IT im Bauwesen/Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Simulationsprogramme machen die Entscheidungen besser

22.11.1996

Die Anforderungen an zukunftssichere Bürogebäude sind vielschichtig und erstrecken sich vom Wunsch nach thermischer, visueller und akustischer Behaglichkeit, gesunden Arbeitsplatzbedingungen, niedrigem Energieverbrauch, geringer Umweltbelastung bei Herstellung und Betrieb bis zur Wirtschaftlichkeit.

Die Forderung des Nutzers nach größtmöglicher Qualität und höchster Wirtschaftlichkeit kann dabei nur durch Kenntnis der vielfältigen Zusammenhänge zwischen Architektur, Bauphysik, Anlagentechnik und deren Einfluß auf die Umwelt erfüllt werden.

An dieser Schnittstelle setzt die integrale Planung mit der ganzheitlichen Betrachtung von Ge- bäude und Anlagentechnik an. Erst nach Ausschöpfung aller passiven Maßnahmen wie der Ausnutzung der Gebäudespeichermassen, optimierten Sonnenschutz- und Fassadensystemen, Tageslichtnutzung und Nachtkühlung werden additive technische Systeme empfohlen, deren Einsatz schrittweise bis zum projektbezogenen Optimum erfolgen kann. So werden Lösungen entwickelt, die bei hohem Komfort kostengünstiger sind als die Summe additiver Einzelmaßnahmen.

Eine wichtige Rolle spielen dabei spezielle Werkzeuge in Form international evaluierter Simulationsprogramme zur Anlagen-, Gebäude- und Strömungssimulation sowie für Beschattungsuntersuchungen und Tageslichtnutzung.

Im folgenden wird an einigen ausgewählten Beispielen gezeigt, wie sich mit Simulationsberechnungen Wege für innovative Konzepte erarbeiten lassen.

Durch die ganzheitliche Betrachtung ergibt sich die Notwendigkeit, interdisziplinär denken und arbeiten zu müssen. Das früher oftmals praktizierte Vorgehen, daß der Technikingenieur bei gegebener Architektur und Bauphysik das Gebäude "irgendwie" zum Funktionieren bringen mußte, führte nur in den seltensten Fällen zum Erfolg.

Das Ergebnis waren oftmals Häuser, bei denen architektonische und bauphysikalische Schwächen durch Technikeinsatz repariert werden mußten. Das Raumklima war nur wenig zu beeinflussen, die Bewohner entsprechend unzufrieden. Durch Simulationsberechnungen wird es möglich, dem Nutzer zu zeigen, wie sein Gebäude später funktioniert und ob seine Erwartungen erfüllt werden.

Typische Nutzerwünsche sind unter anderem:

- Angenehme Raumlufttemperaturen,

- geringe Lärmbelästigung von außen,

- wenig Schadstoffe aus externen und internen Emissionsquellen,

- individuelle Raumklimabeeinflussung,

- geringer Energieverbrauch sowie

- umweltfreundliches Wohnen.

Bei der Realisierung integraler Planungsansätze kommt es sehr auf die Fassade als Gebäudehülle an. Ideal wären Fassadenkonstruktionen, die ihre physikalischen Eigenschaften den Wohnerwünschen anpassen, im Winter einen hohen Wärmeschutz übernehmen und die Solarwärmegewinne nutzbar machen und im Sommer das Gebäude vor unerwünschtem Solarwärmeeintrag schützen, um einen Anstieg der Raumlufttemperaturen zu vermeiden.

Ein früher Versuch, Fassaden anpaßbar zu machen, findet sich im L´institut du monde d´Arabe (Architekt Nouvel et al.), ein technisch zwar reizvolles, aber sicher nicht zur Nachahmung empfohlenes Beispiel für eine nicht ausreichende Planung.

Heute bilden doppelschalige Fassaden gute Voraussetzungen, die Fassade zu optimieren, indem sie

-einen hocheffektiven Sonnenschutz in einem witterungsgeschützten Spalt aufnehmen oder die Primärfassade selber als Sonnenschutz nutzen,

-Platz für Tageslichtlenksysteme bieten,

-akustische Abschirmung gewährleisten,

-Fensterlüftung auch an hohen Gebäuden ermöglichen sowie

-durch verschließbare Öffnungen einen effektiven winterlichen Wärmeschutz bieten.

Für ein Versicherungsgebäude in Düsseldorf wurde, um auch an der stark befahrenen und Lärm emittierenden Straße eine Fensterlüftung zu gewährleisten, DV-gestützt eine den komplexen Anforderungen entsprechende Doppelfassade realisiert.

Aufgrund von Simulationsberechnungen konnten die thermischen Verhältnisse im Raum prognostiziert und Empfehlungen für Glasart und Sonnenschutz ausgesprochen werden.

*Dr. Dieter Thiel ist Referatsleiter Systementwicklung bei der Schmidt, Reuter, Partner Ingenieurgesellschaft in Köln.