So finden Sie den richtigen Mitarbeiter

06.09.2007
Eine Psychologin gibt Personalern und Managern Tipps, damit sie nicht schon im Vorstellungsgespräch den Kandidaten vergraulen.

Schon wieder mussten wir uns nach wenigen Monaten von einem neuen Mitarbeiter trennen. Dabei schien er unser Traumkandidat zu sein." Diese Klage hört man von Geschäftsführern und Personalverantwortlichen oft. Schließlich entstehen einem Unternehmen schnell sechs- oder gar siebenstellige Kosten, wenn sich der neue Inhaber etwa einer Schlüsselposition als Fehlgriff erweist.

Vorstellungsgespräche richtig führen zwölf Tipps

Die Vorbereitung ist das A und O. Erstellen Sie ein Anforderungsprofil, das neben den fachlichen auch die persönlichen Anforderungen umfasst.

Berücksichtigen Sie dabei neben den aktuellen auch die strategischen Anforderungen, die der Stelleninhaber erfüllen muss.

Definieren Sie K.o.-Kriterien, die der Bewerber in seinem künftigen Job auf alle Fälle erfüllen muss.

Leiten Sie aus dem Anforderungsprofil einen Gesprächsleitfaden ab. So behal-ten Sie die Anforderungen im Blick und können Bewerber gut miteinander vergleichen.

Behandeln Sie den Bewerber als Gast. Schließlich bewirbt sich auch Ihr Unternehmen.

Führen Sie Vorstellungsgespräche niemals allein. So vermeiden Sie Beurteilungsfehler, die sich zum Beispiel durch persönliche Sympathien ergeben.

Erzählen Sie am Anfang nicht zu viel über Ihr Unternehmen. Sonst gibt Ihnen der Bewerber genau die Antworten, die Sie hören möchten.

Fragen Sie den Bewerber auch, wie er sich bestimmten Aufgaben nähern und wie er mit Problemen umgehen würde. Auf diese Weise können Sie seinen Arbeitsstil einschätzen.

Notieren Sie die Antworten stichwortartig. Sonst verlieren Sie bei mehr als drei Kandidaten die Details aus den Augen.

Erstellen Sie nach den Gesprächen ein Ranking der besten drei bis fünf Bewerber.

Thematisieren Sie beim Auswerten der Gespräche auch Ihr "Bauchgefühl". Analysieren Sie, warum Sie bei Bewerber A ein "eher schlechtes" und bei Bewerber B ein "eher gutes" Gefühl haben.

Lassen Sie nach dem letzten Vorstellungsgespräch eine Nacht verstreichen, bevor Sie im Team die Auswahl treffen. Mit etwas Abstand sehen Sie die Dinge objektiver.

Hier lesen Sie ...

warum der Personaler ein Bewerbungsgespräch niemals allein führen sollte;

welchen Wert das Bauchgefühl bei der Einstellung eines Mitarbeiters hat;

warum ein Ranking der Kandidaten hilfreich ist.

Nicht nur die Ausgaben für die Personalsuche und -auswahl waren dann Fehlinvestitionen. Noch schwerer wiegen häufig die Folgekosten. Denn bleibt eine Schlüsselposition längere Zeit verwaist oder wird sie nicht angemessen wahrgenommen, dann werden oft Entscheidungen zu spät getroffen oder bereits gefasste Beschlüsse nicht umgesetzt. Die Folge: Die Kundenbindung leidet, neue Produkte kommen verspätet auf den Markt, notwendige Umstrukturierungen unterbleiben, und das Unternehmen verspielt (Markt-)Chancen, so dass es zuweilen noch jahrelang mit den Problemen kämpft, die aus einem personellen Fehlgriff entstanden sind.

Doch warum erweisen sich Wunschkandidaten oft als Fehlgriffe? Häufig aufgrund mangelnder Sorgfalt bei der Personalauswahl. Da wird ein Vorstellungsgespräch zwischen zwei andere Termine gequetscht, und die Bewerbungsunterlagen werden nur eines flüchtigen Blickes gewürdigt. Da werden Gespräche ohne Konzept geführt und ihre Ergebnisse maximal mit zwei, drei Stichpunkten festgehalten, so dass nach dem fünften Bewerber nur noch die vage Erinnerung bleibt "hat mich nicht überzeugt" oder "könnte passen".

