COMPUTERWOCHE SOA Initiative 2008

SOA im Reality Check

13.02.2008
Auf der Fachkonferenz SOA Initiative 2008 stand die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Sachen Service-orientierte Architektur im Mittelpunkt.

Zum Auftakt der Veranstaltung in Frankfurt am Main warnte Robert Winter von der Universität St. Gallen vor übertriebenen Erwartungen an das Konzept der Service-orientierten Architektur (SOA). Nach dem Willen einiger Protagonisten solle plötzlich alles Service-orientiert umgestaltet werden: Von den ERP-Systemen über Enterprise Application Integration (EAI) und Portalen bis hin zu Datenbanken und Data Warehouses. Frei nach dem Motto "My cat ist service oriented" dehnten nicht wenige das SOA-Paradigma auf fast alle Bereiche einer Organisation aus: Geschäftsmodelle, Prozesse, Integration, Software und Infrastruktur.

Das Problem dabei: Die SOA-Befürworter wollten zu viele Ziele auf einmal erreichen. "Wen erinnert das nicht an den Hype um die Objektorientierung in den frühen 90er Jahren?", kommentierte Winter die anhaltende SOA-Euphorie und stellte die ketzerische Frage: "Wird Service-Orientierung auch als Entwicklungsparadigma für einige Nischen enden?" Auf den Hype folge typischerweise eine Desillusionierung, erläuterte er unter Verweis auf den berüchtigten Gartner-Hype Cycle, in dem die Analysten das "Trough of Disillusionment" als unausweichliches Entwicklungsstadium neuer Techniken beschreiben.

My cat is service oriented: Robert Winter von der Universität St. Gallen nahm den SOA-Hype kritisch unter die Lupe.
My cat is service oriented: Robert Winter von der Universität St. Gallen nahm den SOA-Hype kritisch unter die Lupe.

Damit es nicht so weit kommt, sollten sich Unternehmen einige oft übersehene Fragen im SOA-Kontext stellen, beispielsweise: "Funktioniert Service-Orientierung für Geschäftsmodelle, Prozesse, Integration, Software und Infrastruktur gleich? Sind die Gestaltungsziele auf diesen Ebenen identisch?" In beiden Fällen sei die Antwort ein klares Nein, so Winter. Zudem seien sich die Beteiligten meistens nicht darüber im Klaren, was ein Service ist und was Service-Orientierung konkret bedeute. Ein SOA-Ansatz ergebe längst nicht für alle Strukturen auf den jeweiligen Ebenen Sinn. Erschwerend hinzu komme, dass sich bewährte Entwurfs- und Governance-Konzepte nur bedingt auf die SOA-Welt übertragen ließen.

Vor diesem Hintergrund riet Winter zu einer differenzierteren Betrachtung des Themas. Er sieht mindestens drei Arten der Service-Orientierung: Die Service-orientierte Softwarearchitektur (SOSA), die Service-orientierte Integrationsarchitektur (SOIA) und die Service-orientierte Prozessarchitektur (SOPA). Wie die unterschiedlichen Ausprägungen zusammenspielen, erläuterte er am Beispiel des Business Engineering-Framework der Universität St. Gallen (siehe dazu: SOA braucht eine klare Definition).

Anhand des Modells veranschaulichte er auch das klassische Alignment-Problem, das SOA-Vorhaben in der Praxis behindere. Nach seiner Einschätzung liegen die Ursachen in den unterschiedlichen Lebenszyklen von fachlichen und technischen Architekturen. Auf der Software- und Infrastrukturebene blieben Systeme in der Regel sechs bis zehn Jahre stabil. Organisatorische Veränderungen hingegen vollzögen sich oft innerhalb von drei bis sechs Monaten. Auf der Strategieebene eines Unternehmens schließlich liege der Planungshorizont typischerweise zwischen einem und zwei Jahren. Die unterschiedliche Dynamik auf diesen Ebenen führe immer wieder zu Abstimmungsproblemen (siehe auch: SOA – wie sag ich´s meinem Chef?).

Welche Rolle solche Aspekte in der Praxis spielen, beschrieb Andreas Dietzsch, Leiter Enterprise Architecture, bei der Post Finance. Der Finanzdienstleister der Schweizer Post bewegt sich seit dem Jahr 2003 über das Thema EAI in Richtung SOA. Augrund dieser Historie scheinen Alignment-Probleme programmiert: "Die SOA wird aus der IT-Sicht betrieben", berichtete Dietzsch. Darauf deutet schon die relativ hohe Anzahl der bereits aktiven Services hin. Die Post Finance nutzt derzeit zwischen 1000 und 2000 Softwareservices. Dabei handelt es sich zu einem großen Teil um feingranulare technische Dienste. Auch Dietzsch berichtete von hochgesteckten Erwartungen an die SOA, beispielsweise hinsichtlich Wiederverwendung, Flexibilität und Standardisierung. Die Erfahrung habe gezeigt, dass höchstens zehn Prozent der Services mehrfach verwendet werden.

Zu den Herausforderungen der SOA-Verantwortlichen gehöre es, ein übergreifendes Verständnis für den Begriff Service zu etablieren. Doch einschlägige Definitionen von IT-Experten der Post Finance seien beispielsweise den Fachverantwortlichen nicht zuzumuten. Mit der Service-orientierten Architektur veränderten sich zudem auch die Anforderungen an die Enterprise Architekten. Sie müssten viel stärker als bisher in eine Vermittlerrolle zwischen den diversen Beteiligten hineinwachsen. Von dem oft geforderten Service-Architekten, bei dem alle SOA-Fäden zusammenlaufen, hält Dietzsch dagegen wenig: "In der Praxis gibt es solche Experten kaum." (wh)

Mehr zum Thema Service-orientierte Architekturen im SOA-Expertenrat der COMPUTERWOCHE.