7 Anzeichen

So erkennen Sie Agile-Schwindel

13.09.2022
Von  und
John Edwards ist freier Autor für Themen rund um die Business-IT.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Agile Prinzipien anzuwenden, führt nicht automatisch zu besserem Projektmanagement oder effizienterer Softwareentwicklung. Lesen Sie, was echte Praktiker von agilen Möchtegerns unterscheidet.
Agile – aber nur auf den ersten, flüchtigen Blick?
Agile – aber nur auf den ersten, flüchtigen Blick?
Foto: Tanasut Chindasuthi - shutterstock.com

Was wie eine Ente aussieht, schwimmt und quakt ist wahrscheinlich auch eine Ente. Das lässt sich auf viele Agile-Initiativen in den Bereichen Projektmanagement und Softwareentwicklung leider nicht übertragen. Allzu oft initiieren Organisationen Programme, die vorgeblich Agile sind und im Stil von Agile funktionieren - in Wirklichkeit aber weit davon entfernt sind.

Besteht die Möglichkeit, dass auch Ihr Unternehmen sich selbst vorgaukelt, den heiligen Agile-Gral gefunden zu haben? Die folgenden sieben Anzeichen weisen darauf hin, dass Ihre Agile-Initiative Fake ist.

1. Ignoranz

CIOs mit unzureichenden Kenntnissen über agile Methoden (einschließlich ihrer Grundprinzipien, Anforderungen und Vorteile) werden in ihren Unternehmen mit ziemlicher Sicherheit auf agile Fake-Praktiken stoßen. Aber auch Unternehmen, deren Struktur nicht mit der agilen Philosophie zusammenpasst, können sich leicht über ihren Agile-Status-Quo täuschen, wie Jenny Herald, Vice President of Evangelism beim OKR-Plattformanbieter Gtmhub, beobachtet.

Neben einer gut definierten Strategie sei die beste Möglichkeit, agile Schwindeleien zu verhindern, sicherzustellen, dass agile Praktiken tatsächlich die richtige Wahl sind: "Agile wird oft als Allheilmittel angesehen, aber in Wirklichkeit ist es nicht für alle Unternehmen geeignet. Bei Agile geht es nicht nur darum, auf neue Praktiken umzustellen, sondern auch darum, seine Denkweise in Bezug auf die agilen Werte und Prinzipien zu verändern", konstatiert die Managerin.

Agiler Erfolg beginne an der Spitze und es sei Aufgabe des CIOs, diesbezüglich unternehmensweites Engagement in der gesamten Führungsriege sicherzustellen, meint Herald: "Die Führungskräfte müssen sich dafür einsetzen, agile Teams zu fördern."

2. Kein Wald, viele Bäume

Wenn sich der Fokus nicht auf die eigentlichen Inhalte und den Kontext, sondern auf granulare Agile-Facetten wie Scrum-Zeremonien richtet, ist es um die agilen Prinzipien nicht gut bestellt, ist Prashant Kelker, Lead Partner für Digital Sourcing und Solutions beim Beratungsunternehmen ISG, überzeugt. Schließlich gehe es bei Agile sowohl um die Auslieferung als auch um die Entwicklung: "Software mit agilen Methoden zu entwickeln, funktioniert nicht wirklich, wenn diese nur zweimal im Jahr ausgeliefert wird. Agilität funktioniert durch häufiges internes oder externes Markt-Feedback."

Allzu oft konzentrierten sich Unternehmen darauf, Punkte abzuarbeiten, verlören dabei allerdings das Wesentliche aus den Augen, so Kelker: "Bei Agile geht es nicht nur darum, eine Methodik einzuhalten oder bestimmte Technologien zu implementieren, sondern darum, Geschäftsziele und Werte zu realisieren. Bestehen Sie alle sechs Monate auf Schlüsselergebnisse, die auf die Unternehmensziele abgestimmt sind", empfiehlt der Analyst.

3. Leere statt Führung

Ein Team ohne engagierten Product Owner oder Scrum Master wird Probleme haben, agile Praktiken konsistent umzusetzen. Das ist allerdings essenziell, um kontinuierliche Verbesserung zu erreichen und vorhersehbare Lieferziele einzuhalten. Laut Jerry Walker, Consulting Director beim Beratungsunternehmen Nexient, müssten CIOs sicherstellen, engagierte Teammitglieder an Bord zu haben - und, dass Product Owner und Scrum Master ihre Rollen verstehen: "Ist das nicht der Fall ist, ist eine Schulung angebracht. Wenn möglich, engagieren Sie einen Agile Coach, der das Ganze anleitet."

Darüber hinaus empfiehlt Walker, Zeit mit den Teammitgliedern zu verbringen, um deren Arbeitsweise nachvollziehen zu können: "Bitten Sie um Einsicht in die Metriken Ihres Teams. KPIs können ein gutes Maß für den agilen Erfolg sein: Sind die User Stories gut geschrieben und richtig dimensioniert - wie gut sind die Akzeptanzkriterien?"

4. Verzicht auf Feedback

Je nachdem, wie sie verwendet werden, können Metriken natürlich auch irreführend sein. Eines der deutlichsten Fake-Agile-Anzeichen ist beispielsweise, wenn sich eine IT-Abteilung auf die Produktivitätskennzahlen des Teams konzentriert und nicht auf den Wert und die vorhersehbare Auslieferung, die mit jeder Version einhergeht.

