So lassen sich Dienstleistungen bewerten

24.05.2006
Von Jörg Stimmer und Rainer Kolisch 
Betriebswirtschaftliche Methoden schaffen eine Grundlage dafür, Outsourcing-Optionen zuverlässig einschätzen zu können. Der Ist-Zustand (Baseline) dient als Referenzpunkt.
In der Nutzwertanalyse werden Ziele formuliert und jeweils paarweise auf gleicher Ebene miteinander verglichen: Ist das Ziel
In der Nutzwertanalyse werden Ziele formuliert und jeweils paarweise auf gleicher Ebene miteinander verglichen: Ist das Ziel
In eine erweiterte Kapitalwertrechnung fließen zur Entscheidungs- findung Handlungsalternativen ein. Im dargestellten Beispiel können die Verantwortlichen zum Zeitpunkt t=1 darüber befinden, ob ein Projekt fortgeführt oder abgebrochen werden soll.
In eine erweiterte Kapitalwertrechnung fließen zur Entscheidungs- findung Handlungsalternativen ein. Im dargestellten Beispiel können die Verantwortlichen zum Zeitpunkt t=1 darüber befinden, ob ein Projekt fortgeführt oder abgebrochen werden soll.

Um über Outsourcing-Projekte entscheiden zu können, ist deren Bewertung notwendig. Die Betriebswirtschaftslehre bietet eine Reihe von wohl definierten Methoden zur Bewertung von Projekten (Handlungsalternativen, Alternativen) an. Die Projekte beziehungsweise Alternativen stellen dabei die verschiedenen Möglichkeiten des Outsourcings sowie die Unterlassungs-Option (Beibehaltung des Ist-Zustandes, kein Outsourcing) dar. Der Ist-Zustand dient als Referenzpunkt, seine Bewertung wird als "Baselining" bezeichnet. Im Folgenden werden die Bewertungsmethoden in den Grundzügen dargestellt.

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EOA Germany e.V.

Die EOA Germany e.V. ist der deutsche Ableger der European Outsourcing Association, die inzwischen in England, Frankreich und Benelux aktiv ist und vor rund zehn Jahren gegründet wurde. Sie hat sich den unternehmensunabhängigen, fachlichen Austausch durch das direkte, offene Gespräch vor allem in Workshops zum Ziel gesetzt. Die EOA stellt interessierten Anwendern und Dienstleistern Erfahrungsberichte, Kontakte und erprobte Vorgehensweisen zur Verfügung. Weitere Informationen gibt es unter www.e-oa.net, bei Dr. Jörg Stimmer oder dem Vorsitzenden Professor Dr. Wolfgang Fritzemeyer (wolfgang. fritzemeyer@bakernet.com).

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Kostenvergleichsrechnung

Ein nahe liegender Ansatz zur Bewertung von Outsourcing-Vorhaben ist der direkte Ver-gleich der entscheidungsrelevanten Kosten (Kostenvergleichsrechnung), denn ein Hauptziel von Outsourcing-Projekten ist es, Kosten zu senken. Die Kostenvergleichsrechnung ist statisch. Ihr liegt eine rein operative Sichtweise zugrunde, in die strategische Überlegungen keinen Eingang finden. Ausgewählt wird die Alternative mit den geringsten durchschnittlichen Kosten, zumeist bezogen auf ein Jahr. Das funktioniert allerdings nur, wenn alle Optionen unter der Annahme betrachtet wurden, dass sie jeweils identischen Rahmenbedingungen hinsichtlich Nutzungsdauer, Kapitaleinsatz und zeitlicher Kostenstruktur unterliegen. Dabei werden alle Posten betrachtet, die von einer möglichen Auslagerungsentscheidung betroffen sind (Prinzip der relevanten Kosten). Beispiele sind Löhne, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Energie, Instandhaltung und Wartung, Immobilien sowie kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen. Die Kostenvergleichsrechnung kann dann verwendet werden, wenn die Outsourcing-Entscheidung keine Auswirkung auf die Erlöse hat.

