Startup-Oase Israel

Silicon Wadi: Wie Israel zur Oase für Hightech-Gründer wurde

13.03.2008
Dank einer Mischung aus eingewanderten Akademikern, Risikofreude und gezielter staatlicher Förderung wuchs in den 90er Jahren im "Silicon Wadi" die Basis für eine üppig gedeihende Startup-Szene heran.

Nicht wenige Besucher der ersten Gründerkonferenz DEMO Germany im Oktober 2007 waren darüber überrascht, dass Israel mit elf Teilnehmern die Mehrheit der Demonstrators bei dem Event stellte - und mit Fring auch noch den Preis für die beste Präsentation ("Demo-God") ergatterte. Dabei ist die blühende Startup-Szene ein wichtiger Faktor für den aktuellen und künftigen Wohlstand des Landes, die darauf basierende Hightech-Branche stellt den wichtigsten Industriezweig Israels dar. Wie aus offiziellen Statistiken hervorgeht, erwirtschaftete allein der ITK-Sektor, in dem mehr als 170 000 Menschen beschäftigt sind, im Jahr 2005 gut 14 Milliarden Dollar Umsatz, das entspricht etwa 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Angesichts des – vom Militär abgesehen - kleinen Binnenmarkts ist die ITK-Industrie gleichzeitig der bedeutendste Exportzweig. Dass neben der Quantität auch die Qualität stimmt, belegt nicht zuletzt die jüngste Liste der 500 am schnellsten wachsenden Technologiefirmen in Emea (Europa, Naher Osten und Afrika), die die Unternehmensberatung Deloitte im Herbst 2007 herausgegeben hat. Dabei wiesen nicht nur drei israelische Companies das stärkste Wachstum gegenüber dem Vorjahr auf, das Land konnte außerdem insgesamt 45 Unternehmen unter den Top 500 platzieren. Zum Vergleich: Deutschland mit einer mehr als zehnmal so großen Bevölkerung war mit gerade einmal 47 Firmen vertreten.

Von Jaffa zu Java

Die Anfänge der inzwischen schlagkräftigen Hightech-Industrie reichen bis in die Gründungsjahre Israels zurück. So richteten die Israel Defense Forces (IDF) bereits 1948 den Bereich Science Corps ein, der neben Waffen und Munition auch eine Vielfalt von elektrischen und elektronischen Geräten für den militärischen Bedarf entwickelte. Zur gleichen Zeit wurden auch mit dem Technion-Israel Institute of Technology in Haifa, dem Weizmann Institute of Science in Rehovot, der Hebrew Universität in Jerusalem und Universitäten in Haifa, Beer Sheba, Tel Aviv und Ramat Gan wichtige Bildungs- und Forschungsinstitute ins Leben gerufen. Die gute Ausbildung, verbunden mit einer attraktiven staatlichen Förderung lockte ausländische Firmen wie Intel, IBM, Microsoft, Cisco oder Motorola an, einen Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten nach Israel auszulagern. Entsprechend ist es wenig überraschend, dass zahlreiche wegweisende Entwicklungen ihren Ursprung in Israel haben. Dazu zählt die von Intel Israel hervorgebrachte Pentium-Technik - ebenso wie einheimische Innovationen, etwa der Flash-Speicher von M-Systems (inzwischen von Sandisk übernommen) oder Instant Messaging von ICQ (von AOL gekauft). Bei vielen Entwicklungen handelte es sich um ehemalige Militärtechnik, die später auch für zivile Zwecke umfunktioniert wurde. Gleichzeitig ergriffen viele IDF-Veteranen die Chance, sich nach dem Militärdienst mit einem eigenen Unternehmen selbständig zu machen. Prominentestes Beispiel ist Gil Shwed, der 1992 die IT-Spezialeinheit Mamram verlies und die inzwischen Milliarden Dollar schwere IT-Security-Company Check Point Software ins Leben rief.

Regierung stellt die Weichen

Entstanden bereits vorher einige starke ITK-Unternehmen in Israel, stellte die israelische Regierung Anfang der 1990er Jahre die Weichen für eine florierende Startup- und Venture-Capital-Szene. Auslöser war eine immense Immigrationswelle aus Russland nach dem Fall des eisernen Vorhangs, die Israels Bevölkerung innerhalb eines Jahrzehnts um 20 Prozent wachsen ließ. Das Besondere daran: 40 Prozent der Einwanderer waren Akademiker, darunter viele Wissenschaftler von Weltrang. Um dieses Potenzial auszunutzen, rief die israelische Regierung 1993 das Yozma-Programm ins Leben. In dessen Rahmen stellte die Regierung einen Grundstock von 100 Millionen Dollar bereit um anschließend in Zusammenarbeit mit führenden ausländischen Investoren zehn VC-Fonds mit je 20 bis 25 Millionen Dollar aufzulegen. Als besonderes Incentive hatten die ausländischen Risikokapitalgeber dabei die Option, innerhalb von fünf Jahren den 40-Prozent-Anteil der Regierung für einen zuvor festgelegten Betrag zu übernehmen. Zusätzlich durfte die Yozma-Gruppe einen Teil ihres Kapitals auch direkt in Firmen investieren.

