Spielerisches Lernen besser als Vorträge

Simulationsspiele helfen bei Änderungen im Fertigungsablauf

27.09.1991

Keine leichte Angelegenheit ist die Umstellung der Produktionslogistik nach den Prinzipien des Just-In-Time-Konzepts. Entsprechende Simulationsspiele aber können hierbei den beteiligten Mitarbeitern von großem Nutzen sein. Sie ermöglichen nicht nur das "Ausprobieren" verschiedener Situationen, sondern verdeutlichen auch die Zusammenhänge, Effekte und Ergebnisse von Änderungen in der Produktion.

Die Änderung der Logistik-Abläufe stellt an die Beteiligten auf allen Ebenen im Unternehmen erhebliche Anforderungen an die Fähigkeit sowie die Bereitschaft mitzudenken und aktiv an den notwendigen Veränderungen mitzuwirken. Dies gilt insbesondere, wenn in einem Produktionsbetrieb die Organisation der Fertigungssteuerung nach den Grundsätzen des Just-In-Time-Konzeptes umgestaltet werden soll. Das Fertigungsmanagement, die Auftrags- und Materialdisponenten wie auch die Mitarbeiter in der Werkstatt brauchen eine fundierte Einsicht in die Grundlagen des Konzeptes und die Wirkungsweise der eingesetzten Methoden und Techniken, um ihr Potential zur Problemlösung im rauhen Alltag wirkungsvoll einzusetzen.

Lernerfolg läßt sich durch mehr oder weniger anschauliche Vorträge vermutlich nicht in dem Maße erzielen, wie es spielerisches, aktives Tun in einer streßfreien Umgebung vermag. Origin bietet deshalb einige Spiele an, mit denen im Rahmen eines Workshops in einer modellhaft vereinfachten Fabriksituation unter Verwendung von Lego- und Duplo**-Bausteinen typische Situationen in einer Fabrik durchgespielt werden und die Teilnehmer dann über Probleme, deren Ursachen und die Möglichkeiten zu deren Überwindung diskutieren.

Der Teilnehmer an den Simulationsspielen "Just-In-Time-Produktion und -Beschaffung" soll erkennen, welche Abhängigkeiten zwischen einer Reihe variabler Größen bestehen, die den Güterstrom in einem Fertigungsunternehmen wesentlich bestimmen. Er soll beurteilen können, welche Konsequenzen Veränderungen dieser Größen und organisatorische Maßnahmen insbesondere auf die Vorratshöhe in der Fertigung und auf die Fertigungsdurchlaufzeit haben können.

Durch das Erleben im Spiel und die Diskussion in der Spielgruppe soll der Teilnehmer den gedanklichen Schritt von der modellhaften Vereinfachung des Spiels zur komplexen Wirklichkeit vollziehen und konkrete Verbesserungsmaßnahmen entwerfen und planen können. Just-In-Time-(JIT-)Simulationsspiele machen die Prinzipien des "Just-In-Time"-Konzeptes, soweit sie in der Beschaffung und der Produktion wirksam werden können, auf sehr anschauliche Weise deutlich. Sie wurden für den Einsatz in Veranstaltungen mit Führungskräften, Meistern und anderen Mitarbeitern der Fertigung entworfen.

Die JIT-Spiele beziehen sich vor allem auf den Produktionsprozeß, sind aber auch in den übrigen, mit der Fertigung verbundenen Bereichen, wie Beschaffung, Disposition, Mechanisierung, Entwicklung und kommerziellen Abteilungen bedeutsam.

Die Spiele benutzen Lego- und Duplo-Bausteine zur Veranschaulichung des Fertigungsablaufes und der Produkte. Die Teilnehmer nehmen aktiv verschiedene Rollen wahr, die in einem Fertigungsablauf typischerweise vorkommen, und bewerkstelligen den Fluß des Materials und der Halbfabrikate über die vier Arbeitsstationen. Dadurch lernen sie etwas über Problemlösungsansätze im Zusammenhang mit

- Qualität,

- Produktstrukturen,

- Bearbeitungsreihenfolgen,

- Zeiten,

- Logistik etc.

Die Just-In-Time-Spiele demonstrieren die Zusammenhänge verschiedener Parameter, die in der Produktion wirksam sind. Die Auswirkung der Veränderung dieser variablen Größen

- Fabriklayout, Durchlaufzeiten, Losgrößen, Grad der Gleichteileverwendung und Vorratshöhe - wird aufgezeigt, indem phasenweise der Spielaufbau neu arrangiert wird. Die Teilnehmer sind dadurch in der Lage, eine Beziehung zwischen ihrer realen Situation und dem, was sie im Spiel erleben, herzustellen.

Durch das Ausprobieren verschiedener Situationen erleben die Teilnehmer die Zusammenhänge, Effekte und Ergebnisse von Änderungen in der Produktion. Sie können dies in ihre eigene Erfahrungswelt übersetzen und gewinnen dadurch tiefere Einsichten in die Ursachen von Verzögerungen und, was noch wichtiger ist, über die Möglichkeiten, den Fertigungsprozeß noch flexibler zu gestalten. Die günstigste Teilnehmerzahl für die JIT-Spiele beträgt 12 bis 18. Die Teilnehmer wechseln im Spielverlauf mehrfach ihre Rollen. Die Spieldauer beträgt mindestens einen Tag, jedoch ist eine Verlängerung um einen weiteren halben Tag für ergänzende Diskussionen und Vertiefung der behandelten Fragen ratsam.

