Siemens reformiert den Bereich Bildresonanz Medizinische Technik greift fuer Diagnosen auf Objektdaten zu

11.11.1994

MUENCHEN (ua) - Ganz auf Objekttechnologie setzt die Siemens- Medizintechnik, Erlangen, im Bereich Bildresonanz. Die auf relationalen Datenbanken und C-Individualprogrammen basierende Architektur soll abgeloest werden. In zwei Jahren will der Hersteller neue Komplettloesungen in der Computer-Tomografie, Magnetresonanz, Ultraschall- und Roentgendiagnose ausliefern koennen.

"Insgesamt muessen 600 000 Zeilen Code neu verfasst werden", beziffert Hans-Erich Reinfelder, Abteilungsleiter fuer Computerplattformen, die Groessenordnung des Projekts. Seinen Aussagen zufolge ist die Umstellung auf C++ und die objektorientierte Versant-Datenbank im Bereich "Bildresonanz" zwar isoliert zu betrachten, fungiert aber zugleich als "ein wichtiges Pilotprojekt". "Wir beginnen mit einer Mannschaft aus 30 bis 40 Mitarbeitern, die zukuenftig eine Kerntruppe fuer weitere Projekte darstellen soll."

Notwendig wurde die Reform aus der Sicht von Reinfelder, weil es "zunehmend Probleme bei der Softwarequalitaet" gab. Diese resultierten seiner Meinung nach aus der vertikalen Gliederung der Unternehmensbereiche. Die Organisation verursachte Anpassungen in unterschiedlichen Massen, so dass die Software nur schlecht wiederverwertet werden konnte und Applikationen nicht portierbar waren. "Nun versuchen wir, unsere Softwarelandschaft zu modernisieren und zugleich die einzelnen Bereiche in der Medizintechnik zu vereinheitlichen."

Dazu gehoert der Einsatz von Standardsoftware. Siemens entschied sich fuer ein Bildverarbeitungspaket der kanadischen Firma ISG, das auch Volumendaten, wie sie die Computer-Tomografie liefert, dreidimensional darstellen kann. Ausserdem will das Unternehmen ein Kommunikations-Toolset der Firma Kodak einsetzen.

Lieber C++ anstelle des maechtigeren Smalltalk

Die kuenftige Programmiersprache heisst C++. "Das maechtigere Smalltalk waere ebenfalls in Frage gekommen; andere objektorientierte Sprachen sind zu exotisch. Allerdings arbeiten wir heute bereits in einer C-Umgebung. Damit liegt der Umstieg auf C++ nahe."

Auch bei der Datenhaltung soll die Objektorientierung Einzug halten. "Heute haben wir relationale Datenbanken im Einsatz, und bis zum Ende des letzten Jahres waren wir der Meinung, dass es auch noch eine Weile so bleibt. Dann ueberraschte uns der Aufschwung objektorientierter Systeme." Vergleichende Benchmark-Tests erwiesen laut Reinfelder eine hoehere Leistungsfaehigkeit der objektbasierten Datenbanken.

Den Ausschlag fuer Versant gab "das bessere Angebot", so der Entwicklungsleiter. Damit schlug die kalifornische Versant Object Technology Corp., Menlo Park, auch das Konkurrenzprodukt

"Objectstore" der US-Firma Objectdesign aus dem Rennen.

Reinfelder schaetzt, dass kuenftig etwa 1000 Komplettsysteme jaehrlich mit der Objektdatenbank ausgeliefert werden koennen. Allerdings muss Versant bis dahin dem strengen Standard "Food and Drug Administration" (FDA) genuegen. Um diesen Sicherheitsregeln zu entsprechen, wurde dem Unternehmen eine Frist von 18 Monaten eingeraeumt, weiss der Muenchner Versant-Distributor IQ-Products. Werden die Vorgaben bis dahin nicht erfuellt, ist der weltweite Rahmenvertrag mit Siemens hinfaellig.

Fuer ein bestimmtes Betriebssystem wollte sich Reinfelder dagegen nicht entscheiden. "Die Entwicklungen schreiten so schnell voran, dass es gefaehrlich waere, sich an einen Hersteller zu binden." Zur Zeit steht deshalb bei Reinfelder Unix im Vordergrund.

"Ob Windows NT eine ernsthafte Chance hat, werden wir beobachten." Als Hardwareplattformen kommen laut Reinfelder Power-PCs und HP- Maschinen in Frage.