Neue Entwicklungsumgebung mit OOP-Technologie

SNI setzt große Hoffnungen in Esprit-Projekt "Ithaca"

06.09.1991

BERLIN (CW) - An den Beginn des Binnenmarktes knüpfen die Software-Experten von Siemens-Nixdorf (SNI) hohe Erwartungen: Im Rahmen eines Esprit-Projektes arbeitet der deutsche Großkonzern gemeinsam mit fünf weiteren europäischen Unternehmen, darunter der französischen Bull-Gruppe, an einer objektorientierten Anwendungsentwicklungs-Plattform für PC-Unix-Umgebungen.

Bereits seit zweieinhalb Jahren beschäftigen sich insgesamt 104 Projektteilnehmer mit "Ithaca", einem Werkzeugkasten für Programmierer, der pünktlich zum Jahresbeginn 1993 fertiggestellt sein soll.

Der Projektname steht für "Integrated Toolkit for Highly Advanced Computer Applications". Geschaffen werden soll ein Basisprodukt, mit dem sich schnell und preiswert kommerzielle Anwendungssoftware für SCO-Unix-Umgebungen entwickeln läßt.

Das Projekt sei auf den Markt für mittlere und große Informationssysteme zugeschnitten, erläutert SNI-Mitarbeiter Stephen McMahon, der in der Projektleitung vertreten ist. Jedes der beteiligten Unternehmen könne seine Produktstrategie in Zukunft an der entwickelten Technologie ausrichten.

"Wenn das Projekt zu Ende geht, dann können die beteiligten Unternehmen mit den Ergebnissen machen, was sie wollen."

Neben dem federführenden Siemens-Nixdorf-Konzern, der allein knapp 40 Mitarbeiter stellt, und der Gruppe Bull sind an dem EG-Projekt die italienische Datamont S.p.A., das spanische Softwarehaus Tao S.A., das griechische Unternehmen Forth und das Centre Universitaire d'Informatique der Universität Genf beteiligt. Diese sechs Unternehmen tragen die Kosten gemeinsam zu 50 Prozent, die andere Hälfte des Entwicklungsetats steuert die EG bei. Der Aufwand beläuft sich laut McMahon auf jährlich 5,5 Millionen ECU.

Die Ithaca-Workbench soll aus vier Komponenten bestehen: einem objektorientierten Systemkern, einer ebenfalls objektorientierten Software-Informationsbasis, einer Werkzeugumgebung für den Endbenutzer und verschiedenen kommerziellen Musteranwendungen für den Testeinsatz. Der Systemkern wird fast ausschließlich bei Siemens-Nixdorf entwickelt.

Er basiert auf der "persistenten" objektorientierten Programmiersprache "Cool", einem integrierten und - nach SNI-Angaben - "strukturell objektorientierten" Datenbanksystem mit der Bezeichnung "Noodle" sowie einer zugehörigen Laufzeitumgebung. Als besonders innovativ bezeichnet SNI das Konzept der Persistenz: Objekte könnten erstmals dauerhaft gespeichert werden - eine Eigenschaft, die mit den herkömmlichen objektorientierten Sprachen nicht zu realisieren sei. Andererseits sei der Kern sowohl mit den derzeit verfügbaren objektorientierten Sprachen als auch mit prozeduralen Sprachen Ó la C und Cobol zu integrieren.

In der Software-Informationsbasis werden Informationen als "generischer Applikationsrahmen" abgelegt und bei Bedarf mit einem Selektionswerkzeug interaktiv ausgewählt. Der Rahmen enthält laut SNI eine Art Gebrauchsanweisung, nach der eine bestimmte Anwendung geformt werden kann.