Mips-basierte Server werden bis 2008 gewartet

Siemens verspricht sanfte Migration auf IA 64

05.02.1999
MÜNCHEN (wh) - Obwohl die Zukunft der Risc-Prozessorplattform Mips ungewisser denn je ist, verspricht Siemens seinen Kunden, darauf basierende Rechnerlinien bis zum Jahr 2002 weiterzuentwickeln. Eine Übergangsfrist bis zum Jahr 2008 soll es Anwendern erleichtern, auf Intels IA-64-Architektur und das Sun-Betriebssystem Solaris zu migrieren.

Als Siemens-Nixdorf im Frühjahr 1998 ankündigte, seine Server-Linien mit Mips-Prozessoren auf Intels IA-64-Technik unter Suns Solaris umzustellen, reagierten etliche Anwender mit Verunsicherung. Kurz zuvor hatte Silicon Graphics (SGI) - bis dato Besitzer der Mips-Technik - erklärt, seine Kernkompetenzen künftig auf Intel-Plattformen zu verlagern. Die Chiptochter Mips Technologies Inc. sollte als eigenständiges Unternehmen an die Börse geführt werden. Im Januar 1999 verkündete SGI, keine Anteile mehr an dem 1992 erworbenen Hersteller halten zu wollen. Bis zum 30. September sollen 85 Prozent der Mips-Anteile verkauft sein. Wie lange die einst hochgelobte Risc-Technik noch auf dem Markt präsent sein wird, weiß derzeit niemand genau zu sagen.

"Wenn Kunden hören, daß ein Hersteller sowohl die Hardware- als auch die Betriebssystem-Strategie ändert, reagieren sie immer erst einmal negativ", berichtet Joseph Reger, Director Enterprise Computing Marketing im Bereich Information and Communication Products bei der Siemens AG. Die 1998 in den Mutterkonzern zurückgeführte Computersparte sieht sich dennoch gut gerüstet für die Zukunft. Gegenwärtig setzt der Hersteller in seinen Servern drei verschiedene Prozessorgattungen ein: Die Unix-basierten RM-Server und die Low-end-Mainframes der BS2000-Linie ("SR") arbeiten mit Mips-CPUs. Für die High-end-Großrechner greifen die Münchner auf CMOS-Prozessoren der S/390-Klasse vom Partner Fujitsu zurück. Die "Primergy"-PC-Server werden ausschließlich mit Intel-Prozessoren bestückt.

"In Zukunft migrieren wir mit allen Servern zu Intel", so Reger. Er gehe davon aus, daß sich im Server-Markt ähnlich wie im PC-Segment eine Verlagerung hin zu Standardkomponenten ergeben werde. "Die Tage der verschiedenen Risc-Prozessoren, die untereinander nicht kompatibel sind, sind gezählt", glaubt der ehemalige IBM-Manager.

Nach Angaben von Bernd Puschendorf, Vice-President und verantwortlich für den Bereich Marketing Computer Systems, werden sowohl die RM-Server-Produkte als auch das Betriebssystem Reliant Unix noch bis zum Jahr 2002 weiterentwickelt. Die Modellreihen "RM300", "RM 400" und "RM 600" werden dann letztmalig mit Mips-Prozessoren ("R14000" mit 500 Megahertz) angeboten (siehe Grafik Seite 38). "Wir haben unseren Kunden versprochen, daß wir die RM-Maschinen bis zum Jahr 2008 warten werden", erklärt Puschendorf. Anwender könnten sicher sein, daß die Maschinen weit über ihre Abschreibungszeiträume hinaus betreut würden.

Dies gelte sowohl für die Low-end-Großrechner der BS2000-SR-Linie als auch für die Unix-basierten RM-Server. Die letzte Variante von Reliant Unix (Version 5.45 D) werde demzufolge ebenfalls im Jahr 2002 ausgeliefert.

"Es ist die richtige Strategie, auf Solaris und IA 64 zu gehen", meint Andreas Zilch, Analyst bei der Meta Group in Bad Homburg. "Die Übergangsfrist ist realistisch und auch technologisch untermauert." Allerdings müßten die Pläne auch operational umgesetzt werden. Hier gebe es immer ein Fragezeichen. Hans Meuer, Direktor des Rechenzentrums der Universität Mannheim und Mitglied der Siemens-Anwendervereinigung Save e.V., äußert sich ähnlich. "Auf lange Sicht ist die Intel-Strategie für Siemens die richtige." Allerdings sei der Zeitraum zwischen dem voraussichtlichen Auslaufen der Mips-Plattform und dem Jahr 2008 recht groß. Meuer: "Das Commitment könnte für Siemens lang und teuer werden." Die Anwender könnten mit diesem Bekenntnis jedoch gut leben.