Nicht nur aufs Fachliche achten

Ein weiterer Fehler: Häufig wird bei der Auswahl nur auf die fachliche Qualifikation geachtet. Diese lässt sich ja auch anhand der (Arbeits-)Zeugnisse und der Aufgaben, die der Bewerber in seiner bisherigen beruflichen Laufbahn bewältigte, relativ leicht bewerten. Anders ist dies, wenn es um folgende Fragen geht:

Findet der Bewerber mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Draht zu den Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten, mit denen er zusammenarbeiten muss?

Kann er andere für nötige Veränderungen begeistern, ohne die Leistung seiner Vorgänger zu schmälern?

Hat er das nötige "Feeling" für die Notwendigkeiten und Empfindlichkeiten im Haus und bewahrt trotzdem seinen eigenen Stil?

Dies zu ermitteln, also herauszuarbeiten, ob die Chemie zwischen Bewerber und Unternehmen stimmt, erfordert Zeit und Energie. Doch die Mühe lohnt sich, wenn man an die Kosten und Folgeprobleme einer Fehlbesetzung denkt.

Deshalb folgender Appell an die Personalverantwortlichen: Investieren Sie genügend Zeit in die Mitarbeiterauswahl. Dies beginnt beim Formulieren der Anforderungen an den Neuen. Sagen Sie zum Beispiel nicht einfach: "Ist doch klar, was ein Vertriebsleiter können muss." Überlegen Sie vielmehr, was ein Vertriebsleiter in Ihrem und nicht in einem x-beliebigen Unternehmen leisten muss. Denn der Vertriebsleiter eines großen Konzerns benötigt andere Kompetenzen als sein Kollege bei einem Mittelständler. Während der eine vor allem strategisch arbeitet und die Vertriebsmannschaft führt, muss der andere auch mal selbst einen Werbebrief formulieren.

Anforderungsprofil erstellen

Ermitteln Sie deshalb im Vorfeld genau, welche Anforderungen der Neue erfüllen muss zum Beispiel, indem Sie den bisherigen Stelleninhaber, die Führungskräfte oder Mitarbeiter befragen. So lassen sich Ereignisse und Situationen bestimmen, die für die ausgeschriebene Position typisch sind und die der künftige Stelleninhaber meistern muss. Ein Beispiel: Die Arbeitssituation ist durch Zeitdruck und ständige Störungen gekennzeichnet. Dann kann eine Anforderung lauten: "Der künftige Stelleninhaber arbeitet auch bei permanenten Störungen ruhig und konzentriert."

Fragen Sie sich auch: Wodurch unterscheidet sich der ideale Stelleninhaber vom Kandidaten, den wir keinesfalls einstellen möchten? Delegiert der Wunschkandidat zum Beispiel möglichst viele Aufgaben, während der andere das meiste selbst erledigt? Hat die Traumbesetzung Spaß am Kundenkontakt, während sich sein Gegentyp am liebsten vor jedem Kundentermin drückt? Analysieren Sie außerdem:

Welche Einstellung braucht der Neue, damit er das tun kann, was von ihm erwartet wird?

Welche Konflikte können sich mit wem ergeben, wenn er das tut, was er tun soll?

Welche persönlichen Eigenschaften braucht er, um diese Konflikte zu meistern?

So können Sie neben den fachlichen Qualifikationen auch die sozialen, kommunikativen sowie persönlichen Eigenschaften ermitteln, die der Neue benötigt. Doch Vorsicht! Begnügen Sie sich nicht mit oberflächlichen Beschreibungen wie "entscheidungs- und umsetzungsstark". Analysieren Sie auch: Geht es nur darum, fix zu entscheiden, welcher PC angeschafft wird, oder muss der Neue auch unangenehme Personalentscheidungen treffen und umsetzen?

Beim Entwickeln des Anforderungsprofils sollten Sie neben den aktuellen auch die künftigen Anforderungen berücksichtigen. Schließlich soll sich Ihr Unternehmen weiterentwickeln.

