Im Energie- und Elektrobereich ist kaum mehr Wachstum möglich

Siemens forciert Telecom-Aktivitäten

03.04.1987

MÜNCHEN (CW) - Trotz Dollarverfall, Konjunkturabschwächung und zunehmenden weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten ist die Siemens AG für das am 30. September endende Geschäftsjahr l986/87 zuversichtlich. Der reguläre Umsatz soll - zum Teil durch die Expansion im Telecom-Sektor - um eine bis zwei Milliarden Mark wachsen.

Insgesamt will Siemens, wie Vorstandschef Karlheinz Kaske auf der Hauptversammlung in München sagte, die Einnahmen heuer um vier bis fünf Milliarden auf 51 bis 52 Milliarden Mark steigern. Die Differenz erklärt sich daraus, daß kürzlich mit dem Kernkraftwerk Brokdorf wieder ein Milliardenprojekt abgerechnet worden ist; im Vorjahr hatte es kein vergleichbares Objekt gegeben. Das geplante Plus beim Auftragseingang veranschlagt Kaske, dem Ausnahmefall Brokdorf entsprechend, nur auf ein bis zwei Milliarden Mark.

Seit Beginn des laufenden Fiskaljahrs habe sich weltmarktbedingt der Umsatz bei Bauelementen und in der Energietechnik stark rückläufig entwickelt, gab Kaske zu. Hingegen hätten die Unternehmensbereiche Kommunikations- und Datentechnik, Nachrichten- und Sicherungstechnik sowie Installations- und Automobiltechnik zum Teil kräftige Zuwächse verzeichnen können. Exakte Zahlen nannte der Siemens-Chef hierzu nicht; er ließ jedoch keinen Zweifel daran, daß bei den Investitionen das Hauptaugenmerk den Sparten Büro- und Fertigungsautomatisierung sowie Mikroelektronik gilt. Von den klassischen Arbeitsgebieten - Energietechnik und elektrische Gebrauchsgüter - verspricht sich der Vorstand kein besonderes Wachstum mehr.

Die weitere Expansion sichert sich der finanzstarke deutsche Elektronik-Gigant derzeit durch Firmenzukäufe in diversen Ländern. Nur zwei Tage vor der Hauptversammlung war die vollständige Übernahme der US-Gesellschaft Tel Plus Communications Inc., an der Siemens bereits 35 Prozent gehalten hatte, sowie mehrerer anderer Töchter der Telecom Plus International Inc. unter Dach und Fach gekommen; Siemens zahlt den Amerikanern dafür über 300 Millionen Mark. Starkes Interesse haben die Münchner an einem Einstieg bei der französischen CGCT-Gruppe. Auch in anderen Branchen zeigt der Konzern ziemlichen Appetit auf größere Unternehmensbeteiligungen.

Im US-Geschäft erwartet der Vorstand dieses Jahr, Beteiligungen eingerechnet, eine Umsatzsteigerung von 2,2 auf 2,6 Milliarden Dollar. Dabei hält sich der fatale Einfluß des Dollarkurses auf die Bilanz in Grenzen - wie auf der Hauptversammlung zu hören war, stammen die in den USA erzielten Einnahmen mittlerweile zu 85 (bisher zu 80) Prozent aus dem Verkauf von Produkten, die Siemens in den Vereinigten Staaten herstellt.