Traditionelle Kapitalwertrechnung

Die Kapitalwertrechnung ist ein dynamischer Vergleich, denn sie berücksichtigt unterschiedliche Zahlungsströme und den Diskontierungszinssatz. Auch diese Methode verwendet eine rein operative Sichtweise ohne Berücksichtigung strategischer Aspekte. Für eine Alternative wird ein Kapitalwert (Barwert, Net Present Value, NPV) berechnet, wobei folgende Parameter einfließen: I0= Auszahlung in Periode 0; Ft = Ein- oder Auszahlung in den Perioden t=1 bis n und k = Diskontierungssatz.

Ist der Kapitalwert NPV bei einem vorgegebenen Diskontierungssatz k positiv, erhöht das Projekt den Wert des Unter- nehmens um den Betrag NPV - das Projekt sollte gestartet werden. Die traditionelle Kapitalwertrechnung hat jedoch Defi- zite, denn es werden weder unterschiedliche Szenarien und deren Wahrscheinlichkeiten noch Reaktionsmöglichkeiten des Managements (Management-Optionen) während des Projekts berücksichtigt. Diese beiden Aspekte fließen in die erweiterte Kapitalwertrechnung ein.

Die Erweiterung der traditionellen Kapitalwertrechnung lässt sich am besten an folgendem Beispiel erläutern. Entschieden wird über ein Projekt mit einem Investitionsvolumen von 100 Geldeinheiten (GE) zum Zeitpunkt t=0. Nach der Investition können mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 Prozent die mit "+" und "-" gekennzeichneten Szenarien eintreten. Im positiven Szenario "+" erfolgen Einzahlungen in Höhe von 100 GE zum Zeitpunkt t=1 und 200 GE zum Zeitpunkt t=2. Im negativen Szenario "-" tritt zum Zeitpunkt t=1 keine Zahlung und zum Zeitpunkt t=2 eine Aus- zahlung in Höhe von 100 GE ein. Berechnet man den Kapitalwert unter Verwendung der Er- wartungswerte der Perioden t=1 und t=2 in Höhe von 0,5x100+0,5x0=50 GE und 0,5 x200+0,5x-100=50 GE, so erhält man mit der herkömmlichen Kapitalwertrechnung für jeden positiven Diskontierungszinssatz k einen negativen Kapitalwert. Solange der Diskontierungszinssatz größer als Null ist, rechnet sich das Projekt demnach nicht.

Erweiterte Kapitalwertrechnung

Nun wird als Handlungsalternative angenommen, dass nach der ersten Periode über die Beendigung (stop) oder Fortführung (go) des Projekts entschieden werden kann (siehe Grafik "Kapitalwertrechnung bewertet Alternativen"). Damit würde bei Eintritt des Szenarios "+" das Projekt fortgesetzt (go), während es bei Eintritt des Szenarios "-" abgebrochen würde (no). Die Abbruchoption verhindert den mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent in Periode t=2 eintretenden Verlust. Es ergibt sich ein Kapitalwert von:

NPV = -100 + (0.5x100 +0.5x0)x(1+k)-1 + (0.5x200 +0.5x0) x (1+k)-2

= -100 + 50x (1+k)-1 + 100x (1+k)-2

Der Kapitalwert NPV ist positiv, solange der Diskontierungszinssatz k kleiner als 28 Prozent ist. Bestehen für ein Projekt Unsicherheiten sowie Handlungsoptionen, so ermittelt die erweiterte Kapitalwertrechnung realistischere Werte als die traditionelle Vorgehensweise. Der Projektwert, der mit der erweiterten Kapitalwertrechnung ermittelt wird, ist in der Regel höher als der in der traditionellen Kapitalwertrechnung erhobene Wert, weil Handlungsoptionen berücksichtigt werden.

Nutzwertanalyse

Bei Projekten gibt es häufig mehrere Ziele, die in einer Betrachtung berücksichtigt werden sollten. Erschwerend kommt hinzu, dass Ziele häufig schwer quantifizierbar sind. In Outsourcing-Projekten streben die Unternehmen etwa eine Konzentration auf Kernkompetenzen, geringere IT-Investitionen, bessere Transparenz sowie Kostenreduzierungen durch Skalenvorteile des Dienstleisters an.