Gesprächsleitfaden entwickeln

Wenn Sie das Anforderungsprofil definiert haben, sollten Sie hieraus einen Interviewleitfaden ableiten, der in allen Auswahlgesprächen genutzt wird. Das Strukturieren und Standardisieren der Gespräche gewährleistet, dass Sie am Schluss die Bewerberprofile gut vergleichen können, weil alle Bewerber gewisse Kernfragen beantwortet haben. Außerdem entgehen Sie so der Falle, dass Sie sich von sympathischen oder rhetorisch besonders gewandten Bewerbern das Ruder aus der Hand nehmen lassen und nach dem Gespräch mit Schrecken feststellen: "Wie ärgerlich, das habe ich nicht gefragt."

Achten Sie beim Erstellen des Leitfadens darauf, unterschiedliche Fragetypen und Aufgaben miteinander zu kombinieren. Mit biografiebezogenen Fragen können Sie ermitteln, wie sich der Bewerber bisher in bestimmten Situationen verhalten hat. Wenn der künftige Stelleninhaber trotz permanenter Störungen konzentriert arbeiten soll, kann Ihre Frage zum Beispiel lauten: "Sie arbeiten im Großraumbüro? Da ist vermutlich einiges los: Anrufe, Kundenbesuche, Kollegen mit einer 'kurzen' Frage ... Wie schaffen Sie es, in dieser turbulenten Umgebung Ihre Arbeit richtig zu machen?" Aus der Antwort können Sie schließen, wie sich der Bewerber vermutlich in Ihrem Betrieb verhalten würde. Oder greifen Sie typische Situationen aus Ihrem Unternehmen auf: Durch solche Fragen erfahren Sie, wie der Bewerber für Ihr Unternehmen typische Probleme lösen würde.

Ungewöhnliche Fragen stellen

Stellen Sie auch Fragen zur Persönlichkeit des Bewerbers beziehungsweise solche, die Ihnen einen Einblick in dessen Wertesystem ermöglichen. Vermeiden Sie dabei die üblichen Standardfragen wie: "Was sind Ihre Stärken?" Denn hierauf sind Bewerber in der Regel vorbereitet und haben sich Antworten zurechtgelegt. Weniger verfälschte Antworten erhalten Sie auf Fragen wie: "Wenn Sie Ihr Chef wären, was würden Sie über sich sagen?" Wichtig ist dabei nicht nur, was der Bewerber erwidert, sondern auch, wie er reagiert. Denn im Arbeitsalltag werden Mitarbeiter in Schlüsselpositionen häufig mit Situationen und Fragen konfrontiert, auf die sie sich nicht vorbereiten konnten, und müssen diese souverän meistern.

Gesprächsführung trainieren

Bewährt hat es sich auch, Bewerbern aktuelle Aufgaben zu stellen, vor denen das Unternehmen steht. Zum Beispiel: "Wir möchten ein Customer-Relationship-Management-System einführen. Wie würden Sie das angehen?" Achten Sie beim Bewerten der Antwort auch auf die Vorgehensweise. Alternativ können Sie den Bewerber mit einem künftigen Kollegen über die beste Lösung diskutieren lassen und sich anschließend fragen:

Welche neuen Erkenntnisse habe ich in dem Gespräch gewonnen?

Wie ging der Bewerber mit anderen Meinungen um?

Welche Schlussfolgerungen zog er aus neuen Informationen?

So wird meist schnell klar, ob der Bewerber der Richtige ist. Um dies zu erkennen, sind Gesprächsführungs- und Interviewtechnik sehr wichtig. Untrainierte Führungskräfte erzählen in Bewerbungsgesprächen oft mehr über sich und ihr Unternehmen, als dass sie fragen. Doch wer vorschnell zu viele Informationen preisgibt, der riskiert, dass der Bewerber seine Antworten genau den Anforderungen anpasst. Deshalb sollten ungeübte Interviewer vorher die richtige Gesprächsführung trainieren. Dies zahlt sich auch bei anderen Gelegenheiten aus zum Beispiel bei Mitarbeitergesprächen oder Verhandlungen mit Kunden.

