Knochenharter Wettbewerb kennzeichnet die PCM-Szene:

Siemens nagt kräftig an der Substanz Amdahls

01.02.1985

MÜNCHEN - Einigkeit herrscht unter den Steckerkompatiblen nur bei der Benennung des gemeinsamen Gegners - der IBM. Ansonsten liefern sich die PCM-Anbieter einen knochenharten Wettbewerb. Terrain im Kampf um das Großrechnergeschäft hat insbesondere die Siemens AG gewinnen können. Ihr Erfolg aber geht zumindest In letzter Zeit zu Lasten der ohnehin schon angeschlagenen Amdahl GmbH.

Daß Siemens durch einen zermürbenden Fight am Fuß des "blauen Berges" seine Position stärken konnte, nehmen die Strategen des Münchner Konzerns wohlwollend zur ...ntnis. Dabei heißt es nicht nur, Aufträge gegen die IBM zu gewinnen: "Wir scheuen uns auch nicht, Maschinen der Plug Compatible Manufacturers (PCM) abzulösen oder den Erweiterungsbedarf auf unsere Seite zu ziehen", so lautet es von inoffizieller Seite.

Gelassen sehen die Marketingleute der Münchner auch, daß sie derzeit Amdahl das Potential wegschnappen: Seit etwa zwei Jahren nehmen die Installationen bei uns zu, vorher hatte Amdahl eben das Glück." Dazu ist relevant, daß sich sowohl Siemens als auch Amdahl des OEM-Equipments der japanischen Fujitsu Ltd. bedienen.

Kalt erwischt hat es die deutsche Dependance des amerikanischen Mainframe-Herstellers jetzt beim Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC). Der nach Marktbeobachtern nur noch etwa 30 Installationen in Deutschland unterhaltenden Amdahl GmbH stellten die Automobil-Lobbyisteil den Stuhl vor die Tür. Ihre betagte V7 wird sang- und klanglos gegen eine Siemens-Maschine des Typs 7890 ersetzt. Der Leiter des ADAC-Rechenzentrums Heinz Harn skizziert mit knappen Worten die Wahl: "Wir haben verglichen, dabei sind alle am Markt befindlichen Alternativen eingeflossen. Wenn man vergleicht, gibt es eben Ergebnisse. "

Doch damit nicht genug: Auch die Bayerischen Motoren Werke (BMW) wägen derzeit ab, zwei 5860-Jumbos von Amdahl gegen Siemens-Großrechner auszutauschen. Der RZ-Verantwortliche des sportlichen Karossenbauers lehnte ein Statement ab.

Gutunterrichtete Kreise wollen weiter wissen, daß ein nicht genanntes süddeutsches Unternehmen ebenfalls vor der Entscheidung steht, einen IBM- und einen Amdahl-Rechner durch eine Anlage des Großkonzerns aus der bayerischen Metropole zu ersetzen.

Fallen die noch ausstehenden Entscheidungen zugunsten der rührig vor Ort agierenden Siemens AG, so wäre dies für Amdahl ein schmerzlicher Schlag. Doch noch, so glaubt man bei Amdahl, sei das Rennen offen. Allerdings wird sich das Management für die letzten Meter auf der felgeraden etwas einfallen lassen müssen, soll der PCM-Primus nicht auf der Strecke bleiben.

Bei Amdahl ist zumindest seit dem letzten Jahr ein Zerfallprozeß zu beobachten. Konnten sowohl die Corporation wie auch die deutsche Tochter noch mit einem Rekordzuwachs im Geschäftsjahr 1983 brillieren, steht 1984 für Abstieg.

In den ersten neun Monaten fielen, verglichen mit dem Korrespondenzzeitraum des Vorjahres, die Gewinne der amerikanischen Muttergesellschaft um rund ein Drittel auf 20,3 Millionen Dollar. Im dritten Quartal zeigten erstmals auch die Umsätze einen deutlichen Rückgangstrend.

In den vergangenen zwölf Monaten nicht gerade auf der Sonnenseite des Erfolgs gestanden zu haben, gesteht die deutsche GmbH ein. Noch im Juli 1984 hatte deren Geshäftsführer Christoph von Blankenhagen auf einen Aufschwung durch die Auslieferung XA-kompatibler Großrechner gesetzt. Die Erwartungen aber erfüllten sich nicht, gleichwohl will man sich im Schwarzsehen nicht üben. Optimismus ist angesagt.

Kaum zu übersehen ist, daß nicht zuletzt das gute Blatt der Siemens AG an der Substanz Amdahls zehrt. Darüber können auch jeweils eine Ersatz- und Neuinstallation beim Wolfsburger Volkswagenwerk im September vergangenen Jahres nicht hinwegtäuschen.

Hatte Amdahl nach den Worten des Ex-Geschäftsführers Bernhard Sauer 1982 noch über 40 Systeme in Deutschland plaziert, sank die Zahl nach Berechnungen von Consultern Anfang des vergangenen Jahres auf 38 und lag im Oktober 1984 nur noch bei etwa 30 Maschinen.

Insider werten die Wende von Amdahl zu Siemens letztlich als firmenpolitische Entscheidung. So fragen sich Kunden, nicht zuletzt verunsichert durch die häufigen Managerwechsel bei der deutschen Amdahl, nach der Zukunft des Unternehmens. Urteilt ein Insider: "Es ist zu überlegen, ob die Installationen Oberhaupt noch das einbringen, was Amdahl an Support leisten muß."

Das sich anbahnende Installations-Desaster wird sich bei Amdahl nicht nur auf dem Konto niederschlagen. Es ist schlechthin ein Prestigeverlust für das Unternehmen, bestätigen Branchenkenner übereinstimmend, von dem man in den vergangenen Jahren kaum noch etwas auf dem Markt gehört hat.

Bei den Preisen auf allen Registern zu spielen, werfen sich Siemens und Amdahl gegenseitig vor. Allerdings kreiden potentielle Kunden Amdahl an, er mache für die Größe des Unternehmens zu üppig reduzierte Angebote. Eine 5860, die einmal bei etwa 10 Millionen Mark angesiedelt war, soll jetzt mitunter schon für 4,2 Millionen Mark angeboten worden sein. Kommentiert ein Anwender: "Das ist einfach unseriös. Von Gewinn kann hier nicht mehr gesprochen werden - da fragt man selbstverständlich nach der Zukunft der Firma.