DI-Bereich machte 198889 rund 250 Millionen Mark Gewinn

Siemens: US-Geschäft und Halbleiter brachten Verluste

02.02.1990

MÜNCHEN (CW) - Mit einem um 13 Prozent auf 1,6 Milliarden Mark gestiegenem Gewinn brachte es die Siemens AG im Geschäftsjahr 1988/89 auf den höchsten Profit ihrer Geschichte. Das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres ließ sich für den Elektronikriesen ebenfalls gut an. Verluste fuhren die Münchner dagegen mit ihrem Amerika-Geschäft und im Halbleiterbereich ein.

Die vordringlichste Aufgabe bei der Zusammenführung der Nixdorf Computer AG

und der eigenen Daten- und Informationstechnik sieht Siemens-Chefstratege Hermann Franz in vertrauensbildenden Maßnahmen: Die Kunden müssen wissen, daß hier eine Zukunft liegt und ihr installierter Maschinenpark auf dem neuesten Stand gehalten wird." Ihnen müsse verdeutlicht werden, daß mit dem Zusammenschluß ein Unternehmen entstehe, welches ihre Wünsche langfristig befriedigen könne.

Die Chance, ein gesundes Unternehmen aufzubauen, habe man allerdings nur dann, wenn Siemens nicht als "Rollkommando" komme. "Wir brauchen die Nixdorf-Mitarbeiter auf allen Ebenen", unterstrich der Vorstandsvorsitzende Karlheinz Kaske. Der geplante Stellenabbau bei Nixdorf sei deshalb in keinem Fall als "Morgengabe" an Siemens zu verstehen, betonte Franz: "Nixdorf hat ein Problem und das muß ge!öst werden. Allein durch das Einbringen des Siemens-DI-Bereichs wird es nicht aus der Welt geschafft. "

Um die bisherige Klientel nicht weiter im unklaren zu lassen, hofft man bei Siemens auf eine schnelle Entscheidung des Kartellamtes, dem am 16. Januar der Übernahme-Antrag offiziell vorgelegt worden ist.

Kaske rechnet allerdings - "selbst bei gutem Verlauf" - nicht vor Sommer dieses Jahres mit der Integration beider Unternehmensteile.

Von der Entscheidung der Berliner hängt auch ab, ob sich Siemens die Nixdorf-Nachrichtentechnik einverleiben darf oder verkaufen muß. "Wir haben keine Schwierigkeiten, diesen Bereich zu verdauen", kommentierte Kaske. In welchen Geschäftsbereich die Nixdorf-Nachrichtentechnik eingeordnet werden soll, wenn das Kartellamt nicht auf dessen Ausgliederung besteht, ließ Siemens-Pressesprecher Eberhard Posner allerdings offen.

Der hohe Verlust - Branchenkenner rechnen mit etwa einer Milliarde Mark - den die Paderborner wahrscheinlich für das vergangene Geschäftsjahr ausweisen müssen und in die neue Gesellschaft einbringen werden, scheint Siemens nicht zu schrecken: "Ein hoher Verlust bei Nixdorf würde uns nicht stören", versicherte Siemens-Finanzchef Karl-Hermann Baumann und äußerte die Vermutung, daß in der hohen Verlustausweisung erhebliche Rücklagen für den Personalabbau eingeplant sind. Siemens kann darüber hinaus die roten Nixdorf-Zahlen steuerlich nutzen, solange der Dl-Bereich weiter Gewinn macht. Im abgelaufenen Geschäftsjahr jedenfalls erwirtschaftete man hier - bei einem Umsatz von fünfeinhalb Milliarden - immerhin einen Gewinn von 250 Millionen Mark.

Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs verzeichnete der Elektronikriese in diesem Geschäft weiter ansteigende Tendenz: Der DI-Umsatz lag in den ersten drei Monaten bei etwa 1,5 Milliarden Mark. Pressesprecher Posner zufolge bedeutet das ein Plus von rund 27 Prozent. Der Auftragseingang - genauso wie der Umsatz um Akquisitionen bereinigt - schnellte um 28 Prozent in die Höhe.

