Sowjets zahlen Milliardenbetrag für PCs und Technologie:

Siemens landet riesigen Rußland-Coup

23.06.1989

MOSKAU (CW) - Noch während der Gorbatschow-Visite in Bonn orakelte Italiens Computer-Magnat Carlo de Benedetti, seine Olivetti erwarte in Kürze eine absolute Rekord-Bestellung. Doch zwei Tage später nahm nicht er, sondern Reiner Hallauer. bei Siemens für PCs zuständig, in Moskau seinen bisher größten Auftrag in Empfang.

Vorige Woche, als die "Gorbimania" die ganze Bundesrepublik erfaßte, war von allerlei deutsch-sowjetischen Abmachungen die Rede - von einem Milliardenabschluß mit der Siemens AG jedoch nicht. Ganz still und leise schlossen der Münchner Elektronikriese, das Sowjet-Ministerium für Hochschul- und mittlere Fachschulbildung sowie die Moskauer "Produktionsvereinigung" Orbita einen Kontrakt, der ein in der PC-Branche bisher nicht gekanntes Volumen hat. Nach Informationen des Moskauer Korrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" geht es um 300000 Mikrocomputer (vorwiegend PC-D 2M, war von der Firma zu hören) sowie um die Montage-Technologie dazu. Dutzende von sowjetischen Spezialisten, so das Blatt, sollen in Augsburg ausgebildet werden. Der Wert des Vertrages, dessen Laufzeit mindestens drei Jahre betrage, liege zwischen einer und zwei Milliarden Mark.

So heimlich hatte der süddeutsche Konzern den Deal vorbereitet, daß selbst die Öffentlichkeitsarbeiter in der Münchner Zentrale am Montag nicht mit Details über den Rekordauftrag dienen konnten, den Reiner Hallauer, der Chef der PC-Abteilung, in Moskau von Vizeminister Oleg Petrow entgegengenommen hatte. Nach Angaben der "SZ" wird das Geschäft über drei Ecken finanziert: Die Russen liefern Chemikalien an ein britisches Handelshaus, das die Erlöse in Hartwährung an den deutschen Konzern ausbezahlen soll.

Bei diesem Ostgeschäft habe sich Siemens gegen "italienische und amerikanische Konkurrenz" durchgesetzt. Als Olivetti-Konzernherr Carlo de Benedetti nur zwei Tage zuvor - ohne Näheres anzudeuten - den "größten Einzelauftrag der Firmengeschichte" angekündigt hatte, bezogen Beobachter dies zunächst auf eine längst bekannte Großbestellung der niederländischen Rabo-Bank - und wunderten sich über die Geheimniskrämerei des Italieners.