Mit dünneren Bändern und Servotechnik auf dem Weg zu sechs GB

So treten die Hersteller von QIC-Streamern gegen DAT an

06.09.1991

Was QIC-Puscher und Technologie-Entwickler 3M als Migrationspfad darstellt, ist die eine Sache. Wie die Drive-Hersteller den Pfad beschreiten, die andere. Im Kampf gegen und mit DAT ist Eile und gewitzte Taktik geboten. Gernot Schärmeli* beleuchtet den morgigen Markt.

Der Cartridge-Hersteller 3M hat die Initiative ergriffen und die Grundlagen geschaffen, um der QIC-Arena eine neue Perspektive zu geben, deren Zukunft mit Drives von derzeit nur 525 MB in einer Sackgasse zu stecken schien. Basis ist ein neues Tape-Material mit einer Dicke von 900 Oerstedt. In Cartridges unter dem Namen "Magnus" konfektioniert, stößt es die Türe weit auf für Kapazitäten bis zu 6 und mehr GB.

Das Band allerdings - es schluckt statt der bisherigen 20 Kilo Flux Transitions per Zoll (KFTPI) über 50 KFTPI - bringt den Erfolg nicht allein. Entlang der Strecke bis 6+ GB sind zwei neue Drive-Generationen im Spiel. Im Rahmen ihres Technologieprogramms investierte 3M viel Geld in die Entwicklung eines Prototypen-Laufwerks mit hochintegrierten Chips, das gemäß Standard QIC-1350 1,35 GB speichert, sowie in die Labor-Forschung für eine 6 + -GB-Technologie, deren sämtliche Komponenten im Zusammenspiel erfolgreich getestet seien.

Die schnelle Umsetzung selbst der ersten neuen Generationen bereitet dem einen oder anderen Drive-Hersteller mittlerweile erhebliche Kopfschmerzen. Involviert ist ungewohnte Technologie - als bereitwilliger Lizenznehmer des von 3M angebotenen Know-hows mochte man sich aus wirtschaftlichen oder Image-Gründen nicht unbedingt sehen - oder es wurden schlicht andere Vorstellungen vom neuen Bandmaterial gehegt.

Höhere Kapazität erfordert neues Verfahren

Immerhin heißt es bei Drives gemäß QIC-1350, nicht nur mit schnellerer Elektronik Daten hurtiger zu schreiben und von bisher 26 Spuren auf 30 zu erhöhen. Fällig ist der Wechsel im Aufzeichnungs-Verfahren vom gutmütigen GCR nach RLL-1.7 was aus den Kilo Fluxes mehr Bits per Zoll macht, zugleich aber die Herausforderung an eine viel feinfühligere Tape-Steuerung stellt: Mehr als zuvor müssen Schwankungen um die Tape-Speed von 120 Zoll pro Sekunde (ips) unterdrückt werden. Beim Sprung in die 6 + -GB-Ära ist schließlich der ganz große Technologiewechsel angesagt. Es gilt, die Zahl der Spuren von 30 auf 96 Datenspuren plus 16 Servospuren zu erhöhen - was die Einführung einer neuen Kopf-Technologie sowie der Servotechnik bedingt. Und, so sieht es der soeben verabschiedete Standard QIC-6000 vor: Schreiben und Lesen wird auf zwei Spuren (Kanälen) gleichzeitig möglich sein - zu realisieren ist Parallel-Management als Novum in der gesamten Streamer-Szene.

Angesichts solcher Herausforderungen wurde manchem deutlich: Die Zeit brennt unter den Nägeln. Archives DAT-Python mit 2 GB ist bereits seit Jahresbeginn am Markt, und in diesen Wochen kommt noch HPs 2-GB-Neuling 80A hinzu, der Data-Compression beherrscht und mit dem nun üblichem Kompressionsfaktor von 2:1 sogar mit 4 GB lockt. Das oberste Gebot heißt Time-to-Market - sofern man davon Oberhaupt noch sprechen kann, angesagt ist Taktik und die Konzentration auf das individuell Wichtigste. So umgehen Tandberg, Wangtek und Sankyo erst einmal die 1,35-GB-Technologie und bringen ein 1-GB-Drive um das "Kapazitätsloch" wenigstens mit einem "Giga vor dem Byte" schnell füllen zu können. Tandberg schreibt sich auch zugute, daß es zum Standard QIC-1000 kam. Der Dreh: Man setzt primär auf die höheren KFTPI des Magnus-Tapes und bohrt das bisherige 525-MB-Drive etwas auf. Im Spiel sind zwar ein paar mehr Tracks (30), aber das Aufzeichnungsverfahren bleibt das alte, womit das Problem der Bandsteuerung erheblich entschärft ist - zumal das Tape auch noch mit deutlich geringerer Speed als den 120 ips gefahren wird.

