Siggraph '95 Holografie ist der naechste Schritt in der 3D-Darstellung

15.09.1995

Animationssoftware und Virtual-Reality-Systeme praegten die diesjaehrige Siggraph, die im kalifornischen Los Angeles stattfand und weltweit zu den groessten Veranstaltungen fuer Computergrafik zaehlt. Ein Projektor zur Darstellung dreidimensionaler, dynamischer "Holografien" sorgte dabei fuer grosse Ueberraschung. Ueber die Highlights der Messe, zu der 40 000 Besucher kamen, berichtet Christian Bauer*.

Zwei Trends waren auf der Siggraph nicht zu uebersehen: Die Messe wird zusehends von den Bereichen Computeranimation und Virtual Reality gepraegt, wobei die Silicon Graphics Inc. mit ihrem Hard- und Softwareproduktspektrum allgegenwaertig zu sein schien. Die Zeiten, in denen VGA-Karten, Zeichen- und CAD-Programme interessierten, sind vorbei. Allerdings: Auch das hierzulande inzwischen inflationaer gebrauchte Schlagwort Multimedia war in Kalifornien wider Erwarten selten zu hoeren. Von den grossen PC- Herstellern liess sich mit Ausnahme von Apple niemand blicken.

Ein Hoehepunkt der Messe war die Praesentation der New Yorker Firma Dimensional Media Associates (DMA), die erstmals einen Projektor fuer dynamische, dreidimensionale "holografische" Darstellungen vorfuehrte. Das Produkt mit der Bezeichnung HDVD (High Definition Volumetric Display) projizierte dreidimensionale Objekte, die sich, animiert durch Silicon-Graphics-Worksta-tions, bewegten. Die Grafiken wurden vom Betrachter ohne technische Hilfsmittel "als im Raum schwebend" wahrgenommen, bislang waren dazu eine spezielle Ausruestung wie etwa Brillen oder Head-mounted-Displays noetig.

Die "holografische" Projektion bildet den naechsten logischen Schritt in der Darstellung von Computerinformationen und eroeffnet neue Moeglichkeiten in den Bereichen Design, Konstruktion, Unterhaltung und Praesentation. HDVD wurde bislang durch Gelder der Forschungsfoerderungs-Einrichtung ARPA (Advanced Research Projects Agency) des amerikanischen Department of Defense finanziert. Auf der Messe mutmassten Experten, dass DMA kurz vor der Uebernahme durch Silicon Graphics stehe.

Die Sense8 Corp. aus dem kalifornischen Mill Valley, einer der fuehrenden Hersteller von Virtual-Reality-Software, praesentierte "World Up", eine neues Produkt zur Erzeugung komplexer virtueller Welten. Aehnlich wie bei Microsofts Programmierumgebung "Visual Basic" lassen sich die Simulationen visuell per Mausklick erstellen. Kenntnisse wie die Bedienung eines C- oder C++- Compilers sind nicht notwendig. Eine Besonderheit von World Up: Parameter koennen waehrend einer Simulation geaendert werden, die entsprechenden Auswirkungen sind sofort sichtbar. Auf diese Weise lassen sich Problemloesungen iterativ erarbeiten - das umstaendliche Prozedere "Simulation abbrechen, Aenderungen vornehmen, Simulation neu starten" entfaellt.

Ein Anwendungsbeispiel sind die Produktionsstrassen eines Fertigungsunternehmens, fuer die man die Bewegungen der Roboter, den Materialfluss und die Zulieferung von Grundstoffen relativ einfach erstellen und simulieren kann. Wird ein Parameter wie die Geschwindigkeit des Fliessbands variiert, sind die Konsequenzen sofort ersichtlich. World Up folgt der "Open-VR"-Philosophie und uebernimmt Modelle aus allen gaengigen CAD- und Animationsprogrammen.

Der groesste Vorteil des Produkts liegt im Rapid Prototyping dynamischer Umgebungen. War die Erstellung eines Prototyps bislang mit verschiedenen Anlaufschwierigkeiten verbunden (komplexe Konfiguration der Entwicklungsumgebung, Definition der C- Parameter, erste Schritte mit dem C-Compiler), so kann man mit Hilfe des Tools nun unmittelbar zum Kern der Anwendung vorstossen. Als Zielgruppen sieht der Hersteller die Branchen Architektur, Produktionsautomatisierung, Ausbildung und Praesentation. World Up ist derzeit fuer Windows NT und SGI-Rechner verfuegbar, spaeter sollen auch andere Plattformen bedient werden.

Eine innovative Loesung zur Erstellung grafischer Datenbanken praesentierte die im kalifornischen San Jose ansaessige Firma Multigen Inc. mit dem noch in der Testphase befindlichen Produkt "Smart Model". Eine derartige Datenbank wird beispielsweise zur Herstellung von Flugsimulatoren verwendet und entspricht im Prinzip einer Sammlung vereinfachter dreidimensionaler CAD- Konstruktionen. Der Anwender arbeitet mit Data-Gloves der Fakespace Inc., einem VR4-Head-mounted-Display der Firma Virtual Research Inc. und auf Basis einer Silicon-Graphics-Onyx.

Wurde bislang der praktische Nutzen von immersiven Virtual- Reality-Systemen meist noch bezweifelt, so gelang Multigen auf der Siggraph mit dieser Praesentation ein eindrucksvoller Gegenbeweis. Laut Paul Mlyniec, Produkt-Manager von Smart Model, kann so die dreidimensionale Konstruktion von einem geuebten Anwender um den Faktor zehn bis 100 (in Ausnahmefaellen) gesteigert werden.

Die im Bereich 3D-Scanning (Jurassic Park und andere Hollywood- Produktionen) fuehrende Cyberware Inc. aus Monterey, Kalifornien, stellte erstmals einen Ganzkoerper-Scanner vor. Das Geraet basiert auf Laserabtastung und erfasst mittels drei beweglich angebrachten Scanner-Einheiten in zwoelf Sekunden eine menschliche Koerperform samt Farben der Kleidung. Die Produktfamilie "WB2" und "WB4" ist ab 290000 Dollar erhaeltlich.

Datenhelme immer noch sehr teuer

Silicon Graphics praesentierte die neue Indigo-Impact-Serie. Diese schnellen Grafik-Workstations liegen in einem Preisbereich von 35000 bis 70000 Dollar und sind in ihrer Leistung knapp unter der Onyx-Serie positioniert. Impact verwendet neue ASIC-Chips als Grafikbeschleuniger. Die "Reality Engine 3", das neue Grafikbeschleuniger-Flaggschiff von Silicon Graphics, soll ab Maerz oder April 1996 verfuegbar sein.

Ein im mittleren Leistungsbereich angesiedeltes Head-mounted- Display zeigte die Virtual Research Inc. aus dem kalifornischen Santa Clara mit "VR5". Der Helm arbeitet mit einer Aufloesung von 640 mal 480 Punkten und kostet 20000 Dollar.

* Christian Bauer ist unabhaengiger Berater fuer neue Medien in Innsbruck.