Siemens bemüht sich, den Kunden einen sanften Übergang von Mips auf Intels geplante IA-64-Prozessoren zu ermöglichen. Laut Reger wird es zwei Migrationspfade geben: Zum einen könnten ältere Anwendungen - gleichgültig ob in 32-Bit- oder 64-Bit-Technik ausgelegt - mit Hilfe eines Binary Translators unverändert auch auf IA-64-Rechnern laufen. Dies ist allerdings mit einem Leistungsverlust verbunden. Die zweite, deutlich aufwendigere Methode besteht darin, die Programme zu rekompilieren, also neu zu übersetzen.

Für die erste Variante greifen die Münchner auf Techniken des "Dynamic Object Code Translator" (Doct) zurück. Dieser wurde ursprünglich entwickelt, um BS2000-Mainframe-Anwendungen auf Mips-basierten Rechnern zur Verfügung zu stellen. "Wenn man die Maschinen leistungsmäßig voll ausnützen will, reicht ein Binary Translator für Altanwendungen nicht aus", konzediert Reger. Deshalb gebe es die Möglichkeit, die Programme zu rekompilieren. Siemens biete neben dem Compiler eine Reihe von Tools und Programmbibliotheken an, die es Anwendern ermöglichen würden, für Reliant Unix geschriebene Programme direkt für den Betrieb unter Sun Solaris auf IA-64-Prozessoren zu übersetzen. "Jeder, der mit Unix arbeitet, weiß natürlich, daß das eine Wunschvorstellung ist", schränkt er ein. Es blieben immer einige Anwendungen übrig, die Probleme bereiteten. Um diese zu lösen, offeriere Siemens unter anderem einen detaillierten "Migration Guide" und werde ein Portierungszentrum einrichten.

"Alle Programme zu rekompilieren kann ein sehr diffiziles Geschäft sein", gibt Meuer zu bedenken. "Wenn das so einfach wäre, würde Siemens die Rekompilierung als einzige Migrationsmöglichkeit anbieten." Der Weg über einen Binary Translator (Emulation) ist nach seiner Meinung die anwenderfreundlichere Variante. Dies müsse allerdings ohne große Performance-Verluste funktionieren. "Leistungseinbußen werden sich nie ganz vermeiden lassen", so Meuer. Ob sie tolerierbar seien, hänge von den jeweiligen Anwendungen ab. "Es gibt immer Haken und Ösen bei der Migration", fürchtet auch Analyst Zilch. Von Siemens erfordere das Vorhaben noch einige Investitionen. Andererseits hätten sich solche Migrationswege in der Vergangenheit bewährt. So sei beispielsweise die Umstellung von IBMs AS/400-Servern auf Power-PC-Prozessoren ohne größere Schwierigkeiten bewältigt worden.

Hinsichtlich des Betriebssystems hat sich Siemens auf "Solaris for Intel" festgelegt. "Das bedeutet aber nicht, daß Reliant Unix stirbt", behauptet Reger. Das Siemens-eigene Unix-Derivat verfüge über eine Reihe von Mainframe-Features, etwa für Hochverfügbarkeit oder Fernwartung, die Suns Solaris nicht bieten könne. Die vertraglich festgelegte Zusammenarbeit mit der McNealy-Company sehe vor, solche Merkmale in künftige Solaris-Versionen einzubauen. Daran arbeite man bereits.

Laut Marketing-Leiter Puschendorf ergibt sich die Entscheidung für Solaris aus dem wachsenden Konkurrenzdruck der Betriebssystem-Anbieter. "Natürlich hätten wir auch weiterhin auf Reliant Unix setzen können. Im Zuge der Konsolidierung in der Industrie hätte aber die Gefahr bestanden, daß wir hinten runterfallen. Wir sorgen lieber dafür, daß Solaris die bevorzugte Unix-Plattform wird." Mit der kommenden IA-64-Prozessorarchitektur sei eine massive Bewegung in Richtung Standardisierung und Konsolidierung im Softwaremarkt zu erwarten, ergänzt Reger.

Analyst Zilch sieht Siemens mit Solaris in Zukunft gut aufgestellt. Sun habe für sein Unix-Derivat weitere starke Partner gewonnen, etwa Fujitsu, NCR oder Toshiba. Deshalb stünden die Chancen, neben Hewlett-Packards (HP) Betriebssystem "HP-UX" bestehen zu können, nicht schlecht. Die jüngsten Bestrebungen einiger Branchengrößen, darunter Siemens, IBM und HP, mit ihren Servern auch das Freeware-Derivat Linux anzubieten, stellen nach seiner Meinung keine Bedrohung für die klassischen Unix-Dialekte dar. Linux sei eher für das Low-end-Segment positioniert, also für Intel-basierte Server, die ansonsten unter Windows NT arbeiten würden. Zilch: "Dahinter steckt eher das Bemühen der Computerhersteller, von Microsoft wegzukommen.