Bemüht wird hier überdies das Argument, daß die nach QIC-1350 (51 KBpi) auf 600 KB/s hochgepuschte Transferrate derzeit kaum von Nutzen sei. Noch könne der Host in den meisten Umgebungen nicht genügend schnell als Datenquelle mitspielen - mit der unschönen Folge des "Underruns": Läuft der Puffer leer, muß entweder das Streaming ständig unterbrochen werden, eine ebenso zeitraubende wie verschleißfördernde Angelegenheit, oder mit der Aufzeichnung von Dummydata weitergestreamt werden, was netto auf Kosten der Kapazität geht. "Für illustre Performance-Zahlen wie 600 KB/s oder gar den mit QIC-6000 avisierten bis zu 1540 KB/s sehen wir derzeit keinen Markt", meint jedenfalls Frank Roszyk, Leiter Produkt-Marketing bei Tandberg. "Da warten wir erst einmal gerne auf den Wide-SCSI".

Indes, ganz ohne werden die QIC-1000-Drives nicht sein. Handelt es sich auch um Low-risk-Entwicklungen, so will man dem Anwender durchaus etwas mehr bieten als die 200 KB/s eines 525-MB-Laufwerks. Mit Filterelektronik und cleveren Algorithmen soll das Laufwerk beobachten, wie schnell die Quelle (oder Senke) kann, gegebenenfalls einmal stoppen und dann eine andere Tape-Speed, sprich: Transferrate, einstellen. Bei Tandberg nennt sich dieses Feature Auto-Select und wird 200 und 300 KB/s bedienen, indem es das Band mit 53 beziehungsweise 80 ips bewegt.

Trotz des ähnlichen QIC-1000-Ansatzes unterscheiden sich die Strategien der drei Hersteller deutlich. Tandberg verzichtet ganz auf die 1,35-GB-Technik und will sich "umgehend auf die große Herausforderung QIC-6000 konzentrieren". Wangtek und Sankyo dagegen verschaffen sich mit QIC-1000 erst einmal Luft und stellen sich der 1,35-GB-Technologie - wobei Wangtek allerdings daraus kein 1,35-GB-Drive macht. Man zielt gleich auf den innerhalb des Migrationspfads folgenden Standard QIC-2000: auf das 2-GB-Drive mit zwei weiteren Spuren und etwas längerem Tape, das sogar mit 93 ips langsamer gefahren werden kann, denn 66 statt 51 kBpi sorgen für ausreichend Schreibdichte. Obgleich Wangteks Alain King vom Technical Center UK signalisiert, daß "die 6 + -GB-Technologie wegen ihrer Servo- und auch Dünnfilm-Kopf-Problematik noch in einiger Ferne liegt", richtet man die Entwicklungsstrategie indessen schon sehr gezielt gleich auf diese zweite Herausforderung aus: Unter dem Label "Advanced Common Architecture" werde ein Set von Custom-Chips geschaffen, das sich durchgängig bis hinein in die 6 + -GB-Ära einsetzen lassen soll - durch flexible Firmware-Anpassung und viel EEPROM, sei es bei Read/Write-ASICs, portablen SCSI-Modulen oder beim Controller für die Zwei-Kanal-Aufzeichnung. Nicht zuletzt betrifft, dies auch die programmierbaren Filter für das Feature "Auto-Throttle", das Wangtek ab der QIC-2000-Maschine bringen will und das bis zu sechs Tape-Speed-Stufen zu fahren gestattet.

Sankyo schließlich wird extrem fleißig am Markt erscheinen. Nach QIC-1000 sollen Geräte sowohl gemäß QIC-1350 als auch QIC-2000 lanciert werden. Mit letzterem probt der Japaner insbesondere eine auf die 6 + -GB-Ära abzielende Neuerung: Statt Ferrit- gibt es Dünnfilm-Köpfe.

Auch Tandberg will ein 2-GB-Laufwerk bringen, um die Lücke bis zu 6 + zu füllen. Doch das Drive wird in QIC-1000-Technik gehalten sein, geliftet via Data-Compression (DC). Wangtek und Sankyo wiederum wollen die DC ins Feld führen, um den QIC-2000-Streamer auf 4 GB zu hieven. Bemerkenswert nebenbei: Die Szenenstreitereien um das passende DC-Verfahren haben sich in Rauch aufgelöst. Wo HPs DCLZ-Chip nicht ohnehin schon Verwendung findet, wird der zu ihm Algorithmus-kompatible STAC-Chip den gleichen Job verrichten.

