Neue DV-Marschroute bei Löwenbräu entfacht kontroverse Diskussion:

Skepsis über Unix-Alleingang des Vorstands

31.07.1987

CW-Bericht, Wolfgang Merkert

MÜNCHEN- Einen Meinungsstreit bei Anwendern und Beratern hat die jüngst getroffene DV-Entscheidung des Vorstandsvorsitzenden der Münchner Löwenbräu, Paul Greineder, ausgelöst (CW Nr. 30 vom 24. Juli 1987, Seite 1). Aus Kostengründen warf der oberste Bierbrauer die über Jahre angeschafften Installationen seines DV/Org.-Leiters über Bord und verpaßte der unternehmenseigenen Datenverarbeitung eine Radikalkur. Jetzt erhitzen sich die Gemüter.

"Wenn es ein Vorstand bislang seinem DV-Leiter überlassen hat, welche Software zur Organisation des gesamten Unternehmens eingekauft wird - dann war das schon immer falsch", kommentiert Norbert Küster, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V., Bonn. "Denn damit entscheidet der DV-Profi gleichzeitig über die Position des Vorstands."

Einen Trend im Hinblick auf die Managementmethoden der neunziger Jahre kann Küster aus dem Münchner Spektakel zwar nicht erkennen, aber, so orakelt der BDU-Vertreter: "Ich wäre nicht verwundert, wenn es einer würde." Seiner Meinung nach hat sich nämlich in den Chefetagen das Verständnis für die Datenverarbeitung inzwischen grundlegend gewandelt.

Stand bisher noch bei vielen Unternehmen die Hardware im Vordergrund, so werde heute ein komplexes DV-Vorhaben zunehmend über die Problemlösung und damit in erster Linie über Software entschieden. Küster: "Solche Programme enthalten oft in mathematische Formeln gegossene Organisationsstrukturen oder Verwaltungsabläufe des Unternehmens. Das erkennen die Vorstände und ziehen die Sache an sich."

Nicht in die Kategorie der spezifischen DV-Probleme, sondern in den Bereich Mißmanagement gehört das Löwenbräu-Beispiel nach Ansicht von Johannes Puhl, Vorstandsmitglied der Kapitalbeteiligungsgesellschaft der deutschen Versicherungswirtschaft AG, Düsseldorf, und Vorsitzender der Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung (GEFIU). Jede schwierige Investitionsentscheidung - und dazu zähle die DV mit Sicherheit - müsse von Anfang an von Management so intensiv begleitet werden, daß es nicht zum Eklat kommen könne. Schmunzelt Puhl: "Dann kann auch später keiner kommen und sagen, jetzt machen wir alles anders."

So liegt denn auch für Unternehmensberater Ulrich Keppel, Mitglied der Münchner Werbegruppe Nymphenburg, in solchen Fällen die Wurzel allen Übels auf der Hand: "Es ist wahrscheinlich das größte Problem, daß Altentscheidungen nie grundsätzlich in Frage gestellt worden sind, sondern unter den besten gegebenen Möglichkeiten weiterverwaltet wurden." Der Grund dafür sei nicht selten in einer Dreier-Kombination aus Mißmanagement, mangelndem Projekt-Know-how und einem herstellerpolitischen Aspekt zu suchen. Dann werde, so Keppel, die Datenverarbeitung in vielen Unternehmen in einer Dimension die betrieben, in der die Verantwortlichen nicht mehr erkennen, daß sich der Markt geändert und bereits andere Lösungen zu bieten habe.

Dagegen sind für Willi Erich, Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung Entitec GmbH, "einsame Vorstandsentscheidungen über den DV-Bereich" schon seit längerem keine Einzelfälle mehr: "Hier bahnt sich ein gefährlicher Trend an - vor allem dadurch, daß auf Vorstandsebene viele Manager der verlockenden Kostenreduzierung durch Einsparen von DV-Personal nur schwer widerstehen können." Keine Konsequenzen haben solche Maßnahmen nach Ansicht des Hamburgers bei den "Butter-und-Brot-Anwendungen" wie Buchhaltung oder Lohn- und Gehaltsabrechnung. Jedoch führe der Abbau von eigenen Fachleuten im Unternehmen beispielsweise bei der Installation eines neuen Vertriebssystem schon bald zu horrenden Kosten, da nun die DV bei den täglich anfallenden Änderungen auf externe Hilfe angewiesen sei. Frotzelt der Unternehmensberater: "Aber vielleicht haben wir gestandenen DV-Leute ja alle unrecht."

So setzt Hans-Joachim Rohrlach, Mitglied der Geschäftsführung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, bei allen Vorhaben seit Jahren auf die nach seiner Ansicht einzig vernünftige Alternative. "Bei uns fallen Entscheidungen nur in Teamarbeit - alles andere wäre zu unsicher." Jede geplante Veränderung wird deshalb zwischen Programmausschuß, Personalrat, Projektmanagement und gegebenenfalls dem Hersteller diskutiert und abgesegnet. Resümiert der BfA-Direktor: "Bei einer einsamen Entscheidung im DV-Bereich, die zur Folge hätte, daß auch nur drei Wochen die Rentenauszahlung ins Stocken käme, müßte ich sofort meinen Hut nehmen."