"SOA-Strategien haben für SAP-Nutzer nicht die erste Priorität"

29.10.2007
Mit Alfons Wahlers, Vorsitzender der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe, sprach CW-Redakteur Frank Niemann über den Kauf von Business Objects, On-Demand-Lösungen und das Interesse der Anwender an SOA.

CW: Wie sehr hat Sie die Übernahme von Business Objects durch SAP überrascht?

WAHLERS: Sehr. Wie viele andere bin auch ich davon ausgegangen, SAP wolle in erster Linie mit dem neuen Mittelstandsprodukt SAP Business Bydesign wachsen. Nun betritt SAP neues Terrain mit Software für den Business User, das sind Tools, die bisher Fachbereiche gekauft haben. SAP war hier nicht so stark aufgestellt.

CW: Was passiert denn jetzt mit den Produkten rund um SAP BW?

Nach den Worten von Alfons Wahlers, Vorsitzender der DSAG, können Anwender die Gesamtkosten für Business ByDesign noch nicht sorgfältig genug abschätzen.
Nach den Worten von Alfons Wahlers, Vorsitzender der DSAG, können Anwender die Gesamtkosten für Business ByDesign noch nicht sorgfältig genug abschätzen.

WAHLERS: Das User Interface für SAP BW kann durch Business-Objects-Prodokte bedienerfreundlicher werden. Dies setzt aber eine technische Vereinheitlichung beider Welten voraus, ansonsten könnten die Kunden keinen unmittelbaren Vorteil aus der Akquisition ziehen.

CW: Könnte es sein, dass SAP ihr BW zugunsten der Business-Objects-Software fallen lässt?

WAHLERS: Auf keinen Fall, und das wäre auch so einfach nicht möglich. Es ist zu tief mit den ERP-Applikationen verwoben. Aber große Übernahmen bergen auch immer ein gewisses Risiko in sich.

CW: Welche Risiken zum Beispiel?

WAHLERS: Wenn SAP am Ende beispielsweise nur Marktanteile erwerben wollte und es keine technische Harmonisierung der Systeme geben würde. Dann hätten wir als Kunden nichts davon. SAP muss uns Anwendern, nachdem die Transaktion vollzogen ist, erklären, was uns die Akquisition bringt.

CW: Gerade hat SAP die On-Demand-Lösung Business ByDesign vorgestellt. Welche Rolle spielt das Produkt bei den Softwarenutzern?

WAHLERS: Software as a Service ist am Markt derzeit noch nicht umfassend angekommen, da man die eigenen Gesamtkosten für den Betrieb eines solchen Systems nicht sorgfältig genug abschätzen kann, um die Kosten objektiv zu vergleichen. Den Mietpreis für die Lösung muss der Käufer mit den Preisen für Softwarelizenzen und Wartung sowie den Betriebskosten der Applikation ins Verhältnis setzen. Von der On-Demand-Software selbst bin ich begeistert. Sie lässt sich einfach einrichten und ist nicht mit den alten Produkten vergleichbar. Module wie FI, CO und MM tauchen in SAP Business ByDesign nicht mehr auf. Bei dieser Lösung werden Prozesse wirklich vollständig konfiguriert.

CW: Wäre es denkbar, dass Nutzer von R/3 nicht auf SAP ERP, sondern auf Business Bydesign migrieren?

WAHLERS: Die Kunden, die SAP R/3 oder die Business Suite verwenden, müssten dafür schon einen großen Aufwand betreiben - zumal keine Werkzeuge dafür vorhanden sind. Hinzu kommt, dass On-Demand ein Paradigmenwechsel ist. Für Konzerne kann aber Business Bydesign interessant sein, um Auslandsgesellschaften mit ERP-Funktionen auszustatten und mit einer zentralen ERP-Umgebung zu verknüpfen.

CW: Diese Aufgabe sollte ja bisher SAP Busines One übernehmen. Ist das Produkt nun überflüssig?

WAHLERS: Das sehe ich nicht so. Business One ist gerade für kleine Firmen gedacht, die zum Beispiel weniger als 20 Nutzerlizenzen benötigen.

CW: Sie sagten vor einiger Zeit, dass erstaunlich wenige SAP-Anwender den Applikationsbetrieb einem Hoster übertragen, obwohl sie hier viel Geld sparen könnten. Hat sich daran etwas geändert?

WAHLERS: Nein. Die Anwender gehen meiner Meinung nach noch nicht kaufmännisch genug vor. Sie lassen sich beispielsweise oft nur ein Angebot kommen. Doch Firmen müssten Hosting-Projekte ausschreiben und mit den eigenen Kosten vergleichen. Es ist zwar aufwändig, mehrere Dienstleister anzusprechen, und möglicherweise bedarf es dazu eines Beraters. Durch eine Ausschreibung lassen sich aber die Outsourcing-Kosten signifikant verringern. Zumindest habe ich die Erfahrung gemacht.