Die erforderliche Ausrüstung besteht aus Spiel-Tafeln, Lego- und Duplo-Bausteinen, Stoppuhren, Fertigungsvorschriften sowie Produktions- und Transportkarten. In den Arbeitsstationen werden die verschiedenen Stufen des Produktionsprozesses simuliert. Die Produkte werden entsprechend den Angaben auf den Karten bewegt. In verschiedenen Stadien wird das Spiel zur Diskussion unterbrochen, deren Inhalt auf den Beobachtungen der Spieler beruht. Der Spielleiter moderiert die Diskussionen und führt schrittweise neue Spielelemente ein. Von den Spielern wird erwartet, daß sie Vorschläge machen und schließlich das Gelernte in ihre eigenen Abteilungen gedanklich übertragen.

Spiel 1 zeigt den Teilnehmern, welche Konsequenzen eintreten, wenn in einem Fertigungsablauf verschiedene Schritte unabhängig voneinander gesteuert werden. Es zeigt auch, welche beträchtlichen Verbesserungen mit einem integralen Steuerungsansatz erzielt werden können. Um die Effekte verschieden er Verbesserungen aufzuzeigen, ist der Ablauf in sechs Phasen aufgeteilt (siehe Abbildung 1).

Spiel 2 basiert auf der Anwendung der Kanban-Technik (Abrufverfahren unter Verwendung von Pendelkarten zur genauen Festlegung von Liefermenge und -zeitpunkt einer Ware zwischen Lieferanten und Verbraucher beziehungsweise zwischen zwei Kapazitätseinheiten einer Fertigung).

Ein wesentliches Element ist das Aufzeigen der Konsequenzen, die durch Umrüst-Engpässe entstehen und in diesem Zusammenhang das Aufzeigen der Funktion von Beständen als Speicherungsform von Kapazität.

Anschließend wird eine Möglichkeit aufgezeigt, nach einer Kostenanalyse die Bearbeitungsreihenfolgen zu optimieren und dadurch erhebliche logistische Vorteile zu erzielen. Den Abschluß bildet die Darstellung der kartengesteuerten Abwicklung einer Konstruktionsänderung (siehe Abbildung 2).

Spiel 3 basiert ebenfalls auf der Anwendung der Kanban-Technik. Auch hier werden die Konsequenzen, die durch Umrüst-Engpässe entstehen und die Funktion von Beständen als Speicherungsform von Kapazität aufgezeigt. Nachfolgend wird diskutiert, wie die Bearbeitungsreihenfolgen nach einer Analyse des Grades der Gleichteileverwendung (Commonality) im Produkt optimiert werden kann und dadurch erhebliche logistische Vorteile zu erzielen sind.

Die kartengesteuerte Abwicklung einer Konstruktionsänderung läßt sich auch hier zusätzlich durchspielen. Anschließend wird auf die Probleme hingewiesen, die aus einer nicht gleichmäßigen Kapazitätsbelastung in einem Fertigungsabschnitt entstehen. Zum Abschluß folgt die Diskussion über die logistischen Möglichkeiten die sich aus der Erhöhung der Commonality ergeben (siehe Abbildung 3).

Spiel 4 basiert in seiner Struktur auf dem ersten Spiel. Es ist insbesondere auf Mitarbeiter aus verschiedenen Fertigungsbereichen zugeschnitten. Daher wurden bestimmte Aspekte aus den oben beschriebenen Spielen mit anderen neuen Inhalten verknüpft.

Im Spiel 4 wird von den Spielern nicht erwartet, daß sie die Verbindung von der Spielsituation zu ihrer Fertigungsrealität selbst herstellen. Diese Aufgabe übernimmt der Spielleiter, der die Ergebnisse auch durch entsprechende Beispiele illustriert. Wie in den anderen Spielen erfolgt die Simulierung eines vierstufigen Produktionsprozesses. Es wird dabei in einer Workstation ein Qualitätsaspekt dergestalt eingebaut, daß dort zwei Möglichkeiten zur Montage eines Steins bestehen. Dies konfrontiert die Spieler recht deutlich mit der Bedeutung korrekter und vollständiger Arbeitsunterlagen.

Besonders untersucht werden unterschiedliche Layouts sowie Aspekte mangelnder kapazitativer Abstimmung zwischen den einzelnen Workstations. Die Spieler sollen hierzu Vorschläge erarbeiten und die verschiedenen Wirkungsweisen paralleler beziehungsweise serieller Vergrößerung des Kapazitätsquerschnitts erfahren.

Wie in den anderen Spielen erfolgt während des gesamten Spielverlaufs in allen Phasen die Messung und Beurteilung von Performance-Indikatoren wie Durchlaufzeiten, Work in Process und Lieferzuverlässigkeit. Außerdem wird die Bedeutung einer flexiblen Fertigung genauso herausgearbeitet wie die Vorteile einer systematischen Losgrößenverringerung und die Auswirkungen von Materialproblemen (siehe Abbildung 4).