Oberstes Finanzgericht zieht Grenzen neu

Sind IT-Selbständige steuerlich Freiberufler?

07.01.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Umsetzung in der Praxis - Finanzämter

Finanzämter die mit Verfahren dieser Art und damit auch mit diesen Urteilen zu tun haben, setzen diese aus meiner bisherigen Erfahrung sehr unterschiedlich um. Manche Finanzämter lassen sich durchaus von den oben genannten Urteilen beeindrucken. Sofern die Tätigkeit des Selbständigen detailliert und plausibel dargelegt und gegebenenfalls mit entsprechenden Dokumenten belegt ist, steigen sie nicht mehr sehr intensiv in die Prüfung des vergleichbaren Wissens ein, vorausgesetzt, auch hierzu wurde vom Selbstständigen oder seinem Rechtsbeistand entsprechend ausführlich und nachvollziehbar vorgetragen.

Andere Finanzämter hingegen prüfen die Tätigkeit nur noch sehr oberflächlich, konzentrieren sich aber umso mehr auf den Aspekt der Kenntnisse des Selbständigen. Da hier - wie oben bereits dargelegt - die neuen Urteile keine Änderung mit sich bringen, gilt die bisherige Rechtsprechung, nach der der Selbstständige das einem Diplom-Ingenieur bzw. Diplom-Informatiker (FH) vergleichbare Wissen nachweisen muss. Hier kommt es durch die neuen Urteile sogar insofern zu einer Verschlechterung der Situation, da das Finanzamt den Wissensnachweis intensiver als bislang prüft.

Einige Finanzämter versuchen sich zudem in einer ausgesprochen individuellen Interpretation der Urteile, um diese auf den Einzelfall nicht anwenden zu müssen. So versuchte beispielsweise ein Finanzamt aus den Urteilen einzelne Aspekte der Tätigkeit für entscheidungserheblich zu definieren. Es machte die Freiberuflichkeit u.a. davon abhängig, dass selbstentwickelte Hilfs- und Dienstprogramme eingesetzt werden und dass der Selbstständige die der Softwareanpassung auf Eigenentwicklungen zurückgreifen muss. Hier handelt es ich eindeutig um absolute Überinterpretationen der Urteile des BFH, die am eigentlichen Gehalt der Entscheidungen vorbeigehen.