LegalTech-BGH-Urteil

Sind Vertragsgeneratoren legal?

15.09.2021
Von   , Niccolo Langenheim und
Dr. Michael Rath ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologie-Recht und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Zudem ist er Certified ISO/IEC 27001 Lead Auditor. Seine Beratungsschwerpunkte sind das IT-Recht, Datenschutzrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz. Dr. Michael Rath ist u.a. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. (DGRI) und akkreditierter Schlichter für IT-Streitigkeiten bei der Schlichtungsstelle der DGRI.
Günter Krieglstein ist Diplom-Ingenieur bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit Sitz in Köln. Er ist zuständig für die Themen Innovation & Digitale Geschäftsmodelle, Legal Operations, LegalTech und StartUp Kooperationen.
LegalTech bietet zum Beispiel per Vertragsgenerator die Möglichkeit, (standardisierte) Verträge automatisch zu erstellen. Ein BGH-Urteil klärt nun, ob solche Angebote ohne Anwalt legal sind.
Vertragsgeneratoren bieten an, Standardverträge ohne Anwalt aufzusetzen.
Vertragsgeneratoren bieten an, Standardverträge ohne Anwalt aufzusetzen.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

Vertragsgeneratoren wie Smartlaw arbeiten mit verschiedenen Eingabemasken, in denen der Nutzer Fragen zu seinen spezifischen Anliegen beantwortet. Die Fragen, mögliche Kombinationen, sowie die sich daraus ergebenden Formulierungen in Verträgen wurden im Vorfeld durch den Anbieter zusammengestellt und in die Logik des Generators implementiert. Am Ende des Dialogs setzt der Generator anhand der Antworten des Nutzers Dokumente wie Miet- oder Kaufverträge, Arbeitsverträge oder NDAs aus Textbausteinen zusammen. Die Schriftstücke stehen dann in Form von Microsoft-Word- oder PDF-Dokumenten zur Verfügung.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun in einem Urteil (BGH-Urteil v. 09.09.2021, Az. I ZR 113/20) entschieden, dass der Einsatz eines Vertragsgenerators, der automatisch individuelle Verträge erstellt, nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) verstößt. Demnach ist es keine unerlaubte Rechtsdienstleistung, Rechtsdokumente automatisiert über eine Software zu erstellen. Ein zugelassener Rechtsanwalt ist für den Betrieb eines solchen Vertragsgenerators ebenfalls nicht nötig. Wie argumentiert das Gericht und was bedeutet das für die Zukunft?

BGH-Urteil: Es geht um "konkrete Angelegenheiten"

Das Angebot des Vertragsgenerators wurde zunächst damit beworben, es sei "günstiger und schneller als der Anwalt" und biete "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität". Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hielt dies für irreführend und bekam vor Gericht Recht, so dass diese Werbung bereits rechtskräftig verboten wurde. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer ging weiter gegen den Einsatz des Smartlaw-Vertragsgenerators vor und beschuldigte den Anbieter, eine unzulässige Rechtsdienstleistung zu erbringen. Darunter versteht das Gesetz "jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert".

In dem Urteil des BGH ging es somit vordergründig um die Frage, ob der Einsatz des Vertragsgenerators nach dieser Definition eine Rechtsdienstleistung ist. Der entscheidende Punkt dabei war, ob der Anbieter für die Nutzer des Generators wirklich "in konkreten Angelegenheiten" tätig wird. Obwohl die Rechtsanwaltskammer vor dem Landgericht Köln zunächst Recht bekam, entschied sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Köln als auch nun der BGH, dass keine unzulässige Rechtsdienstleistung vorliegt. Bereits im Vorhinein führte der BGH an, dass der Vertragsgenerator ähnlich wie Formular-Handbücher mit Textbausteinen zu bewerten sei, welche gang und gäbe seien. Auch der Generator erzeuge standardisierte Dokumente.

In seinem Urteil führte der BGH aus, dass der Anbieter mit dem Vertragsgenerator nicht in konkreten Angelegenheiten tätig werde. Denn zum einen wüssten die Kunden bei der Verwendung des Generators, dass dieser einen Rechtsanwalt nicht ersetze. Zum anderen können und werden "die über den üblichen Fall hinausgehenden individuellen Verhältnisse des Anwenders bei der Erstellung eines Vertragsdokuments nicht berücksichtigt".

Darüber hinaus laufe das Programm anhand eines vorbestimmten Musters ab und füge einen Sachverhalt lediglich in ein vorgegebenes Raster ein. Eine Einzelfallprüfung, wie § 2 Abs. 1 RDG sie fordert, finde daher nicht statt.

Smartlaw-Urteil: Die Konsequenzen

Das Urteil des BGH eröffnet nun verschiedenen Parteien neue Möglichkeiten, Verbrauchern und Unternehmen im Einzelfall flexibel und schnell zu helfen. So werden neue Anbieter in den Markt eintreten und Lösungen bei standardisierbaren Fragestellungen durch vorkonfigurierte Ablauflogiken anbieten.

Aber auch für innovative Kanzleien ergeben sich neue Geschäftsmodelle, die sich vom klassischen Stunden-Abrechnungsmodell unterscheiden und eine Ergänzung zur individuellen Einzelfallberatung darstellen können. Spannend wird es bei der Kombination von beiden Modellen, die zu neuen Formen der Zusammenarbeit führen kann, um den individuellen Interessen der Parteien eines Vertrages gerecht zu werden. Mit seinem Urteil hat der BGH einen spannenden Innovationsprozess in der Rechtsbranche eröffnet. (jd)