Bosch ConnectedWorld 2018

So verändert IoT die Mobilität

22.02.2018
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Die Digitalisierung der Mobilität war das zentrale Thema der IoT-Konferenz Bosch ConnectedWorld 2018. Zwei Tage lang diskutierten Experten darüber wie IoT und AI in Zukunft die Mobility prägen und welche neuen Business-Modelle sich eröffnen.
Bereits zum fünften Mal fand die IoT-Konferenz von Bosch in der Berliner Station statt.
Bereits zum fünften Mal fand die IoT-Konferenz von Bosch in der Berliner Station statt.
Foto: Jürgen Hill

Einen festen Platz im internationalen Reigen der IoT-Konferenzen hat sich mittlerweile die Bosch ConnectedWorld 2018 (BCW) erobert. Zwar kann die Veranstaltung, die bereits zum fünften Mal in Berlin stattfand, nicht mit den Besucherzahlen großer US-Hausmessen aufwarten, doch für europäische Verhältnisse sind über 4.000 Besucher und über 70 Aussteller durchaus eine Hausnummer, zumal es sich bei den Teilnehmern laut Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH, um die Vordenker und Umsetzer in Sachen IoT handelt.

Das die BCW sich mittlerweile einen internationalen Ruf erkämpft hat, und die "Avantgarde der Digitalisierung", wie Denner formuliert, dürfte auch der Tatsache geschuldet sein, dass sich die Bosch-Gruppe mit über 250 durchgeführten IoT-Projekten und derzeit rund 170 eigenen IoT-Projekten ein Standing im Markt erarbeitet hat.

Boschs IoT-Reise

Erfahrungen die sich das Unternehmen unter anderem dadurch erarbeitete, dass es konsequent die eigene digitale Transformation verfolgte - oder wie es Denner formuliert, "seine IoT/digital journey" stringent plante. Eine Reise, die Denner zufolge vor zehn Jahren im ersten Schritt mit dem "Enabling" begann. Ab 2013 folgte dann der zweite Reiseabschnitt, der in etwa mit der Vorstellung der Bosch IoT Suite begann und bis heute andauert wie die Eröffnung des Bosch Center for AI im Jahr 2017 zeigt. In dieser Phase, Denner nennt sie "Digitize your company" lernte Bosch eine wichtige Lektion: "Business im IoT-Umfeld funktioniert nur mit Partnern.

Rund 4000 Besucher diskutierten auf der IoT-Konferenz Bosch ConnectedWorld über die Mobilität der Zukunft.
Rund 4000 Besucher diskutierten auf der IoT-Konferenz Bosch ConnectedWorld über die Mobilität der Zukunft.
Foto: Jürgen Hill

Den dritten Teil der Digitalisierungsreise betitelt der Bosch-Chef als "new cross-domain ecosystem". Ein Paradebeispiel hierfür sieht Bosch in der Vernetzung des Elektrofahrzeugs mit dem Smart Home oder anderen Systemen, wie es das Unternehmen künftig mit "system!e" realisieren will. Mit Blick auf das cross-domain ecosystem wurde das Bosch-Management nicht müde zu betonen, dass die Company "Hardware und Software könne". "Und wir produzieren auch künftig Hardware", unterstrich Denner.

Vernetztes Fahren als Wachstumsfeld

Stand die BCW im letzten Jahr unter dem Motto Industrie 4.0, wählte Denner für 2018 vor dem Hintergrund der Dieselrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein ebenso brisantes wie politisches Thema: Die Zukunft der Mobilität und wie sie durch IoT (Bosch Automotive Cloud Suite) und AI sowie Connectivity effizienter gestaltet werden kann.

Doch Bosch wäre ein schlechter Player im Digitalisierungsumfeld, wenn es neue Ideen nicht gleichzeitig zur digitalen Transformation des eigenen Business nutzen würde. Basierend auf Denners Credo, dass "das vernetzte Fahren ein Wachstumsfeld wird", verkündete das Unternehmen während der BCW die Gründung des neuen Geschäftsbereichs "Connected Mobility Services" an.

Verkehrsprobleme mit Connectivity lösen

In dem neuen Geschäftsbereich sollen mehr als 600 Mitarbeiter digitale Mobilitätsdienstleistungen entwickeln und vertreiben. Dazu gehören Sharing-Angebote, Mitfahrservices und auf Vernetzung basierende Service-Angebote für Autofahrer. "Vernetzung wird die Art, wie wir uns fortbewegen, grundlegend verändern und dabei helfen, die Verkehrsprobleme von heute zu lösen.

