Mangel an betriebswirtschaftlichem Überblick

Sind Techniker wirklich schlechte Manager?

11.10.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Flexibel auf Personen und Situationen reagieren

Dies zu akzeptieren, fällt vielen Ingenieuren, die eine Führungsfunktion übernehmen, anfangs schwer. Denn sie sind nicht ausreichend für die Vielschichtigkeit menschlichen Handelns sensibilisiert. Deshalb gelingt es ihnen oft nicht, einen situativen Führungsstil zu praktizieren, bei dem sie einerseits adäquat auf die jeweilige Situation und Person reagieren und andererseits ihren persönlichen Führungsstil bewahren; des Weiteren die Unternehmens- und Bereichsziele ausreichend berücksichtigen. Häufig zeigen sie aus Unsicherheit einen widersprüchlichen Führungsstil, weil ihnen das Gespür für Situationen und Personen fehlt. Oder umgekehrt: Sie halten starr an einem Verhaltensmuster fest, obwohl die Situation eine andere Reaktion erfordern würde.

Beiden Fallen können junge Führungskräfte durch eine gezielte Vorbereitung auf ihre neue Funktion entgehen. Zum einen indem sie sich das nötige Wissen über bewährte Führungsinstrumente aneignen - denn nur, wer ein Instrument kennt, kann es nutzen. Dies allein genügt aber nicht. Vielmehr müssen die jungen Führungskräfte auch den Einsatz der Führungsinstrumente trainieren. Nicht an fiktiven Fallbeispielen, sondern anhand realer Beispiele aus ihrem (künftigen) Führungsalltag.

Die jungen Ingenieure sollten von den Unternehmen zudem allmählich an die Übernahme von Führungsfunktionen herangeführt werden - zum Beispiel, indem sie ihnen zunächst die Leitung von Projekt- oder Arbeitsteams überträgt. So ist ein allmähliches Lernen von Führung möglich. Zudem sollten die Unternehmen ihre jungen Führungskräfte nach der Übernahme ihrer Position begleiten. Hierfür gibt es viele Möglichkeiten. Zum Beispiel können den jungen Führungskräften Coachs oder Mentoren zur Seite gestellt werden, mit denen sie über Führungsprobleme und Probleme beim Wahrnehmen der neuen Rolle sprechen können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen Förderkreis (nicht nur für künftige, sondern auch) für junge Führungskräfte im Unternehmen zu etablieren, in dem Probleme, die sich im Führungsalltag ergeben, erörtert werden.

Wichtig ist aber auch der Aufbau einer Unternehmenskultur, in der es kein Manko ist, im Kollegenkreis offen zu gestehen "Ich habe beim Führen meiner Truppe ..." oder ... meines Mitarbeiters ein Problem". Eine solche Kultur existiert in sehr vielen Unternehmen nicht. In den meisten Betrieben können Führungskräfte, wenn sie zusammensitzen, zwar jederzeit zu ihren Kollegen sagen "Ich habe ein technisches ..." oder "... juristisches Problem". Tabu ist es aber, dass eine Führungskraft sagt "Ich komme mit meinem Mitarbeiter x nicht klar". Mit solchen Problemen lassen die Unternehmen (nicht nur) ihre jungen Führungskräfte meist allein.

Kontakt:

Der Autor Stefan Bald ist Geschäftsführer in der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Tel.: 07251 989034; E-Mail: s.bald@kraus-und-partner.de, Internet: www.kraus-und-partner.de