Brücken bauen

So verstehen Sie indische IT-Experten

11.06.2008
Von Michael Müssig und Terri Michos

Der "Cultural Broker" als Vermittler zwischen den Kulturen

Die Risiken und die Auswirkungen von Fehlern lassen sich deutlich reduzieren, wenn man ein klares Verständnis für die Komplexität der interkulturellen Zusammenarbeit entwickelt. Man muss somit fünf Schichten des Sechs-Ebenen-Kultur-Modells durchlaufen und beherrschen, bevor der Cultural Broker mit seiner Arbeit einen Mehrwert für Projekte und Prozesse in der sechsten Schicht generiert. Leider wird heutzutage der Schwerpunkt lediglich auf die zwei unteren beiden Ebenen - nämlich sprachliches und inhaltliches Verständnis in der Kommunikation - gelegt. Hier müssen Manager und Personaler umdenken.

Das Sechs-Stufen-Kulturmodell
Das Sechs-Stufen-Kulturmodell

Die Globalisierung verlangt nach Cultural Brokern, denn sie vereinfacht die interkulturelle Kommunikation nicht, sondern rückt sie in den Mittelpunkt. Da sich die Technik in sehr kurzen Zyklen weiterentwickelt und sich daraus kurzfristig Kooperationsmöglichkeiten ergeben, fehlt den Mitarbeitern häufig die Zeit, sich die notwendige Kompetenz für eine erfolgreiche und langfristige Kooperation anzueignen. Folgende zwei Beispiele belegen, dass für alle Beteiligten großer Nutzen durch eine interkulturelle Sensibilisierung erzielbar ist:

Am deutlichsten zeigt dies die Geschäftsprozessverlagerung von den USA und Großbritannien nach Indien seit Mitte der 1990er Jahre. Ursprünglich sollte sie nur Kosten einsparen. Die zugrunde liegenden kulturellen Werte würden darauf hindeuten, dass in den USA das Geld regiert, während in Indien "der Kunde König ist". Das Ergebnis waren zehnprozentige Wachstumsraten im indischen Dienstleistungsbereich in den letzten 15 Jahren. Unbestreitbar ist dies ein Kostenvorteil für die betroffenen Unternehmen und ein Wettbewerbsvorteil für beide Nationen.

Das zweite Beispiel bezieht sich auf die Bedeutung von Zeit. Das deutsche Verhältnis zu Zeit hat einen starken monetären Bezug, denn "Zeit ist Geld". In Hindi existiert jedoch kein Wort für "Pünktlichkeit". Wie kann nun ein Cultural Broker diesen Unterschied zum Vorteil beider Kooperationspartner unter einen Hut bringen? Auf der einen Seite muss er dem deutschen Geschäftspartner die indische Einstellung, dass Beziehungen wichtiger sind als Zeit und eben Zeit nicht mit Geld gleichgesetzt werden darf, verdeutlichen. Andererseits zeigt er dem indischen Partner auf, dass dieser bei Nichteinhaltung von Zeitplänen keine langfristige Beziehung aufbauen kann. Weiterhin ist die indische Fähigkeit, ein Beziehungsgeflecht auszubauen, ein großer Vorteil für jegliche Zusammenarbeit.

Deshalb müssen IT-Verantwortliche dafür sorgen, dass Mitarbeiter des Kooperationsprojekts über die reine interkulturelle Kompetenz hinaus wichtige Fragen aus dem Arbeitsfeld des Cultural Broker länder- und regionenspezifisch beantwortet werden können.

Was der Berater wissen muss

  • Verstehen wir das Wertesystem, das den Entscheidungen der Kooperationspartner zugrunde liegt?

  • Haben wir genügend Zeit eingeplant, um langfristige Beziehungen zu unseren Partnern aufzubauen?

  • Verstehen wir ihr kulturelles Hierarchieverständnis und die damit verbundenen Rollen?

  • Sind Kommunikationsrollen und -regeln der anderen Kultur klar verstanden worden?

  • Können Ihnen Ihre Gesprächspartner die Wahrheit sagen? Oder fürchten sie, dann das Gesicht zu verlieren?

  • Verstehen Sie, was für Ihre Partner einer Vereinbarung oder Abmachung bedeutet?

  • Welchen Führungsstil akzeptiert der Kooperationspartner? Können in seiner Kultur nur Personen der identischen Hierarchiestufe miteinander kommunizieren?

  • Arbeiten wir alle wirklich am gleichen Ziel?

Dazu ist es sinnvoll, einen binational kompetenten Spezialisten zu Rate zu ziehen.

Über die Autoren:
Prof. Dr. Michael Müßig lehrt Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt.Terri Michos ist Lehrbeauftragte für interkulturelle Kommunikation und technisches Englisch an der Hochschule Würzburg-Schweinfurt.

Interkulturelles Quiz

Wer sein interkulturelles Wissen etwa zu den USA testen möchte, dem empfehlen wir unser Quiz "Knigge international: Sind Sie fit für die USA?"