Mit ihr wird unsere Vision einer emissionsfreien, stressfreien und unfallfreien Mobilität Realität", lobte Denner das Potenzial einer vernetzten Mobilität mit Unterstützung von IoT und KI. Im Umfeld des vernetzten Fahrens strebt Bosch nach den Worten Denners "ein deutlich zweistelliges Wachstum" an.

Autonome Fahrzeuge lernen in einer Demo Verkehrszeichen und Ampeln.
Autonome Fahrzeuge lernen in einer Demo Verkehrszeichen und Ampeln.
Foto: Jürgen Hill

Bosch kauft Carsharing-Plattform

Ein Wachstum, den die Gruppe mit zusätzlichen neuen Services erreichen will. Hierzu hat Bosch etwa das US-Start-up Splitting Fares Inc. (SPLT) übernommen. Unterstützt von Cloud und KI hat das US-Start-up eine Plattform entwickelt, mit der Unternehmen, Universitäten oder Stadtverwaltungen Fahrgemeinschaften für ihre Mitarbeiter organisieren können. Mit dem B2B-Ansatz werden somit gezielt Pendler erreicht.

Konkret bringt SPLT via App Menschen zusammen, die den Weg zum gleichen Arbeits- oder Studienort gemeinsam zurücklegen wollen. Ein Vorteil dabei: Die Fahrgemeinschaft wird von Kollegen gebildet. Mitfahrer müssen somit nicht zu völlig Fremden ins Auto steigen. Binnen Sekunden findet ein Algorithmus die passende Fahrgemeinschaft, berechnet den schnellsten Weg durch den Verkehr und übernimmt die früher aufwändige Koordination von Abfahrtsort, Abfahrtszeit, bester Strecke und Mitfahrern, so heißt es zumindest bei Bosch.

System!e für E-Autos

Premiere feierte auf der Veranstaltung der neue Service "system!e". Er soll Käufern von Elektroautos die Angst nehmen, unterwegs wegen Strommangels liegen zu bleiben. Dazu setzen die Schwaben auf eine Vernetzung des Elektroantriebs mit der Cloud, um so eine "Erweiterte Reichweitenprognose" zu realisieren. Ein Algorithmus berücksichtigt hierzu Fahrzeugdaten wie aktuellen Batterieladestand, Energieverbrauch für Heizung oder Klimaanlage sowie Fahrstil des Fahrers und Informationen aus der Umgebung. Dazu zählen topografische Daten der vorausliegenden Strecke und die aktuelle Verkehrssituation.

Auf Basis dieser Informationen berechnet der Service die Reichweite. Für lange Strecken wird die erweiterte Reichweitenprognose um den "Lade-Assistenten" ergänzt. Er soll etwa alle Ladestationen für eine Fahrt von München nach Hamburg kennen und erforderliche Ladestopps vorausschauend einplanen. Noch Zukunftsmusik ist die Möglichkeit, sich die entsprechende Säule vorausschauend für einen fixen Ladezeitraum zu reservieren. In diesem Zusammenhang appellierte Denner an die Hersteller und Betreiber von Ladesäulen, sich endlich auf einheitliche Standards zu einigen und eine vernetzte Elektromobilität nicht unnötig zu erschweren.

Künftig parkt der Computer

Probleme, die ein anderer prominenter Keynote-Sprecher der BCW nicht hatte. Daimler-Chef Dieter Zetsche stellte seinen Mercedes einfach vor dem Veranstaltungsgebäude ab und ließ ihn automatisch einparken - neudeutsch nennen Bosch und Mercedes den Service Automated Valet Parking (AVP). Beim fahrerlosen Parken stellt der Fahrer sein Auto im Eingangsbereich eines Parkhauses ab und das Fahrzeug sucht sich selbst einen Platz und parkt automatisch ein. Das ist nicht nur bequem, sondern auch wirtschaftlich. "Dadurch, dass die Maschine enger parken kann als der Mensch, lassen sich auf gleicher Fläche 20 Prozent mehr Fahrzeuge unterbringen", schätzt Bosch-Chef Denner.

Daimler-Chef Zetsche, einer der Keynote-Redner erklärt das automatische Velvet Parking.
Daimler-Chef Zetsche, einer der Keynote-Redner erklärt das automatische Velvet Parking.
Foto: Jürgen Hill

Gemeinsam mit Zetsche zeichnete er ein Bild der von IoT und AI geprägten Mobility-Zukunft. So sind beide Manager von der Zukunft des autonomen und vernetzten Fahrens überzeugt. So glaubt Zetsche nicht nur, dass wir in zehn Jahren größtenteils autonom fahren, sondern auch lokal emissionsfrei. Und Bosch will einen Truck entwickeln, der von Brennstoffzellen angetrieben wird, denn für die Schwaben, die laut Denner der größte Anbieter von E-Antrieben für Fahrräder sind, hat die Elektromobilität nur einen "eng begrenzten usecase".