Bei der Nutzwertanalyse (Scoring-Modell) werden alle Ziele des Projektes aufgelistet und gewichtet. Bezeichnet man die Gewichtung des Zieles j (j=1,...,n) mit wj und die Bewertung von Projekt i im Hinblick auf Ziel j mit sij, so berechnet sich der Nutzwert (Score) des Projektes i entsprechend folgender Formel:

In diese Berechnung sollten nicht mehr als sieben Ziele Eingang finden, da andernfalls die Gewichtung der einzelnen Ziele zu gering wird. Weiterhin ist die Gewichtung so zu wählen, dass die Summe den Wert "1" ergibt (*wj = 1). Um unterschiedliche Skalenniveaus der Ziele zu berücksichtigen (beispielsweise Kosten in Millionen GE und Nutzen im Intervall eins bis zehn), müssen die Zielausprägungen sij normiert werden. Dazu wird je Ziel j die beste Ausprägung s+j und die schlechteste Ausprägung s-j ermittelt. Die beste Ausprägung erhält den Wert 1, und die schlechteste Ausprägung erhält den Wert 0. Alle Ausprägungen zwischen s+j und s-j erhalten einen Wert zwischen 0 und 1, wobei der Wert beispielsweise mit einer linearen Funktion bestimmt wird.

Der Vorteil der Nutzwertanalyse ist die vergleichsweise einfache Anwendbarkeit sowie die Tatsache, dass gleichzeitig quantitative Ziele (wie zum Beispiel Projektkapitalwert) und qualitative Ziele (etwa Bedeutung einer entwickelten Technologie für zukünftige Produkte) verwendet werden können. Ein Nachteil der Methode ist, dass sie keine systematische Vorgehensweise für die Bestimmung der Zielgewichtung sowie der normierten Zielausprägungen bereitstellt.

Analytical Hierarchy Process

Eine Verbesserung der Nutzwertanalyse ist der "Analytical Hierarchy Process" (AHP). Dabei handelt es sich um ein systematisches und theoretisch fundiertes Verfahren zur Erzeugung einer Zielhierarchie, einer Zielgewichtung und zur Bestimmung normierter Zielausprägungen. Im Kern werden die Zielgewichtungen und die normierten Zielausprägungen durch paarweise Vergleiche erzeugt. Konsistenzprüfungen sichern, dass die Angaben des Befragten stimmig sind (so liegt etwa eine Inkonsistenz vor, wenn Alternative a besser als Alternative b, Alternative b besser als Alternative c und Alternative c besser als Alternative a bewertet wird). Im Falle von Inkonsistenz müssen die Vergleiche so lange wiederholt werden, bis die Aussagen hinreichend konsistent sind. Im Ergebnis liefert AHP eine Bewertung der verschiedenen Outsourcing-Alternativen unter Berücksichtigung mehrerer Ziele.

Als Beispiel für die Anwendung von AHP soll die Auswahl eines technischen Systems für einen Telekommunikations-Dienstleister dienen (siehe Grafik "Ein Vergleich der Ziele hilft bei der Entscheidungsfindung"). In der Projekthierarchie gibt es das Oberziel (Auswahl eines TK-Systems) sowie Unterziele (Kosten und Qualität), Detailziele (unter anderem Investitionsausgaben, laufende Ausgaben) und Kriterien (etwa laufende Kosten und Wartungskosten). Im Rahmen des AHP werden nun je zwei Ziele, die ein gemeinsames Oberziel besitzen (beispielsweise Kosten und Qualität) anhand folgender Aussagen miteinander verglichen: Ist das Ziel Kosten genauso wichtig, etwas wichtiger, viel wichtiger, sehr viel wichtiger oder extrem viel wichtiger als das Ziel Qualität?

Softwaresysteme helfen

Nutzwertanalyse und AHP können um Sensitivitätsanalysen erweitert werden, bei denen untersucht wird, wie sich beispielsweise die Bewertung und damit die Reihenfolge der Alternativen ändert, wenn einem der Ziele eine andere Bedeutung beigemessen wird. Für AHP sind unterschiedliche Softwaresysteme am Markt. Zwei Beispiele sind die kommerzielle Software "Expert Choice" (http://www.expertchoice.com/) oder die frei verfügbare Internet-Anwendung "Web Hipre" (http:// www.hipre.hut.fi). (jha)