Werk im britischen Tyneside wird geschlossen

Siemens kapituliert vor dem Preisverfall bei Halbleitern

07.08.1998

Ende September 1998 wird Siemens beginnen, die Produktion in Tyneside stillzulegen. Bis dahin soll gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe der britischen Regierung versucht werden, einen Käufer für die Fertigungsstätte zu finden. Angesichts der enormen Überkapazitäten im Halbleitergeschäft erscheint ein Erfolg der Bemühungen jedoch mehr als unwahrscheinlich. Seit der Investitionsentscheidung für das Werk im Jahr 1995 sind die Preise für die dort hergestellten Chips um 95 Prozent gefallen. Darüber hinaus hatte ein asiatischer Hersteller einen Vertrag aufgekündigt, der zehn Jahre lang die Abnahme der Hälfte des Ausstoßes garantiert hätte.

"Die selbstzerstörerische Preispolitik unserer asiatischen Mitbewerber zwingt uns zu diesem Schritt", erläutert Ulrich Schumacher, Vorstandsmitglied und Chef des Halbleiterbereichs. "Die Intervention der europäischen Hersteller bei der EU gegen diese Geschäftspraktiken hat bisher leider zu keinem Erfolg geführt." Vor allem die Koreaner seien schuld daran, daß derzeit auf dem Weltmarkt die Preise für die 16-Mbit-Generation mit rund zwei Dollar sogar deutlich unter den Herstellungskosten der weltbesten Anbieter liegen, man also nur mit Verlust verkaufen könne.

Damit bestätigt sich die Warnung, die Siemens-Chef Heinrich von Pierer bereits vor drei Wochen im niederländischen Den Haag ausgesprochen hatte. Auf der Sommer-Pressekonferenz des Konzerns hatte der Topmanager angekündigt, der dramatische Preisverfall im Halbleiterbereich werde Siemens Verluste von mehr als einer Milliarde Mark bescheren. Im Rahmen seines Zehn-Punkte-Programms zur Reorganisation des Unternehmens wurden nun die Produktionskapazitäten nach unten angepaßt. Teile der Kapazität könnten jedoch unter Umständen in andere Fabriken in Dresden, Paris, Virginia oder Taiwan verlagert werden, so Siemens.

Die Kosten der Schließung dürften nach Angaben des Unternehmens bei etwa einer Milliarde Mark liegen, sie werden durch eine eigens angelegte Rückstellung finanziert und belasten das Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres, das am 30. September 1998 endet. Ob darüber hinaus weitere finanzielle Einbußen entstehen, vermag man nach eigenen Angaben bislang nicht einzuschätzen. Auf den internationalen Finanzmärkten wurde die Entscheidung, das unprofitable Halbleitergeschäft zurückzufahren, positiv bewertet. Der Kurs der Siemens-Aktie an der Frankfurter Börse stieg am vergangenen Freitag um 3,9 Prozent auf 132,10 Mark.