SNI zieht sich aus dem CAD/CAM-Entwicklungsgeschaeft zurueck Straessle will mit Sigraph das weltweite Geschaeft ankurbeln

15.09.1995

STUTTGART (ue) - Mit der Uebernahme eines Grossteils der CAD/CAM- Aktivitaeten von der Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) avanciert die Straessle GmbH nach eigenen Angaben zum groessten deutschen Anbieter von Konstruktionssoftware. Die "Sigraph"- Produkte, die in den vergangenen 18 Monaten in einer von SNI und dem US-Hersteller SDRC gegruendeten Beteiligungsgesellschaft untergebracht waren, sollen die Stuttgarter im 2D-Bereich staerken. Ausserdem hofft man, mit den neu gewonnenen Kunden eine kritische Masse zu erreichen, die genuegend Potential fuer den Einstieg in den US-Markt hergibt.

Die Straessle-Geschaeftsfuehrung ist davon ueberzeugt, mit Sigraph eines der besten Produkte gekauft zu haben, die derzeit am 2D- Markt existieren. Was unter SNI-Aegide bislang nicht ausreichend gelungen ist, wollen die Stuttgarter nun nachholen: dem Markt die Vorzuege des mittlerweile in Version 4.0 verfuegbaren Systems zu verdeutlichen. Argumente, die fuer Sigraph ins Feld gefuehrt werden, sind die intelligente Produktmodellierung in Form von relationalen, objektorientierten Methoden - Eigenschaften, die man sonst nur im 3D-Bereich von Volumenmodellierern her kennt. Gerade hierin sehen die Schwaben ihre Chance: In der allgemeinen 3D- Euphorie haetten es viele CAD/CAM-Hersteller versaeumt, die 2D-Tools weiterzuentwickeln, obwohl nach Einschaetzung der Experten immer noch 70 bis 80 Prozent der Konstrukteure auf 2D-Basis arbeiten.

Bislang nur ein moderates Wachstum

Der CAD-Zweig bei Straessle verzeichne zwar weiterhin ein Wachstum, mit grossen Spruengen sei angesichts der bisherigen Produktstrategie allerdings nicht zu rechnen gewesen, raeumt Geschaeftsfuehrer Wolfgang Dietrich ein. Mit Sigraph habe man sich ein 2D-Tool eingekauft, das sich sowohl fuer das Engineering am Einzelplatz als auch fuer die Integration in ein Gesamtkonzept eigne, so der Straessle-Chef.

Die SNI-Software hat waehrend der letzten eineinhalb Jahre eine bewegte Zeit hinter sich. Erst zur CeBIT 1994 kuendigte die Frankfurter Niederlassung des US-Anbieters Structural Dynamics Research Corp. (SDRC) ein Joint-venture mit SNI an, in dem beide Unternehmen Vertrieb, Support und Entwicklung ihrer CAx-Produkte buendeln wollten. Das Sigraph-Entwicklungsteam wechselte seinerzeit zur neu gegruendeten SDRC Software und Service GmbH, an der SDRC mit 51 Prozent der Anteile die Mehrheit hielt.

Aus dieser Gesellschaft will sich SNI nun vollstaendig zurueckziehen. Das von den Muenchnern mit SDRC beziehungsweise Straessle ausgehandelte Konstrukt sieht vor, dass die Stuttgarter die Exklusivrechte am Sourcecode von "Sigraph NC" fuer die Maschinensteuerung und an den aelteren SNI-Produkten "Sigraph-CAD 2D" und "3D" erhalten. Nicht exklusiv sind dagegen die von Straessle uebernommenen Rechte an der 2D-Software "Sigraph-Design". Funktionen aus diesem Programm werden weiterhin auch von SDRC unter der Bezeichnung "Variant Engineering" zur Anpassung an den hauseigenen 3D-Modeller der "I-Deas Master Series" verwendet. Das Modul fuer Elektrotechnik "Sigraph ET" geht aus der Beteiligungsgesellschaft in den Bereich Anlagentechnik ANL der Siemens AG ueber.

Zu den Gruenden, weshalb SNI aus der Partnerschaft mit SDRC ausgestiegen ist, gab es bis Redaktionsschluss keine offizielle Stellungnahme. Ein offenes Geheimnis unter CAD/CAM-Insidern ist jedoch, dass SDRC im vergangenen Jahr technische Schwierigkeiten mit der eigenen Produktreihe I-Deas hatte. Hinzu kamen Veraenderungen im amerikanischen Management, so dass die deutsche Kooperation von der US-Firma nur mehr als Nebenschauplatz wahrgenommen wurde. Fuer SNI scheint es daher die bessere Loesung zu sein, das weitere Schicksal der Produktreihe in die Haende von Straessle zu legen.

Bei den Stuttgartern soll Sigraph-Design unter dem Namen "Object D" weiterentwickelt und vermarktet werden. Die bislang in der Straessle-Produktpalette gefuehrte 2D-Konstruktionssoftware Object D wird eingestellt und von Sigraph-Design abgeloest. Man haette am eigenen Object D noch einige Zeit arbeiten muessen, um die Funktionsreife von Sigraph-Design zu erreichen, begruendet Straessle die Uebernahme.

Integration in CAD/CAM und PPS

Das neue Object D wird kuenftig als Stand-alone-Produkt oder als Teil von Gesamtloesungen angeboten. Die Integration in das 3D- CAD/CAM-System "Konsys 2000" von Straessle soll voraussichtlich bis zum Jahreswechsel abgeschlossen sein, eine bidirektionale Assoziativitaet wird es auch zum PPS-Paket "PSK 2000" des Herstellers geben.

Mit den durch Sigraph hinzugewonnenen Kunden betreut Straessle im CAD/CAM-Bereich rund 2400 Firmen und knapp 10000 Arbeitsplaetze. Daraus ergibt sich ein Marktanteil von 16 Prozent in Deutschland. Vor diesem Hintergrund will man ueberregional expandieren und den Schritt auch nach Amerika wagen. Im November werden die Stuttgarter auf der Industriemesse "Autofact" in Chikago ausstellen und dort Details zu ihren US-Aktivitaeten, einem Mix aus Kooperationen und Direktvertrieb, bekanntgeben.