Kein 3D-Touch

So ersetzt das iPhone XR die Funktion

19.10.2018
Von 
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Das jetzt bestellbare iPhone XR bietet statt 3D-Touch nur Haptic Touch: Was ist das und ist das ein Problem?

Schon lange vor der Präsentation des iPhone XR hatte es der Analyst Kuo verraten: Im Unterschied zum iPhone XS und XS Max hat das iPhone XR kein berührungsempfindliches Display und unterstützt kein 3D-Touch. Das ist ungewöhnlich: Seit dem iPhone 6 unterstützten neue iPhones die Erkennung der Druckstärke einer Berührung, was zusätzliche Bedienmöglichkeiten erlaubt. Ab dem iPhone 6S wurde die Technik dann unter dem Namen 3D-Touch weiter verbessert. Eine Ausnahme war das iPhone SE, das ja eigentlich das Display des iPhone 5S nutzt.

Alle neueren iPhone boten bisher die Funktion 3D Touch – das iPhone XR dagegen nicht.
Alle neueren iPhone boten bisher die Funktion 3D Touch – das iPhone XR dagegen nicht.
Foto: Apple

Ersatz: Haptic Touch

Der Ersatz für 3D Touch nennt sich beim iPhone XR „Haptic Touch“ und ist eine neue Version des langen Klicks: Mit dem langen Tippen auf einen Link oder einen Button ruft man alternative Optionen, etwa wie bei einem Kontextmenü unter macOS. Neu beim iPhone XR: Im Unterschied zur Funktion beim iPad oder SE erhält man durch ein leichtes Vibrieren eine Feedback-Reaktion, das haptische Element. Apple hatte schon im iPhone X dieses haptische Feedback verbessert, ist es nach dem Wegfallen des Homebuttons doch wichtiger geworden. Gerade bei einem Nur-Bildschirm-Smartphone weiß man es zu schätzen, wenn man beim Drücken einer Funktion eine Bestätigung erhalten.

Anmerkung: Die Namen für das haptische Feedback auf unterschiedlichen Geräten werden langsam unübersichtlich. Haptic Touch wie auch 3D Touch haben ihre Ursprünge auf der Apple Watch. Die Technologie heißt dort jedoch Force Touch. Der gleiche Name taucht seit einigen Jahren auf dem Mac auf: Die aktuellen Trackpads simulieren den Klick nach einem ähnlichen Prinzip, wie es die Apple Watch tut.

Braucht man 3D Touch? Stärken und Schwächen

Wir glauben nicht, dass Käufer des iPhone XR die Funktion vermissen werden – da viele diese Funktion gar nicht benutzen würden. Apple hat sie wohl aus Kostengründen eingespart, ist ein Bildschirm mit 3D-Touch-Unterstützung doch etwas kostspieliger. Die Funktion 3D Touch war aber kein Publikumserfolg: Es gibt viele Nutzer, die sie nicht mal kennen oder einfach ignorieren.

Ein typisches Beispiel für 3D Touch ist die Taste der Taschenlampe im Kontrollzentrum: Mit einfachem Druck schaltet man sie ein, mit 3D-Touch ruft man einen Schieberegler für das Einstellen der Leuchtstärke auf.

Was Kritiker von 3D-Touch jetzt zu Recht einwenden: Die meisten Funktionen kann man auch durch einen längeren Druck aufrufen. Das ist simpler, funktioniert zuverlässiger und 3D-Touch hat auch auf dem iPad kaum jemand vermisst. Viele Optionen von 3D Touch musste Apple ja weiter für iPad- und iPhone SE-Nutzer verfügbar machen, per Systemeinstellung kann man 3D Touch auch einfach abschalten. Allerdings hat Apple auf diese Weise wiederum die Relevanz von 3D Touch selbst bereits geschwächt.

Es gibt viele Fans, die 3D Touch lieben und nicht missen wollen. Unzweifelhaft ist 3D-Touch eine sinnvolle Bereicherung des Bediensystems, kann man doch damit die Grenzen einer simplen Touchscreenbedienung überwinden.

Das Problem: Auch von vielen Nutzern von 3D Touch wird die Technologie nicht komplett ausgeschöpft, die meisten Nutzer verwenden sie wohl nur für Vorschau-Funktionen oder App-Optionen im Homescreen. Als Besonderheit von 3D Touch war aber eigentlich die Nutzung von Zusatzoptionen wie Peek-and-Pop:: Mit 3D Touch auf einen Link in einer Webseite öffnet man die verlinkte Seite in einem vergrößerten Vorschaufenster, mit einer gleichzeitigen Bewegung ruft man nun Zusatzoptionen wie Öffnen im Hintergrund, Leseliste und Teilen auf. Die vermutliche Ursache, warum sich dies nicht durchgesetzt hat: Die ersten Versuche mit dieser Funktion sind oft etwas frustrierend: Statt eine Vorschau einer Seite ruft man als ungeschickter Nutzer oft die Seite selbst auf oder drückt und drückt... und lässt es bald bleiben. Wird doch das iPhone nicht nur von fingerfertigen jungen Entwicklern verwendet und der Mehrwert der coolen Funktion ist doch bescheiden.

Per 3D Touch auf einen Link (per Pfeil markiert) kann man eine Vorschau der verlinkten Seite aufrufen und mit einer Bewegung nach oben diese Seite dann teilen, kopieren oder in der Leseliste speichern.
Per 3D Touch auf einen Link (per Pfeil markiert) kann man eine Vorschau der verlinkten Seite aufrufen und mit einer Bewegung nach oben diese Seite dann teilen, kopieren oder in der Leseliste speichern.

Spart Apple 3D Touch ein?

Dass Apple 3D Touch nicht im iPhone XR verwendet, muss nicht das Ende dieser Technologie bedeuten. Profis steht sie ja in Form der iPhone-XS-Modelle zur Verfügung und ist eine gute Methode sich etwas vom Volumenmodell iPhone XR abzugrenzen. Auch für ein kommendes iPad Pro wäre 3D Touch sicher eine interessante Bereicherung. Es hat ja einem System außerdem noch nie geschadet, wenn man eine Funktion auf verschiedene Weise aufrufen kann – mit einer schnellen für „Fast Finger“ und einer langsameren für „Fat Finger“. (Macwelt.de)