CW: SAP bringt im nächsten Jahr eine neue Version von Netweaver heraus, die eine Geschäftsprozessmodellierung auf Grundlage einer Service-orientierten Architektur (SOA) erlauben soll. Sind denn die Softwarenutzer schon reif für SOA?

WAHLERS: Service-orientierte Architekturen (SOA) halten schrittweise Einzug in SAP-Anwenderunternehmen. Mit rund 13 Prozent befassen sich derzeit im Vergleich zum Vorjahr knapp doppelt so viele der befragten Unternehmen mit einem konkreten Aufbau. Allerdings sind die Kenntnisse über Enterprise SOA (ESOA) nach wie vor noch ausbaufähig. Wir wollen die Anwender auf unserem diesjährigen Kongress und auch im nächsten Jahr verstärkt über dieses Thema informieren.

CW: Ist das mangelnde Interesse nicht vor allem darin begründet, dass die Firmen zunächst damit beschäftigt sind, R/3 abzulösen?

WAHLERS: SOA ist dann ein Thema, wenn die Anwender das aktuelle ERP-Release verwenden. SAP-R/3-Kunden können zwar auf SAP Netweaver einen Service laufen lassen, doch mit Service-Orientierung hat das noch nichts zu tun. Zudem erfordert SOA eine auf mehrere Jahre angelegte Strategie. Auf Knopfdruck gibt es das nicht. Das Thema wird im Übrigen derzeit nicht mehr so heiß diskutiert. Unternehmen wollen zurzeit ihre bestehenden Produkte effizienter machen und weitere Geschäftsapplikationen einführen. Sie müssen jetzt Ergebnisse erzielen und geschäftsorientiert handeln.

CW: Welche Rolle spielt die Service-Orientierung in den Planungen der Firmen?

WAHLERS: Die SOA-Technologie kommt quasi automatisch über die neuen Produkte. Die Ausarbeitung einer SOA-Strategie hat aber für viele Firmen nicht erste Priorität. Allerdings setzen sich die Experten der IT- Abteilungen bereits vorbereitend mit den Methoden auseinander.

CW: SAP wächst in anderen Regionen der Welt viel stärker als in Deutschland. Besteht da nicht die Gefahr, dass hiesige Anwender nicht mehr so viel Gehör finden?

WAHLERS: Das Interesse liegt natürlich immer da, wo Märkte wachsen. Wir als Anwendervereinigung wollen uns internationalisieren, indem wir mit anderen User Groups ein Netzwerk einrichten, um uns bei wichtigen Themen abzustimmen.

CW: Sie hoffen darauf, gemeinsam mehr Gewicht bei der SAP zu haben?

WAHLERS: Ziel des Usergroup Executive Network ist, konsolidiertes internationales Kunden-Feedback an SAP zu geben. Die Plattform dient zum einen dem Austausch der Anwendergruppen untereinander. Zum anderen wird durch die Vernetzung ein einheitlicher Kommunikationskanal für SAP geschaffen, um Informationen hinsichtlich globaler Themen zeitgleich zu verbreiten. Eine aktiv gelebte globale Vernetzung ermöglicht uns, Veränderungen am Markt weltweit zu betrachten und zu diskutieren sowie Best Practices zu einzelnen Themen auszutauschen.

CW: Was sind die wichtigen Themen für nächstes Jahr?

WAHLERS: Neben dem Umstieg auf ERP 6.0 ist es Know-how-Aufbau im Bereich Enterprise SOA. Ich meine aber nicht die Technik, sondern Methodenkompetenz. Dazu zählen Ansätze, wie man eine Enterprise-SOA-Strategie aufbaut sowie Business-Process-Management und SOA-Governance aufsetzt. Hier hat SAP bisher noch nicht viel unternommen. Wenn Firmen auf ERP 6.0 migriert haben, laufen diese Systeme möglicherweise bis 2015, bevor der nächste Release-Wechsel ansteht. In der Zeit kann man sich viele Gedanken über Themen wie Systemkonsolidierung und SOA machen, die bisher links liegen gelassen wurden.

CW: Sie fordern also von der SAP, mehr in Sachen SOA-Methoden zu unternehmen?

WAHLERS: Ja, und das hat der Anbieter auch verstanden. Unklar ist, ob SAP hier selbst Kompetenz aufbaut oder dies den Unternehmensberatungen überlässt.