Kapitulation von Siemens-Chef kommt den SNI-Strategen zu früh

Siemens-Nixdorf arbeitet unter Hochdruck an Apothekensoftware

31.05.1996

In einer Pressemitteilung vom 21. Mai gab SNI zu den Schwierigkeiten (siehe CW Nr. 21 vom 24. Mai 1996, Seite 6: "Software-Probleme...") eine Stellungnahme ab. Darin wurde bestätigt, daß der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Heinrich von Pierer, in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer vom 1. April 1996 die Befürchtung geäußert habe, das Abrechnungssystem werde erst im vierten Quartal voll einsatzfähig sein.

Nach Darstellung von SNI ist diese Einschätzung von Pierers zu pessimistisch. Vielmehr sei nach der notwendigen Steigerung des Volumendurchsatzes seit dem 20. Mai ein "im Prinzip" einwandfreier Betrieb des Systems möglich. Dieses könne derzeit stündlich über 100000 Belege verarbeiten, so daß die normale Hochfahr-Phase ab sofort einsetzen könne. Ein voller Volumendurchsatz sei damit bereits im dritten Quartal 1996 zu erwarten.

Mit der Software von SNI sollen rund 400 Millionen Belege pro Jahr verarbeitet werden, und zwar in der Verrechnungsstelle der Süddeutschen Apotheken GmbH (VSA) in München und im Norddeutschen Apothekenrechenzentrum e.V. (NARZ) in Bremen. SNI hat mit VSA und NARZ einen Vertrag als Generalunternehmer im Bereich "Image Processing für die Rezepterfassung" geschlossen.

Das System besteht aus folgenden Komponenten:

-Scannen auf Hochgeschwindigkeits-Scannern mit 108000 Belegen pro Stunde. Die Unix-Software kommt vom Hardware-Lieferanten Recognition International aus Dallas, Texas

-Zeichenerkennung unter Windows durch ein Produkt der Siemens-Tochter CGK, Konstanz

-Korrektursystem auf Intel-PCs unter Sinix-Z, überwiegend von CGK erstellt

-Workflow-Management-System, erstellt von SNI auf Sinix-Rechnern, Modell "RM 600".

Die Probleme waren hauptsächlich bei der Scanner-Applikation und der Workflow-Steuerung aufgetreten, so daß die geforderten Leistungen bezüglich des Datendurchsatzes nicht erreicht würde.

Klaus Gasch, DV-Manager der VSA in München, kommentierte im Gespräch mit der CW, SNI habe in den letzten Wochen, insbesondere aber in den letzten Tagen, unter Hochdruck Software-Tuningmaßnahmen am System durchgeführt. Außerdem seien die Rechner um zusätzliche Prozessoren aufgestockt und der Arbeitsspeicher der PCs aufgerüstet worden. Die ersten Ergebnisse seien positiv, so daß mit einer Lösung der Probleme gerechnet werden könne. Um sicherzustellen, daß ein ausreichender Volumendurchsatz erreicht werde, habe man SNI drei Termine gesetzt und verlangt, spätestens Mitte August müsse das System Volllast fahren können.

Gasch bestätigte, daß das System im Prinzip stabil läuft, eine volle Auslastung sei jedoch im Augenblick noch nicht möglich. Siemens-Nixdorf habe bereits seit geraumer Zeit mehr Personal und zusätzliche Hardware in das Projekt eingebracht. Entsprechendes gilt für das NARZ. Damit soll sichergestellt werden, daß die bisher gesammelten aber unbearbeiteten Belege der letzten Monate abgearbeitet werden können.