Robo-Taxis kommen im nächsten Jahrzehnt

Und weil in dieser vernetzten Mobilitätswelt kein Unternehmen alleine alle Herausforderungen bewältigen kann, will Zetsche auch künftig mit Bosch kooperieren. Bereits in den Anfangsjahren des nächsten Jahrzehnts wollen die beiden Unternehmen gemeinsam serienreife, automatisch selbstfahrende Robo-Taxis auf den Markt bringen.

Wie steinig der Weg dorthin ist, konnte Zetsche letztes Jahr mit der Intelligent World Drive feststellen, als er eine S-Klasse zum Daten sammeln über fünf Kontinente aussandte. Mit Blick auf die US-amerikanische Konkurrenz, die immer wieder ihre tausende von Kilometern an autonomen Fahrten durch Wüstengebiete feiert, lästerte Zetsche, "es kommt nicht darauf an, wie viele Kilometer sie fahren, sondern dass sie die richtigen Kilometer fahren."

Lebenslanges Lernen für autonome Autos

Denn Zetsche zufolge muss das autonome Fahrzeug der Zukunft auch die kulturellen Unterschiede der einzelnen Fahrkulturen erlernen und "hier sind die Deep-Learning-Mechanismen der AI besonders gefordert und auch für das Auto gilt künftig lebenslanges Lernen." Den Kulturunterschied verdeutlicht Zetsche an zwei Beispielen.

Auf fünf Kontinenten sammelte Mercedes im Rahmen des Intelligent World Drive Terabytes an Daten für das Deep Learning der KI zum autonomen Fahren.
Auf fünf Kontinenten sammelte Mercedes im Rahmen des Intelligent World Drive Terabytes an Daten für das Deep Learning der KI zum autonomen Fahren.
Foto: Jürgen Hill

Die Bedeutung eines Zebrastreifens und die Haltepflicht bei Fußgängern ist hierzulande jedem bekannt - auch dass in manchen anderen EU-Ländern keine Haltepflicht gilt. Ganz anders in China, hier zeigen die Streifen auf der Fahrbahn einen Mindestabstand an. Unterschiede die ein autonomes Fahrzeug erst per Deep Learning lernen muss. Oder woher weiß das autonome Auto wie weit es vor einer Ampel anhalten muss, wenn in manchen Ländern die Signalanlagen vor der Kreuzung, in anderen dagegen hinter der Kreuzung installiert sind. Auf diese Weise kommen schnell Terabytes an Daten zusammen, die per Deep Learning bewältigt werden müssen.

Post will bis 2050 CO2-frei sein

Herausforderungen die Frank Appel (CEO Deutsche Post DHL) nur bedingt beeindrucken. Er wäre schon zufrieden, wenn seine Lieferfahrzeuge seinen Paketboten mit fünf bis sechs Stundenkilometern autonom folgen könnten, "denn die Logistikbranche befindet sich in der digitalen Transformation und jeder Effizienzgewinn ist erwünscht." So will Appel alleine durch den Einsatz von Augumented Reality die Produktivität um 15 Prozent steigern.

Ein anderes Projekt ist ein Postbot, der den Briefträgern autonom und elektrisch, damit emissionsfrei, folgt. Bis 2050 will Appel den Konzern zu einem CO2-freien Logistiker umbauen. "Wer uns zuerst emissionsfreie Flugzeuge und LKWs zu einem vernünftigen Preis liefern kann, macht das Geschäft," forderte der DHL-Chef die Anwesenden heraus mit Blick auf die Tatsache, dass damals niemand dem Konzern 50.000 Street Scooter bauen wollte.

DHL-Chef Appel will mit Augumented Reality die Produktivität um 15 Prozent steigern.
DHL-Chef Appel will mit Augumented Reality die Produktivität um 15 Prozent steigern.
Foto: Jürgen Hill

Ein weiteres Projekt zur Effizienzsteigerung ist die neue Digital Freight Platform, "auch wenn wir damit ein Teil unseres Kerngeschäfts kannibalisieren." Dies dürfe aber niemanden davon abhalten, auch solche Ideen umzusetzen. "Denn wenn Sie diese Idee hatten, dann wird sie auch jemand anderes haben", warnte Appel, "und er macht es vielleicht noch besser und verdrängt sie dann komplett aus dem Business."