Lieber langsam als vorschnell entscheiden
Ähnliche Erfahrungen wie im obigen Beispiel sammelt man als Berater in Changeprojekten, die auf eine Kulturveränderung abzielen, oft. In ihnen stellt man immer wieder fest: In Aktionismus zu verfallen, bringt, wenn man einen Handlungs- oder Changebedarf erkannt hat, wenig. Denn dann werden zumeist in einer Art Reiz-Reaktions-Schema nur die gewohnten Aktionsmuster wiederholt, was oft eher zu einem Verfestigen der bestehenden Kultur als zu deren allmählicher Veränderung führt. Anders ist dies, wenn die Verantwortlichen sich nach ihrer Entscheidung "Wir müssen etwas tun" zunächst ausreichend Zeit lassen, um zu reflektieren:
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Welche Ziele wollen wir eigentlich im Detail erreichen?
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Was haben wir in der Vergangenheit bereits getan, um dieses Ziel (oder ein vergleichbares) zu erreichen? Und:
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Was hat sich warum bewährt beziehungsweise nicht?
Dann gelangen die Verantwortlichen zu ganz anderen, neuen Interventionen, und es gelingt ihnen, eher Projektarchitekturen zu schmieden, mit denen die gesteckten Ziele erreicht werden. Deshalb der Tipp:
Verlangsamen Sie gerade in der Zeit, wenn es um die Entscheidung geht "Was tun wir, um ..." gezielt den Prozess der Entscheidung. Nehmen Sie zwischen den beiden Entscheidungspunkten "Wir tun etwas" und "Was tun wir" viel Zeit zur Reflektion. Dann gelangen Sie zu Projektarchitekturen, mit denen Sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Ihr Ziel erreichen. (oe)
- So kommen Sie groß raus ... oder?
Sie möchten, dass Ihre Projekte zäh verlaufen, weil Sie sich damit in der Firma profilieren können? Dann folgen Sie den Ratschlägen von Jürgen Rohr. - Tipp 1
Setzen Sie die Verantwortlichen unter Termindruck. Mit engen Terminen stellen Sie sicher, dass möglichst wenige Betroffene ins Boot geholt werden. Damit vermeiden Sie die sowieso unnötigen Diskussionen um Meinungs- sowie Wahrnehmungsunterschiede. - Tipp 2
Starten Sie mit einer problem-orientierten Ist-Analyse. Fragen Sie immer zuerst danach, was nicht gut läuft. Damit fokussieren Sie die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf die Schwächen der Organisation. Sie stellen sicher, dass niemand auf die Idee kommt, sich auf den Erfolgen der Vergangenheit auszuruhen. - Tipp 3
Geben Sie möglichst kein zusammenfassendes Feedback. Halten Sie die Betroffenen im Unklaren. Das fördert zwar die Gerüchteküche, hält aber den Änderungsaufwand für die Konzeptionierer gering. Sie erhalten schon mit dem ersten Wurf ein Konzept aus einem Guss - ohne lästige und zeitaufwändige Anpassung an unterschiedliche Wahrnehmungen der Beteiligten. - Tipp 4
Lassen Sie das Konzept ohne Beteiligung der Betroffenen ausarbeiten. Hier können Sie Aufwand und Budget einsparen. Jeder Betroffene wird mit seinen individuellen Ansichten sowieso nur das Konzept verwässern. Außerdem: Wenn ein Außenstehender den Sollzustand konzipiert, kommt endlich frischer Wind in die Organisation. - Tipp 5
Vermitteln Sie das Konzept frontal mit mindestens 100 PowerPoint Slides. Hier gilt: Je mehr Input, desto weniger lästige Rückfragen. Halten Sie das Präsentationstempo hoch. Planen Sie ja keine Zeit für die Diskussion ein. Das Konzept steht. Basta! - Tipp 6
Planen Sie keine Zeit für die Überarbeitung des Konzepts ein. Das wäre ja noch schöner: Sie planen knapp bei Budget und Terminen und wollen sich den Erfolg nicht durch unplanbare Überarbeitungsaufwände vermiesen lassen. Denn jede Überarbeitungsschleife würde den schönen Entwurf zerstören. - Tipp 7
Schränken Sie die Zugriffsrechte auf neue Tools möglichst stark ein. Ganz wichtig: Wenn Sie im Rahmen der Organisationsentwicklung neue Werkzeuge (zum Beispiel ein IT-System) einführen, achten Sie darauf, dass niemand außer den Konzeptionierern in der Lage ist, die Werkzeuge anzupassen. - Tipp 8
Lassen Sie die Betroffenen beim Umsetzen des Konzepts alleine. In diesem Punkt gilt das Motto: Die Leute werden sich schon umgewöhnen. Durch die Unterstützung während der Umsetzungsphase könnte wiederum das sorgfältig ausgearbeitete Konzept verwässert werden. Das ist unbedingt zu vermeiden. - Tipp 9
Vermeiden Sie persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten. Stellen Sie sich vor, was Sie hier an Reisekosten einsparen können. Diskussionen können auch per E-Mail geführt werden. Das spart richtig Geld. - Tipp 10
Betrachten Sie jegliches Feedback als persönliche Kritik. Wenn jemand mit einem Feedback zu Ihnen kommt, will er damit eigentlich sagen, dass Sie Ihre Arbeit nicht richtig gemacht haben. Das wirkt sich schlecht auf Ihr Selbstwertgefühl aus.
Kontakt:
Der Autor Johann Scholten ist einer der drei Geschäftsführer der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden, die Unternehmen bei Veränderungsprozessen begleitet und deren Mitarbeiter trainiert und Organisationsberater ausbildet. Tel.: 0611 15766-0, E-Mail: jscholten@wsfb.de, Internet: www.wsfb.de