So finden Sie das richtige EAM-Tool

09.07.2008
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Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Die Technische Universität München analysiert Stärken und Schwächen der führenden Werkzeuge für das Enterprise-Architecture-Management.

EAM ist die Königsdisziplin der IT, behaupten Protagonisten einer Enterprise Architecture gerne. Der Grund für diese scheinbar elitäre Haltung ist nachvollziehbar. Enterprise-Architecture-Management gehört zu den komplexesten Aufgaben, die sich IT-Verantwortliche vornehmen können. Das große Versprechen dahinter lautet: EAM hilft Unternehmen, das Alignment-Problem in den Griff zu bekommen, sprich IT- und Geschäftsziele besser aufeinander abzustimmen. Dazu müssten IT-Systeme und das Business als Ganzes gesehen und gesteuert werden. Doch das ist leichter gesagt als getan. Um den vielzitierten IT-Bebauungsplan passend zu den fachlichen Anforderungen zu entwerfen und umzusetzen, brauchen die Verantwortlichen Softwarewerkzeuge. Erst sie ermöglichen es, im Dschungel von Applikationen, IT-Infrastruktur und Geschäftsprozessen den Überblick zu behalten.

Vor diesem Hintergrund hat der Lehrstuhl für Informatik an der Technischen Universität München bereits im Jahr 2005 einschlägige Tools unter die Lupe genommen. Die aktuelle Untersuchung "Enterprise Architecture Management Tool Survey 2008" beschreibt unter anderem neue Testszenarien und überarbeitete Bewertungskriterien. Hinzugekommen ist beispielsweise die Kategorie "SOA Transformation". Unterm Strich entstand dabei kein klassisches Ranking der Tools, wie die Autoren betonen. Vielmehr informiert das 384 Seiten starke Werk mit Hilfe eines Scorecard-basierenden Ansatzes differenziert über Stärken und Schwächen der Produkte.

Das amerikanische Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner bezieht mit seinem Magic Quadrant klarer Stellung als die Münchner. Zu den führenden Anbietern zählen die Analysten IBM/Telelogic, Troux Technologies und Alfabet (siehe Kasten "Wie Gartner EAM-Anbieter bewertet").

Produkte in der Wertung

Die TU München bewertete folgende Produkte:

  • Adaptive EAM von Adaptive, Version 5.0;

  • Planning IT von Alfabet, Version 3.1;

  • ADOit von BOC, Version 3.0;

  • Embarcadero EA/Studio von Embarcadero, Version 1.1;

  • Aris Platform von IDS Scheer;

  • Mega Modeling Suite von Mega International, Version 2007;

  • Provision von Metastorm, Version 6.0;

  • System Architect von IBM/ Telelogic, Version 11.0;

  • Troux von Troux Technologies, Version 7.0.

Bewertungskriterien

Die Software-Tools mussten sich in zwei Prüfkategorien zu bewähren. Unter der Bezeichnung "Tool-Functionality" untersuchten die Studienautoren neun funktionale Anforderungen, darunter Usability, Visualisierungstechniken, Berichtsfunktionen und die Flexibilität des Informationsmodells.

Letzteres spielt für die Experten eine Schlüsselrolle: Vereinfacht ausgedrückt sammeln EAM-Werkzeuge möglichst viele Informationen, die beispielsweise aus Modellierungswerkzeugen wie Aris, System-Management-Tools oder Projektplanungs- und Business-Intelligence-Applikationen stammen. Eine Herausforderung besteht darin, die in völlig unterschiedlicher Ausprägung vorliegenden Daten so zu vereinheitlichen, dass sie sich gemeinsam darstellen und in Beziehung zueinander setzen lassen.

Diese Aufgabe lösen die Tools auf einer höheren Abstraktionsebene im Rahmen eines Informationsmodells. Dort sind Informationsobjekte (Entities) definiert, deren Attribute und Zugehörigkeit zu Informationsklassen (Entity Types) sowie die Beziehungen zwischen Klassen (Relationship Types). Ein Informationsobjekt ist dabei die Abstraktion eines realen Objekts (zum Beispiel "BMW 318i = Produkt" oder "Accounting = Business-Prozess" beziehungsweise "Accounting System = Business-Applikation"). Beim Vergleich der Informationsmodelle schneiden Adaptive und Mega am besten ab (siehe Grafik "Flexibilität des Informationsmodells").

