Siemens lagert TK-Entwicklung aus

28.03.2006
Siemens Com verpflichtet Tietoenator für die nächsten fünf Jahre.

Das Abkommen, das bislang nur an- gekündigt wurde und im Mai unterschrieben werden soll, hat ein Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro und zählt damit zu den größten bis- lang in Deutschland betriebenen BPO-Deals (Business Process Outsourcing). Tietoenator kündigte an, rund 270 Mitarbeiter, die sich bislang mit der Weiterentwicklung der Hard- und Software für herkömmlichen Nebenstellenanlagen innerhalb von Siemens Communica- tions R&D beschäftigt haben, zum 1. Juli 2006 zu übernehmen. Die IG-Metall spricht hingegen von mehr als 280 betroffenen Mitarbeitern in München, Hamburg, Leipzig und Düsseldorf aus dem Arbeitsbereich, der sich mit der EWDS-Hard- und Softwareentwickung beschäftigt (Elektronisches Wählsystem digital).

Die Auslagerung dieses Forschungs- und Entwicklungsbereichs ist ein wichtiger Baustein im Sanierungsplan des maladen Geschäftsbereichs Siemens Com. Der Kommunikationssparte hat Siemens-Chef Klaus Kleinfeld eine Um- satzrendite von acht bis elf Prozent im Jahr 2007 ins Pflichtenheft geschrieben. Von diesem Ziel ist sie weit entfernt, derzeit beläuft sich der Wert auf 3,5 Prozent.

Ein erhebliches Problem des Geschäftszweigs sind die gemessen am Ertrag sehr hohen Entwicklungskosten, die Siemens Com sowohl für die klassische Telefonie mit Nebenstellenanlagen als auch für zukunftsträchtige VoIP-Lösungen (Voice over IP) leisten muss.

Dem Geschäft mit der herkömmlichen Telefonie räumen Marktbeobachter wie Gartner keine guten Aussichten ein. Es soll binnen der nächsten zwei Jahre stark zurückgehen. Siemens hat in diesem Segment aufgrund langfristiger Leasing- und Wartungsverträge in der Vergangenheit viel Geld verdient. Die Trennung von der Entwicklungsabteilung ist ein erster Hinweis darauf, dass der neue Siemens-Com-Chef Eduardo Montes das Portfolio aussortieren wird, um Kapazitäten für Fortschritte im VoIP-Geschäft freizumachen (siehe Seite 17 "Siemens baut den Vorstand um").

Auch Nokia und Alcatel haben ausgelagert

Tietoenator ist der größte skandinavische IT-Dienstleister und beschäftigt rund 15 000 Mitarbeiter in 25 Ländern. Die Jahreseinnahmen 2005 beliefen sich auf knapp 1,7 Milliarden Euro. Auslagerungsabkommen über die Forschung und Entwicklungservices für TK-Lösungen unterhält das Unternehmen mit den Siemens-Konkurrenten Alcatel, Ericsson und Nokia. Das finnische Unternehmen sieht sich selbst als europäischen Marktführer für F&E-Services (Forschung und Entwicklung) in der TK-Branche. Die Siemens-Mitarbeiter wird der Anbieter in seinen Geschäftsbereich Telecom and Media integrieren, in dem bislang rund 5000 Experten tätig sind, 2800 von ihnen arbeiten in der Forschung und Entwicklung.

Wesentlicher Bestandteil der Wachstumsstrategie ist die Übernahme kleiner Spezialanbieter. In den letzten zwei Jahren hat Tietoenator in Deutschland die Beratungshäuser Sesa (600 Mitarbeiter), Inveos (120 Mitarbeiter), die ITB AG (50 Mitarbeiter) sowie Waldbrenner (30 Mitarbeiter) übernommen. Der Sesa-Gruppe obliegt die Aufgabe, den Siemens-Deal zu organisieren. (jha)