"Wer meint, auf die Erfahrung bei Entwicklung und Massenfertigung einer 1,35-GB-Technologie verzichten zu können, der muß schon genau wissen, was er tut", zwinkert Axel Herr, für den Hersteller Maynard in der Archive-Gruppe zentraler Sales-Support-Mann. "Wir sahen es auch nicht als opportun, Energien für Vorab-Lösungen abzuzweigen." Der marktführende Konzern Costa Mesa geht also ohne Umschweife den direkten Weg zu einem Drive gemäß QIC-1350. Der Anspruch ist deutlich: "Wir haben als erste das 2-GB-DAT gebracht, haben als erste das QIC-525 gebracht, und wollen auch die ersten sein, die die wirklich neue QIC-Generation bringen." Die Rechnung scheint aufzugehen. Denn Sankyo - bis vor kurzem noch in hartem Kopf-an-Kopf-Rennen - mußte die Vorstellung des 1,35-GB-Mediums dann doch deutlich verschieben, was mit dem vorgezogenen QIC-1000 zusammenhängt. Dabei hat der japanische Industriegigant, der 80 Prozent seines Umsatzes mit Kartenlesern macht, immerhin schon fast ebenso früh sein 525-MB-Drive auf den Markt bringen können, und vor allem: Sankyo hat als erster auf 3Ms Lizenzierungsangebot zurückgegriffen und Know-how betreffs der so kritischen Head-Tape-Wechselwirkung zugekauft. Als weiterer Lizenznehmer macht sich Wangtek 3Ms Formatter-Chip zunutze.

Folgende Features wollen die Anbieter von Laufwerken der neuen Generation bringen:

- Auto-Throttling,

- Selbst-Konfigurierung: Settings müssen nicht mehr per Jumper eingestellt werden, das Gerät liest Parameter wie SCSI-Adresse, Blockgröße oder erforderliche R/W-Spannung vom Band,

- Soft-Load: Cartridge-Einzug, Verriegelung und exakte Kopf-Positionierung geschehen automatisch.

Was passiert auf der 3 1/2-Zoll-Schiene DC-2000? Beim Formfaktor stellt sich die Frage, wie denn nun die Mini-Cartridge-Welt angegangen oder weiterverfolgt werden soll. Immerhin eröffnet ihr der Migrationspfad analog zur 6 + -GB-Ära bei gleicher Technologie und einem Drittel Bandlänge eine 2-GB-Dimension. Hersteller, die selbst DAT und damit 3 1/2-Zoll verfolgen, stehen vor dem Problem, wie sich beides sinnvoll abstimmen läßt. Während sich Wangtek bereits entschied, es beim 120-MB-Drive zu belassen und bei höheren Kapazitäten ganz auf DAT setzt, sieht sich Archive vor einer doch recht delikaten Situation. Irwin, im DC-2000-Sektor als absoluter Euro-Marktführer in den Konzern einverleibt, bringt entsprechende Erfahrung und auch Ambitionen mit. Archive-Technology andererseits entwickelt und puscht DAT sowie "Normal"-QIC (nunmehr allein, nachdem Cipher seine QIC-Entwicklungen gestrichen hat). Sinnfällig wäre ja eine Fusion aus beiden Linien, so daß dann jeder Partner nur noch seine Metall-Box für die differierenden Cartridges drum herum anzubringen bräuchte. Doch dies ist erst einmal tabu. "Der Konzern ist nun gerade konsolidiert, die Vertriebswege nahezu designt, und in den diversen Lokalitäten finden die Kulturen ihre Identität", meint Gregory Blepp, Sales-Support Irwin. "Bei DC-2000 macht Irwin erstmal wie gewohnt weiter."

Hier wie anderswo steht ein 2-GB-Drive also in den Sternen. Ganz ähnlich wie im Falle der vorgezogenen QIC-1000-Maschinen kommt Irwin vielmehr mit einem SCSI-320-MB-Drive (ganz gut passend zu IBMs neuer Harddisk-Dimension), das zwar das neue 900-Oerstedt-Tape nutzt, aber mit klassisch-hauseigenem Aufzeichnungsverfahren arbeitet. Ganz ohne eine 96 + 16-Spur-Technologie sollen sich mittels DC und nochmaliger KFTPI-Steigerung sogar 640 MB und 1,28 GB anbieten lassen - Werte, die die Lücke zu QIC und DAT bereits schließen. Wo sich Überschneidungen einstellen, weiß sich die Archive-Gruppe aber zunächst einmal mit der Differenzierung über Lösungen, sprich: Software, zu helfen.

Für einen Player ganz ohne DAT-Ambitionen formuliert Tandbergs Frank Roszyk den DC-2000-Problem-Aspekt so: "Es ist nicht leicht, sich für etwas weniger Metall zu entscheiden und bei ansonsten gleichem Hardware- und Kostenaufwand nur ein Drittel der Kapazität bieten zu wollen." Anders ausgedrückt, wozu sich gleich wieder selbst beschränken, nachdem nun endlich die Tore geöffnet sind.