Die zweite Kategorie "EA Management Tasks" beleuchtet demgegenüber, wie gut die Produkte typische EA-Management-Aufgaben unterstützen. Dazu gehören Landscape-Management, Demand-Management, Projektportfolio-Management, Synchronisations-Management, Strategien- und Ziel-Management, Business-Object-Management, SOA-Transformation, IT-Architektur-Management und Infrastruktur-Management. In der kritischen Teilkategorie Landscape-Management sehen die Prüfer den Berliner Anbieter Alfabet mit Planning IT vorne (siehe Grafik "Landscape-Management).

Im Einzelnen kommt die TU München zu folgenden Einschätzungen der Software-Tools:

Adaptive EAM

Zu den Kernbestandteilen des Adaptive-Systems gehört ein Repository, das ein vordefiniertes, aber stark anpassbares Information Model enthält. Gemeinsam mit dem Konkurrenzprodukt von Mega erhält Adaptive EAM deshalb die beste Wertung in der Kategorie Flexibilität des Informationsmodells. Die Studienautoren loben darüber hinaus die Vielzahl der integrierten Modellierungsfähigkeiten. Anwender können dabei unter anderem auf die Unified Modeling Language (UML) und das Software Process Engineering Metamodel (SPEM) zurückgreifen. Die konsequente Orientierung an Industriestandards wie SQL für Datenabfragen erleichtere Benutzern die Arbeit und vermehre zudem die Optionen, mit Tools von Drittanbietern zusammenzuarbeiten, so die Untersuchung.

Aufgrund der Flexibilität des Tools könnten Anwender relativ einfach Berichte und Abfragen generieren. Den integrierten Ansatz des Produkts ergänzt eine konfigurierbare Web-basierende Benutzeroberfläche. Schlechter als der Durchschnitt schneidet das Adaptive-System lediglich bei den Visualisierungsfunktionen für EAM-Informationen ab.

Planning IT

Mit Planning IT verfolgt die Berliner Alfabet AG einen prozessgetriebenen EA-Ansatz, der alle typischen Management-Aufgaben untersucht. Das Tool greift dabei auf ein Repository mit einem vorgegebenen Informationsmodell zurück. Dieses bildet die Basis für eine Reihe vorgefertigter Funktionen, darunter vordefinierte Berichte und Diagramme, die sich automatisch erstellen lassen. Hinzu kommt ein einfach bedienbarer Query Builder, der es Anwendern erlaubt, maßgeschneiderte Datenanalysen anzustoßen.

Geht es um die Flexibilität des Informationsmodells, bietet Planning IT der Studie zufolge eher unterdurchschnittliche Optionen. In der Bewertungsgruppe Tool Functionality erzielte das System ansonsten durchweg gute Werte. Ähnliches gilt für die diversen EA-Management-Aufgaben und hier insbesondere das Landscape-Management. Die Autoren loben insbesondere die zahlreichen Collaboration-Funktionen, mit denen ganze Teams an der Enterprise Architecture arbeiten können.

ADOit

Der österreichische Anbieter BOC nutzt für ADOit ein Metamodell, um das Produkt an Kundenbedürfnisse anzupassen. Das vorkonfigurierte Information Model ist in verschiedene Ebenen unterteilt, darunter etwa Business Architecture, Application Architecture und Software Architecture. Jede Ebene bietet vordefinierte Diagrammtypen und Klassen. Erweitern und verändern lässt sich das Informationsmodell entweder von BOC-Consultants oder über eine grafische Benutzeroberfläche, erläutern die Autoren. Auch ADOit erhält in Sachen Flexibilität des Informationsmodells überdurchschnittliche Werte.

