern kann auch die Basis für weitere Effizienzsteigerungen nach der Krise schaffen. Je mehr Unternehmensbereiche per Remote-AR in Echtzeit zusammenarbeiten, desto besser und effizienter lässt sich der tägliche Workflow organisieren und strukturieren.

Die Bandbreite möglicher Einsatzbereiche macht Remote Assistance mit Augmented Reality dabei besonders interessant: Wartungen, Reparaturen und Instandhaltungsprozesse sind in fast allen Unternehmen alltäglich. Bei der Montage vom Möbelstück bis zur Fertigungsmaschine lassen sich Fehlerquoten deutlich reduzieren. Der Aufbau von Geräten, Fahrzeugen und der Verlauf von Leitungen lässt sich mittels AR exakt anzeigen. Hinzu kommen Einsatzmöglichkeiten beim Anlagenbau, bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen, im Gesundheitswesen und generell in Trainings- und Ausbildungsszenarien.

Remote AR mit digitalen Anleitungen erweitern

Der nächste Schritt sind vollständig per AR visualisierte Anleitungen: Jederzeit aktualisierbare, digitale Anleitungen auf Basis der bisherigen technischen Dokumentation versetzen nahezu jeden Mitarbeiter in die Lage, AR-geführte Inspektionen oder Montagen selbst vorzunehmen. Fehler durch mangelhafte Beschreibungen, veraltete Bilder oder Checklisten, wie man sie von Papierhandbüchern kennt, gehören der Vergangenheit an.

Die Mitarbeiter werden dazu mit einer digitalen und AR-unterstützten Anleitung Schritt für Schritt visuell durch den jeweiligen Prozess geführt und sehen über Markierungen und Einblendungen auf dem Display des Smartphones, Tablets oder der Datenbrille exakt, was sie tun müssen. Neben AR-Markierungen sind auch Animationen und digitale Overlays über den realen Maschinen möglich. (mb)