Schwarze Kassen, Bestechung und Co.

Sippenhaft in der Chefetage?

12.11.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Schwarze Kassen, Bestechung und Co.

In der Praxis sind diese Art von Fallgestaltungen häufig und treten oftmals dann auf, wenn ein (neuer) Geschäftsführer, Vorstand oder sonstiges Gremiumsmitglied erstmals zufällig oder infolge einer bereits bestehenden Krisensituation mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten - z. B. durch Kenntnisnahme von schwarzen Kassen, Schwarzlohnabreden, Umweltverstößen, Bestechungshandlungen o. ä. - konfrontiert wird. Regelmäßig versucht der betroffene Geschäftsführer der Gefahr einer eigenen Strafbarkeit durch Unterlassen der gebotenen Handlung mit dem Argument entgegenzutreten, dass nach der internen Geschäftsverteilung nicht er für das von dem Misstand betroffene Ressort zuständig sei, sondern ein anderer Kollege der Geschäftsführung. In strafrechtlicher Hinsicht wird dieses Argument in aller Regel scheitern!

Aus § 35 Abs. 1 und 2 GmbHG folgt die grundsätzliche Generalverantwortung und Allzuständigkeit des Geschäftsführers. Bei mehreren Geschäftsführern trifft grundsätzlich jeden und zunächst unabhängig von der internen Aufgabenverteilung die Verantwortung für die Beachtung und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben Sorge zu tragen. Unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit ist eine Ressortverteilung oder interne Arbeitsaufteilung von mehreren Geschäftsführern aufgrund des Gesellschaftsvertrages in strafrechtlicher Hinsicht daher zunächst irrelevant. Die Geschäftsverteilung führt nämlich nicht zu einer Befreiung der strafrechtlichen Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers.

Die Geschäftsverteilung wirkt auch in strafrechtlicher Hinsicht nur insoweit, als sich die generelle Sorgfaltspflicht für alle Geschäftsführermaßnahmen in eine Aufsichtspflicht gegenüber den anderen Geschäftsführungsmitgliedern umwandelt. Da eine Geschäftsverteilung auf gegenseitigem Vertrauen der Geschäftsführer beruht, genügt der jeweilige Geschäftsführer in der Regel dann seiner allgemeinen Aufsichtspflicht, wenn er sich auf den Gesellschaftssitzungen hinreichend über die anderen Ressorts informiert. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn für einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer der Verdacht bestehen musste, dass die Geschäfte des anderen Geschäftsführers nicht ordnungsgemäß geführt werden.