BOC betrachtet ADOit nicht als Tool, mit dem sich alle EA-Management-Aspekte auf einen Schlag abdecken lassen. Vielmehr können Unternehmen damit schrittweise EAM-Strukturen aufbauen. Unterm Strich offenbarte das Produkt in der Studie keine besonderen Schwächen.

Embarcadero EA/Studio

Embarcadero fällt mit seinen Tools im Vergleich deutlich zurück. Das liegt vor allem am leichtgewichtigen Information Model, das in erster Linie auf die Aspekte Daten- und Prozessmodellierung ausgerichtet ist. Dementsprechend sind auch die vordefinierten Visualisierungstechniken nur für diese Bereiche konzipiert. Wegen der Beschränkungen des Informationsmodells hat die TU München in Absprache mit dem Hersteller darauf verzichtet, die Unterstützung einzelner EA-Aufgaben zu bewerten. Das kalifornische Softwarehaus kündigte aber an, das Informationsmodell in künftigen Releases zu erweitern.

Eine sehr gute Bewertung heimst Embarcadero immerhin in der Teilkategorie Usability ein. Die Prüfer loben in diesem Zusammenhang die gut strukturierte Benutzeroberfläche, die auf der Rich Client Platform von Eclipse aufsetzt.

Aris Platform

Die Saarbrücker IDS Scheer AG verfolgt einen starken methodischen Ansatz für das EA-Management, loben die Studienautoren. Die Grundlage dafür bildet ein umfassendes Informationsmodell, das von der Business- bis hin zur Infrastrukturebene alle Aspekte abdeckt. Darüber hinaus offerieren die Saarländer eine Reihe von vordefinierten Visualisierungstechniken, die es Benutzern erlauben, sich auf einzelne Aspekte des EA-Managements zu konzentrieren. Ergänzt werden die Visualisierungsmöglichkeiten durch eine Reihe standardisierter Reports.

Trotzdem erhält der Aris IT Architect aus der Aris Platform hinsichtlich der Flexibilität des Informationsmodells eine unterdurchschnittliche Bewertung. In der Kategorie EA-Management-Aufgaben fallen die Beurteilungen für IDS Scheer insgesamt positiv aus, wenn auch nicht ganz so gut wie beim Berliner Konkurrenten Alfabet.

Mega Modeling Suite

Mega legt den Schwerpunkt seines Pakets auf das Thema Metamodellierung. Die Tools bieten eine reiche Auswahl eingebauter Analysen und Berichte, die auf dem vordefinierten Information Model aufsetzen. Anwender können Analysen durch individuelle Abfragen anstoßen. Um rasch auf bereits bestehende Visualisierungen zurückgreifen zu können, bietet das Produkt einen nach Einschätzung der Prüfer herausragenden Annotationsmechanismus.

Zusammen mit zahlreichen weiteren Funktionen könnten Anwender auf einfache Weise typische EA-Management-Aufgaben lösen. Stärken offenbare das System insbesondere in den Bereichen Synchronisations- und Infrastruktur-Management. Zusammen mit Adaptive EAM erhält Mega die höchste Wertung in Sachen Flexibilität des Informationsmodells.

Provision

Auch Metastorm stellt mit dem System Provision das Thema Metamodellierung in den Vordergrund. Dabei dreht sich der Ansatz für das EA-Management vor allem um eine einfach zu erlernende und bedienbare grafische Oberfläche, über die Benutzer Modellierungsdaten editieren können. Das vordefinierte Informationsmodell unterstützt mehrere einschlägige Frameworks, darunter DoDAF und Zachman. Zudem lässt es sich nach Ansicht der Prüfer einfach anpassen.

Aufgrund des flexiblen Informationsmodells und der mitgelieferten Visualisierungstechniken können Unternehmen eine individuelle Methode für ihr EA-Management entwickeln und einführen, so das Urteil. Dennoch schneidet ProVision mit Ausnahme der Kategorie Usability im Vergleich leicht unterdurchschnittlich ab.