Das ebenfalls aus dem alten Unternehmensbereich Kommunikation und Datentechnik (UBK) entstandene Geschäftsfeld Private Kommunikation (PN) stagnierte bei einem Umsatz von knapp einer Milliarde Mark, wenn man das Ergebnis des amerikanischen Telefonherstellers Rolm und anderer Akquisitionen außen vor läßt. Beim Auftragseingang legte PN allerdings um 15 Prozent zu. Im gesamten Fiskaljahr brachte es der Bereich auf einen Umsatz von etwa drei Milliarden Mark.

Auch das dritte - im Zuge der Umorganisation bei Siemens aus dem UBK hervorgegangene - Geschäftsfeld Peripherie und Endgeräte (PE) verzeichnete eine Steigerung: Beim Umsatz um fünf Prozent auf etwa 700 Millionen Mark und beim Auftragseingang um 18 Prozent. 1988/89 konnte der Konzern hier einen Umsatz von rund zwei Milliarden Mark verbuchen.

Im Gegensatz dazu machten die Münchner in ihrem Halbleiter-Geschäft Verluste - und das trotz eines um 45 Prozent auf 2,3 (1,26) Milliarden Mark gesteigerten Umsatzes im vergangenen Fiskaljahr. Kaske erklärte jedoch, daß man bei den Speichern schwarze Zahlen schreiben konnte.

Im ersten Quartal 89/90 seien zwar sowohl Auftragseingang als auch Umsatz bei den Halbleitern leicht angestiegen, aber beides würde unter dem Konzern-Durchschnitt liegen, berichtete Posner: "Für das laufende Jahr rechnen wir mit einer Produktion von 45 Millionen 1-MB-Speichern". Auch die 4-MB-Linie, die im Moment in Regensburg zusätzlich zur Pilot-Fertigungsanlage in Perlach bei München errichtet werde, könne Ende März anfangen zu produzieren, erklärte er weiter. Dann sei man in der Lage, flexibel auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren: "Wenn es sich vom Preis nicht mehr so recht lohnt, den 1-MB in großen Stückzahlen zu fertigen, dann können wir die 4-MB-Produktion entsprechend hochziehen." Allerdings werde der Ausstoß dieser neuen Speicher im Jahr 1989/90 nicht über eine Million Stück hinausgehen.

Große Verluste in Höhe von 573 (381) Millionen Mark mußte der Elektroriese auch im US-Geschäft hinnehmen. Dafür, so Kaske, sei nicht das operative Geschäft verantwortlich zu machen, vielmehr hätten Vorsorgemaßnahmen zu diesem Ergebnis erheblich beigetragen. Im Jahr 1989/90 sollen die US-Umsätze - einschließlich Rolm - auf rund 7,5 Milliarden Mark steigen, prognostizierte der Vorstands-Vorsitzende.

Gefragt, ob man bei Siemens darüber nachdenke, durch Zukäufe auf dem amerikanischen Markt die Präsenz der Siemens/Nixdorf-lnformationssysteme AG (SNI) zu verstärken, erklärte Kaske, daß die Zusammenführung der beiden Unternehmen Priorität habe: "Man muß Knödel nacheinander essen, sonst bekommt man keine Luft mehr." Siemens habe außerdem kein US-Geschäft im DV-Bereich, und die Aktivitäten, denen Nixdorf dort nachgehe, seien nicht profitabel, ergänzte Kaske.

Das insgesamt positive Bild der Siemens AG leuchtet anscheinend auch im laufenden Geschäftsjahr in klaren Farben. Der Gesamtumsatz des ersten Quartals belief sich auf 14,8 (12,3) Milliarden Mark und war damit um 21 Prozent höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Der Gewinn stieg auf 364 (302) Millionen Mark. Den Auftragseingang konnte Siemens um 10 Prozent auf 17,5 (16,0) Milliarden Mark steigern. Allerdings beruht ein Viertel dieses Wachstums auf der erstmaligen Einbeziehung neu erworbener Gesellschaften wie der Rolm-Systems oder dem französischen PC- und Mini-Hersteller IN 2/Plaisir, der es im letzten Jahr auf etwa 300 Millionen Mark Umsatz brachte.

Eine Gewinn-Prognose für das Geschäftsjahr 89/90 wollte Kaske angesichts anstehender Tarifverhandlungen und anderer Unwägbarkeiten nicht geben. Allerdings erwartet der Siemens-Chef bis zum 30. September 1990 einen Umsatzzuwachs auf 64 Milliarden Mark und einen Gewinn, der das Ergebnis des vergangenen Jahres nicht

unterschreitet. +