"Wenn CIOs feststellen, dass die IT-Abteilung in Bezug auf die Geschäftsziele und -vorgaben isoliert ist, handelt es sich um Fake-Agile", unterstreicht Patrick Guidon-Slater, Director of Agile Transformation Services beim ITSM-Anbieter TEKsystems. "IT-Abteilung und CIO müssen das Feedback der Kunden gemeinsam entgegennehmen und umsetzen, während sie sich gleichzeitig über Updates und Entwicklungen austauschen."

Ein CIO sollte außerdem neues Feedback schnell integrieren, einen Mehrwert liefern und dann zur nächsten wertbestimmenden Priorität übergehen, empfiehlt Guidon-Slater: "Das lässt sich erreichen, indem Sie die Anliegen der internen Stakeholder verinnerlichen, Feedback geben und sicherstellen, dass die Prioritäten des Produkt-Backlogs mit den strategischen Zielen des Unternehmens, den Produkt-Roadmaps und einer klar definierten Portfolio-Vision abgestimmt sind."

5. Starrer Fokus

"Falsche" Agilität kann auch auftreten, wenn Unternehmen zu viel Wert darauf legen, "richtig" agil vorzugehen. Echte Praktiker konzentrierten sich darauf, agil zu sein und nicht blindlings Protokolle bis zum letzten Grad zu befolgen, meint Troy Frever, Vice President of Engineering beim Projektmanagementunternehmen LiquidPlanner.

Starre Regeln führten häufig zu verknöcherten Prozessen und einem allgemeinen Mangel an Agilität: "Wenn es viele harte und schnelle Regeln gibt, keinen Raum für Anpassungen an den Kontext und eine 'So oder gar nicht'-Einstellung vorherrscht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das nicht das Wahre ist. Agiles Arbeiten sollte sich in erster Linie auf Lernen, Feedback-Schleifen und die Reaktion auf Veränderungen konzentrieren. Wenn Sie davon nichts sehen, stimmt wahrscheinlich etwas nicht", warnt Frever.

Erfahrene Ausbilder mit guten Referenzen einzustellen, die agiles Denken verstehen und es auch gut vermitteln können, sei eine Möglichkeit, um entgegenzuwirken, so der Experte: "Erkennen Sie an, dass echte Agilität eine grundlegend veränderte Arbeitsweise erfordert. Holen Sie sich Support von Sponsoren und Teams - und erwarten Sie nicht, dass diese Umstellung über Nacht abläuft. Erfahrene Coaches oder Scrum Master können Sie dabei unterstützen, mit der Zeit zu wachsen."

6. Viele Worte, wenig Technik

Wenn Teams mehr Zeit auf agile Buzzwords und trendige Events verwenden, als darauf, Kundennutzen und -erfahrung zu optimieren, sollten CIOs hellhörig werden. Enthusiasmus ist ein starker Team-Motivator - dabei sollten Führungskräfte aber sicherstellen, dass der Eifer nicht den Blick auf die grundlegenden Aufgaben versperrt.

Wing To, Vice President of Engineering beim DevOps-Plattformanbieter Digital.ai, ist davon überzeugt, dass CIOs agile Teams coachen sollten, wenn es darum geht, was für das Unternehmen und seine Kunden wichtig ist - und das Gespräch von der Softwareentwicklung auf das Einholen von Feedback zur Software selbst verlagern: "Reviews konzentrieren sich zu oft darauf, ob etwas geliefert wurde oder wie es geliefert wurde. Sinnvoller wäre es, zu prüfen, ob es sich iterativ auf strategische Ziele zubewegt und das liefert, was die Benutzer wollen."

Die Sprache und die Prozesse von Agile lieferten eine starke und willkommene Grundlage - allerdings sollten Unternehmen ihre Agile-Teams wann immer möglich auch mit unterstützenden Tools ausstatten: "Solche Produkte und Services sind unerlässlich, damit sich die Teams auf den Kundennutzen und das Feedback konzentrieren können", ist To überzeugt und empfiehlt auch den Einsatz von Automatisierung, um die Bereitstellung von Qualitätssoftware zu rationalisieren.

7. Schwaches Engagement

Pseudo-Agile-Initiativen sind häufig auf einen Mangel an organisatorischer Unterstützung zurückzuführen. Schwaches Engagement kann sich in mangelndem Verständnis, fehlendem oder zögerlichem Support der Geschäftsleitung äußern - oft nur mit dem Ziel, Zeit und Geld zu sparen.

Laut Gregory Lenzo, CFO beim Finanzdienstleister IBR, könnten auch mangelnde Kollaboration, schlechtes Kundenengagement und ein Fokus der auf Prozessen statt auf Ergebnissen liegt, in ein agiles Lügengebäude führen. Komme es dazu, sollten CIOs nach Meinung von Lenzo zunächst versuchen, die Ursache des Problems zu identifizieren. Sobald das geschehen sei, könne der CIO entsprechende Maßnahmen ergreifen: "Dazu kann gehören, die Mitarbeiter über agile Techniken aufzuklären, die Geschäftsleitung zum Mitmachen zu bewegen und die Bedeutung von Zusammenarbeit und Kundenengagement zu betonen", weiß der CFO. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.