System Architect

Die von IBM übernommene Softwareschmiede Telelogic nutzt für System Architect ein Metamodell, das sich an individuelle Anwenderbedürfnisse anpassen lässt. Damit verbunden ist eine breite Palette an Visualisierungsfunktionen, die sich mit Hilfe der integrierten Scripting-Sprache auch automatisieren lassen. Die bayerischen Softwaretester heben unter anderem die starken Analysefunktionen für EA-Daten hervor. Dabei hilft eine ebenfalls integrierte SQL-ähnliche Abfragesprache. Damit lassen sich nicht nur Grafiken, sondern auch Berichte in Textform generieren, um EA-Aufgaben wie das Strategien- und Ziel-Management zu organisieren.

Auf der Habenseite verbuchen die Autoren auch die einfach bedienbare und anpassbare Benutzeroberfläche. Unterm Strich erhält System Architect eine ausgeglichen gute Bewertung in den meisten Einzelkategorien.

Troux

Auch Troux von Troux Technologies steuert EA-Aufgaben im Kontext einer strategischen IT-Planung über ein anpassbares Metamodell. Über das eingebaute Modul Troux Intelligence können Unternehmen mächtige Analysen von EA-relevanten Daten fahren, so die Prüfer. Diverse Visualisierungsfunktionen lassen sich auch automatisiert nutzen. Hinzu kommen umfassende Optionen zum Sammeln und Integrieren von Informationen aus unterschiedlichsten Datenquellen, die das Teilsystem Troux Metaverse zur Verfügung stellt. Profitieren können davon nach Einschätzung der Experten vor allem EA-Aufgaben wie SOA Transformation oder das Projektportfolio-Management.

Geht es um die Flexibilität des Informationsmodells, erreicht Troux in der Version 7.0 eine leicht überdurchschnittliche Einstufung. Weniger gut schneidet die Tool-Sammlung in den Bereichen Collaboration und Synchronisations-Management ab.

Studiensteckbrief

Die Studie "Enterprise Architecture Management Tool Survey 2008" entstand am Lehrstuhl für Software Engineering betrieblicher Informationssysteme (Sebis) der Technischen Universität München. Es handelt sich um eine aktualisierte und erweiterte Neuauflage der gleichnamigen Untersuchung aus dem Jahr 2005. Zu den Autoren zählen neben dem Informatikprofessor Florian Matthes Sabine Buckl, Jana Leitel und Christian M. Schweda. Die TU München kooperierte dabei mit einer Reihe von Unternehmen. Die Hauptsponsoren sind Allianz Group IT, sd&m und Siemens IT Solutions and Services. Das 384-seite Werk in englischer Sprache enthält mehr als 350 Grafiken, Screenshots und Tabellen.

Zu beziehen ist die Studie in gedruckter Form für 450 Euro plus Mehrwertsteuer unter: http://www.systemcartography.info/eamts. Für die Druckversion inklusive PDF veranschlagt die Hochschule 1200 Euro plus Mehrwertsteuer.

Wie Gartner EAM-Anbieter bewertet

Das amerikanische Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner folgt mit seinem Magic Quadrant einem anderen Bewertungsmodell als die TU München.

Die Analysten betrachten einerseits die "Vision" eines Anbieters, andererseits dessen Fähigkeit, sie zu verwirklichen. Danach gibt es im EAM-Markt derzeit vier führende Anbieter: IBM mit den Telelogic-Produkten, Troux Technologies sowie die beiden deutschen Hersteller IDS Scheer und Alfabet.

In die Kategorie der Herausforderer ("Challengers") stufen die Auguren Mega und Metastorm ein. Alle anderen untersuchten Player bezeichnet Gartner als Nischenanbieter. Zu ihnen zählen Sybase, Salamander, ASG, Qualiware, Adaptive und Bizzdesign.

Um in die Wertung zu kommen, mussten die Tools bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Dazu gehört unter anderem ein Repository zum Vorhalten der zahlreichen EA-relevanten Informationen. Auch Gartner legt in seinem Vergleich Wert auf ein Metamodell, das sowohl betriebswirtschaftliche als auch technische Sichtweisen abbilden kann.