Auf eigene Darstellung achten

So vorbereitet kann im Auswahlgespräch nicht viel schiefgehen. Einige Dinge sollten Sie aber noch beachten: Verlassen Sie sich nie ausschließlich auf Ihr Urteil. Ziehen Sie mindestens einen Kollegen hinzu. Denn dann kann die Person, die gerade nicht das Gespräch führt, auf die nonverbalen Aussagen des Bewerbers achten, die oft aussagekräftiger sind als die verbalen, und Stichworte notieren, denn nach dem fünften Interview weiß sonst niemand mehr, was der erste Bewerber gesagt hat.

Behandeln Sie jeden Bewerber mit Respekt und wertschätzend. Schaffen Sie eine möglichst angenehme Atmosphäre. Nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch. Denn nur, wenn der Bewerber Ihnen Vertrauen schenkt, öffnet er sich und offenbart Ihnen seine wahren Motive für einen Jobwechsel. Dann verhält er sich auch so, wie es seiner Persönlichkeit entspricht, anstatt fürs Vorstellungsgespräch einstudierte Verhaltensweisen zu zeigen.

Bedenken Sie außerdem: In jedem Auswahlgespräch präsentiert sich auch Ihr Unternehmen. Der Eindruck, den Sie beim Bewerber hinterlassen, hat auf dessen Entscheidung, ob er den Job annimmt, einen starken Einfluss. Und wenn Ihre Wege nicht zusammenführen sei es, weil Sie sich gegen den Bewerber oder er sich gegen Sie entscheidet , dann hängt es vom hinterlassenen Eindruck ab, ob sich die betreffende Person gegenüber ihren Verwandten und Bekannten positiv oder negativ über Ihr Unternehmen äußert. Dass Sie sich als attraktiver Arbeitgeber profilieren, ist aber gerade in Zeiten, in denen gute Fach- und Führungskräfte rar sind und bei der Stellensuche die freie Auswahl haben, sehr wichtig.

Nachbereitung nicht vergessen

Ebenso wichtig wie eine gründliche Vorbereitung und Durchsicht der Bewerbungsunterlagen des Kandidaten sowie eine strukturierte Gesprächsführung ist die sorgfältige Nachbereitung. Ergänzen Sie nach jedem Gespräch oder am Ende jedes Bewerbertags Ihre Notizen. Und stellen Sie nach den Auswahlgesprächen die Ergebnisse so zusammen, dass Sie die Bewerberprofile gut mit dem Anforderungsprofil vergleichen können. Schlafen Sie anschließend mindestens eine Nacht, bevor Sie sich entscheiden - das würden Sie vor jeder anderen Investition in dieser Größenordnung auch tun.

Bevor Sie die Entscheidung treffen, erstellen Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen, die an den Auswahlgesprächen teilnahmen, ein Ranking der drei oder fünf besten Bewerber. Dann haben Sie Alternativen parat, wenn Ihr Wunschkandidat absagt.

Keine geschönten Antworten

Beim Erstellen des Rankings sollten Sie mit Ihren Kollegen - sofern dies der Fall ist - auch darüber sprechen, warum Sie beim Bewerber A, obwohl er formal alle Kriterien erfüllt, ein "eher schlechtes Gefühl" haben; des Weiteren beim Bewerber B den Eindruck, er könne der bessere Mitarbeiter sein, obwohl er einzelne Anforderungen nicht ganz erfüllt. Denn selbst mit der besten Vorbereitung und Gesprächsführung können Sie bei Auswahlgesprächen nie absolut objektive Ergebnisse erzielen, da jeder Bewerber versucht, sich möglichst gut zu verkaufen. Also gibt er Ihnen geschönte Antworten. Außerdem bilden Auswahlgespräche nie den Arbeitsalltag ab. Deshalb sollten Sie auch auf Ihren Bauch hören, wenn er Ihnen sagt: "Nein, dieser Bewerber ist es trotz aller Vorzüge nicht" jedoch nie, ohne sich zuvor zu fragen: Warum sträuben sich mir bei diesem Bewerber die Nackenhaare? Ansonsten ist die Gefahr groß, dass Sie die funktionalen Anforderungen der freien Position aus dem Blick verlieren und letztlich doch rein nach Sympathie oder Ähnlichkeit entscheiden - was zu den meisten Fehlbesetzungen führt.