Desk-Sharing: Gute Organisation spart Kosten

Siemens setzt auf Stühlerücken mit System

14.02.2003
MÜNCHEN (CW) - In manchen Unternehmen verbringen Teile der Belegschaft oft mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit beim Kunden. Ihre verwaisten Schreibtische sorgen nicht nur für Tristesse im Büro. Angesichts teurer Mieten werfen sie auch betriebswirtschaftliche Fragen auf.

Eine Lösung kann das Desk-Sharing bringen. Dieses Bürokonzept, so die Anhänger des Modelles, spart nicht nur Geld, sondern unterstützt auch die Einführung flexibler Arbeitszeiten und bereichsübergreifender Teamarbeit. Ganz einfach lässt sich das Organisationsprinzip aber nicht umsetzen."Desk-Sharing eignet sich nur für Mitarbeiter, die häufig und regelmäßig außer Haus sind und nicht in festen Teams zusammenarbeiten", sagt Jörg Kelter, der als Senior Scientist beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart zahlreiche Projekte begleitet hat. Die Einführung will gut organisiert sein.

In der Münchner Niederlassung von Siemens ICN etwa dauerte die Vorbereitungszeit acht Monate. Seit vorigem Jahr verteilen sich nun 200 Berater und Account-Manager auf 110 Schreibtische. Eine Web-gestützte Buchungssoftware zeigt, welche Schreibtische von wem für welche Dauer besetzt sind.

Erklärtes Ziel war die Unterstützung der Projektarbeit. Wechselnde Teamstrukturen erforderten früher häufig zeitraubende und kostspielige interne Umzüge. "Durch die flexible Sitzordnung passiert nun viel mehr auf Zuruf", meint Andreas Merkl, Teilprojektleiter des Flexible Office bei Siemens. Damit infolge des ständigen Wechselns nicht das totale Chaos ausbricht, hat jede Abteilung ihre "Home-Base", in der die dauerhaft anwesenden Mitarbeiter sitzen. Um sie herum gruppieren sich die mobilen Kollegen. Ihnen stehen verschiedene Arbeitsplätze zur Verfügung: Wer konzentriert arbeiten will, bucht einen geräuschisolierten "Think Tank". Für Gruppenbesprechungen sind Projekträume vorgesehen. Wer kurz im Büro vorbeischaut, kann in einem "Hot Inn" ohne Reservierung seine Mails abrufen.

In seiner "Home-Base" findet der Mitarbeiter auch seine Büromaterialien vor. Für persönliche Unterlagen stehen vier laufende Meter Schrank - inklusive Rollcontainer - sowie ein Kellerarchiv für aufbewahrungspflichtige Dokumente zur Verfügung. "Einige Kollegen mussten vor der Umsetzung des Bürokonzepts erst mal ausmisten", so Merkl. Jeden Morgen schieben die Wanderarbeiter jetzt einen Rollcontainer an ihren Arbeitsplatz. Abends heißt es dann einpacken - Bild von Frau und Kind inklusive. Anfangs wurde noch überlegt, ob dies eine eigene Flexible-Office-Managerin überprüfen soll. Mittlerweile werden die Regeln freiwillig befolgt, da nur so das Wechselspiel reibungslos abläuft. Die Schaffung einer angenehmen Arbeitsumgebung trägt wesentlich zum Gelingen von Desk-Sharing bei. "Menschen hängen am Territorium. Man muss ihnen darum eine Gegenleistung bieten, bevor man ihnen etwas nimmt", sagt Wilhelm Glaser, Professor für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Universität Tübingen. "Die ansprechende Atmosphäre hat kritische Mitarbeiter schnell milde gestimmt", resümiert Niederlassungsleiter Günter Dependahl.

Auch Manager müssen Plätze wechseln

Mit einer natürlichen Gegenreaktion der Belegschaft müsse bei solchen Änderungen gerechnet werden, bestätigt Fraunhofer-Experte Kelter. "Deshalb ist es wichtig, Veränderungen umfassend und sensibel mitzuteilen." Bei Siemens wurde die Akzeptanz dadurch erhöht, dass bereits die zweite Management-Ebene auf wechselnden Plätzen sitzt.

Neben kommunikativen Maßnahmen stellt Desk-Sharing gewisse Anforderungen an die technische Infrastruktur. Das Notebook als zentrales Arbeitsgerät gilt als gesetzt. Bleibt die Frage der permanenten telefonischen Erreichbarkeit. Die scheinbar einfachste Lösung - Mobiltelefone - erweist sich in der Praxis als problematisch. Nicht in allen Bürogebäuden ist durchgängiger Empfang gesichert, schon gar nicht, wenn Mitarbeiter ausschließlich mobil telefonieren. Zudem weisen Handys nicht den Leistungsumfang moderner Telefonanlagen auf. Bei diesen wiederum könnte der mobile Nutzer zwar seine Festnetznummer per PIN auf den jeweiligen Apparat schalten. Die gemeinsame Nutzung ein und desselben Telefons lehnen viele Mitarbeiter jedoch aus hygienischen Gründen ab - selbst wenn der Apparat jeden Abend vom Reinigungspersonal gesäubert wird.

Die Lösung: Der Mitarbeiter telefoniert mit einer Sprecheinrichtung in Form eines Hand- oder Headsets, die er per USB-Schnittstelle ans Notebook anschließt. Damit ist er stets unter seiner Durchwahl erreichbar und kann selbst Faxe direkt empfangen. Durch das flexible Büro in Verbindung mit IP-Kommunikation erwartet sich Siemens sofortige Einsparungen von 550000 Euro pro Jahr. Nach Ablauf der fünfjährigen Finanzierungsphase soll sich dieser Wert verdoppeln. (hk)