Brutkästen für junge Firmen

Um das Engagement in technisch orientierte Firmen und Projekte weiter zu fördern, gab es Steuererleichterungen. Das Büro des leitenden Wissenschaftlers (Office of the Chief Scientist) stellte Fördermittel bereit und ordnete die Schaffung von technischen Inkubatoren an. In diesen insgesamt knapp 30 "Brutkästen" erhalten qualifizierte Startups Räumlichkeiten, Finanzmittel, professionelle Unterstützung und Amtshilfe – im Gegenzug wird das OCS an künftigen Lizenzerlösen beteiligt.

Yozma wurde ein voller Erfolg und bildete letztendlich die Grundlage für eine unabhängige VC-Industrie mit knapp 80 Fonds und über zehn Milliarden Dollar verwaltetem Kapital. Den Angaben der Israel Venture Association (IVA) zufolge fanden seit 1994 insgesamt 98 IPOs von israelischen IT- und TK-Firmen mit einem Gesamtvolumen von 4,6 Milliarden Dollar statt. Gleichzeitig wurden durch den Verkauf von 187 Hightech-Companies 33,3 Milliarden Dollar erlöst. Highlight war dabei die 4,5 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Mercury Interactive durch Hewlett-Packard im Jahr 2006.

Fokus auf schnelle Exits

Bei allen Erfolgen wird die Entwicklung jedoch nicht unkritisch gesehen. So wurde die israelische Startup- und VC-Branche in der Anfangsphase vorwiegend durch Premieren bestimmt: Entrepreneure, die das erste Unternehmen in die Welt setzten, sowie Fonds, die erstmals aufgelegt wurden. Dieser Umstand und der Fokus auf einen schnellen Exit führten dazu, dass viele Firmen unter Wert verkauft wurden oder zu früh an die Börse gingen. Vielen dieser Unternehmen gelang es daher nicht, ihr wahres Potenzial zu entfalten. Einige von ihnen verbuchten nach dem Börsengang einen raschen Einbruch ihrer Marktkapitalisierung, andere mussten ihr Geschäftsmodell ändern, und manche waren gezwungen, zu schließen oder ihr Geschäft ins Ausland zu verlagern. Nur wenige einheimische Companies wie Checkpoint, Amdocs oder Comverse schafften es, zu Global Playern aufzusteigen und diese Position beizubehalten. Hätten Gründer, Manager und Venture Capitalists mehr Geduld bewiesen und Zugang zu mehr Fördermitteln gehabt, so Kritiker, wäre es möglich gewesen, das Potenzial stärker auszureizen.

Dank der inzwischen vorhandenen Serial Entrepreneurs und der gereiften VC-Industrie hat sich das Bild mittlerweile etwas geändert: Wenngleich sich die Menge der Top-ITK-Konzerne seit 1998 nicht merklich erhöht hat, vergeht heute durchschnittlich rund 25 Prozent mehr Zeit zwischen der Gründung und dem ersten Exit eines Unternehmens. Wegen des Ziels, eine höhere Produkt- und Marktreife zu erzielen, erhalten israelisches Startups im Schnitt außerdem wesentlich mehr Finanzierung als früher. Das im Schnitt bezogene Kapital hat sich im Vergleich zu vor zehn Jahren von drei Millionen Dollar auf 16 Millionen Dollar mehr als verfünffacht.

Dollar-Schwäche belastet Startups

Doch es gibt neue Probleme: Wegen des sinkenden Dollar-Kurses - dieser ist im vergangenen Jahr um fast 20 Prozent gegenüber dem israelischen Shekel gefallen - steigen nicht nur die Kosten für US-Unternehmen, die einen Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Israel betreiben. Die Inflation betrifft auch einheimische Startups, da sie ihr Venture Capital in Dollar beziehen. Hatte ihnen dieser Umstand in früheren Zeiten noch in die Hände gespielt, müssen sie nun lernen, mit weniger Geld auszukommen, oder frisches Kapital auftreiben.

Aber nicht nur die Investments sind betroffen. Zeev Holtzman, Chairman des IVC Research Center und Gründer von Giza Venture Capital, geht davon aus, dass auch die Anzahl der Exits im laufenden Jahr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA abhängen wird. Eine mögliche Krise an der Nasdaq könnte weniger Börsengänge sowie niedrigere Bewertungen bedeuten und damit auch die Hightech-Industrie in Israel treffen. Was das Venture Capital betrifft, ist Holtzman jedoch zuversichtlich, dass das Niveau der vergangenen Jahre von 1,6 Milliarden Dollar auch 2008 erreicht werden wird. (mb)