Vier Aussteller sind im WettIauf um das erste System

Wann nun wird wer mit was kommen? Schaut man sich die vergangenen Zeitpläne an, so sind Verspätungen von einem beziehungsweise einem halben Jahr fast die Regel. Die im folgenden aufgelisteten Roadmaps entsprechen immerhin den neuesten korrigierten Informationen (Status-Kürzel: E = Evaluation-Units in Hunderten an Key-Kunden; M = Massenproduktion).

Tandberg

QIC-1000: E = Mai M = Q4

DC-Version: + 4 Monate

QIC-1350: nein

QIC-6000: E = Dez/92 M = Q2/93

DAT: keine Ambitionen

DC-2000: Einstieg ??

Wangtek (Agora)

QIC-1000: E = Jul M = Q4

QIC-1350: nein

QIC-2000: E = Dez M = Q3/92

DC-Version: zeitgleich

QIC-6000: E = Q3/92 M = Q1/93

DAT: 2-/4-GB(DC) M = Q4

DC-2000: 120-MB = stop

Sankyo-Seiki (MegaByte)

QIC-1000: E = Jun M = Sep

QIC-1350: E = Nov M Q1/92

QIC-2000(+ DC) M = Q3/92

QIC-6000: geplant

DAT: keine Ambitionen

DC-2000: auf Eis gelegt

Archive-Gruppe

QIC-1350: E = Sep M = Q4

DC-Version: zeitgleich

QIC-6000: (M = Q3-4/93)

DAT: stark forciert

DAT-Loader 5x2-GB extern

2/4-GB-DC-Ver M = Dez

DC-2000: (Irwin)

320-MB/640-DC E = Aug M = Nov

640-MB/1.3-GB-DC M = Q3/92

Obgleich sich Archive noch keine konkrete Zeitplanung für die 6 + -GB-Technologie auferlegt habe, hält man sich doch für favorisiert, auch bei der "entfernten Herausforderung" die Nase vorn zu behalten. Verwiesen wird auf das Meisterstück in Servotechnik, das man im 2-GB-DAT-Drive demonstrierte: auf die Soft-Start/Stop-Technik, die das dünne 90-Meter-Band ohne Zerreißprobe bewegt, sowie auf die kontinuierliche Anpassung der Transferrate an den Host-Durchsatz, wo Bandantrieb, Trommelantrieb und optoelektronische Kontrolle von Speed und Spannung des Tapes in Closed-Loop-Regelung mit dem Controller zusammenwirken.

Auch der Consumer-Markt wird angepeilt

"Spitzenprodukten", meint Axel Herr von Maynard, "stehen zunehmend harte Zeiten bevor. Der Streamer-Markt, einst recht geschlossen, ist interessant für viele geworden. Statt spezifische Technologie für den Datenbereich zu züchten, schaut sich der eine oder andere um, was er aus der Consumer-Ecke gebrauchen kann, steckt ein paar Dutzend Ingenieure ins Labor - und wirft ein Niedrigst-Preis-Produkt auf den Markt. Ein 150-MB-SCSI-Laufwerk für 330 Dollar - wie soll die Rechnung bei diesem Japan-Effekt noch aufgehen, wenn man Qualität garantieren will?"

Tatsächlich wird allenthalben beklagt, daß "ein Sankyo einen ganz schön ärgert". Der Preiskampf ist längst entbrannt. Und in den Strudel hineingezogen wurde nicht etwa nur Wangtek. Zwar kann sich Maynard über den "Mercedes-Anspruch" und das Angebot von Lösungen im High-end-Bereich ganz gut heraushalten, an den Archive-Produkten aber und an Irwins Low-end-Produkten zog und zieht der Sog auch nicht ganz vorbei. Und während im DAT-Bereich die Preise bereits auf solchem Tiefniveau sind, daß inzwischen wieder versucht wird, über einige Kosmetik gegenzusteuern, dürfte die nahe Zukunft für QIC erst einmal anders herum gepolt sein. So sieht Archive denn auch für die Minicartridge-Welt moderat bis stark sinkende Preise (zunehmend Commodity) und für Normal-QIC aufgrund der zu erwartenden Economy-of-Scale rund zehn bis 15 Prozent Spielraum nach unten. Ob dies den Vorstellungen eines aggressiven Sankyo ganz entspricht, wird sich zeigen. Denn mit der bisherigen Aufteilung des Euro-Streamer-Markts von 35 Prozent Archive, 25 Prozent Tandberg, 25 Prozent Wangtek plus einem 15-Prozent-Rest möchte sich der Japaner nicht mehr zufrieden geben.