Kombination aus zentraler und dezentraler Steuerung auf der Basis der optischen Übertragungstechnik

Siemens entwickelt den PC-Ring als ISDN-fähiges LAN

10.04.1987

Zur Verbindung von Kommunikationspartnern werden heute zwei verschiedene Prinzipien eingesetzt: zentral gesteuerte digitale Vermittlungssysteme (zum Beispiel PBX und Paketvermittlungsanlagen) und dezentral gesteuerte lokale Netze (LANs). Bruno Czaputa und Jörg Eberspächer* skizzieren eine Siemens-Entwicklung. die beide Wege miteinander verknüpft - den CP-Ring.

Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Transport-Techniken sind folgende:

- In zentral gesteuerten Systemen sind die Teilnehmer in herkömmlicher Weise über Kupferleitungen sternförmig angeschlossen. Neben den heute noch vorherrschenden, für Sprach- und Datenkommunikation verwendeten analogen Schnittstellen werden mit der Einführung des ISDN auch digitale Teilnehmer-Schnittstellen geboten. Damit wird flächendeckend die Sprach-, Text- und Datenkommunikation mit Bitraten bis zu 64 KBit pro Sekunde ermöglicht. Ein Beispiel hierfür ist das Siemens-Kommunikationssystem "Hicom" .

Im ISDN wird nach dem Prinzip der Leitungsvermittlung gearbeitet, bei dem für die Dauer einer Verbindung eine feste Verbindung durch die Vermittlungsanlage geschaltet wird ("Circuit Switch" für "Stream"-Verkehr mit kontinuierlicher Nachrichtenübertragung).

- Die lokalen Netze (LANs) sind in der Regel als Bus- oder Ringnetze ausgebildet und arbeiten mit einer dezentralen Steuerung. Da am gleichen Medium viele Teilnehmerstationen angeschlossen sind, erfordert die LAN-Technik ein Übertragungssystem mit hoher Bandbreite. Dies um so mehr, als in vielen Anwendungsbereichen der LANs eine hohe momentane Übertragungskapazität gefordert wird ("Burst"- Verkehr).

Die LANs arbeiten paketvermittelt und verwenden dezentral gesteuerte Zugriffsprotokolle, die eine Art "Selbstvermittlung" erlauben.

Der in Entwicklung befindliche CP-Ring ( "Circuit/Packet Switch-Ring") von Siemens wird die Integration dieser beiden "Welten" in einem universellen Transportsystem ermöglichen, wobei besonderer Wert auf die Erzielung einer hohen Systemverfügbarkeit gelegt wird (Fehlertoleranz).

Merkmale des CP-Rings

Die wesentlichen Merkmale des CP-Rings sind:

- Verwendung der optischen Übertragungstechnik (Lichtwellenleiter),

- Hochleistungs-LAN-Protokoll im Paketkanal,

- hohe Transportkapazität für synchrone Kanäle (zum Beispiel ISDN Basic Access/Primary Access),

- vollautomatische Fehlerlokalisierung und Ersatzschaltung

- applikationsunabhängiges Network-Management.

Die optische Übertragungstechnik setzt sich im öffentlichen und privaten Kommunikationsbereich immer mehr durch. Sie bietet eine Reihe bekannter Vorteile gegenüber der Kupferkabeltechnik:

- niedrige Kabeldämpfung und damit Überbrückung großer Entfernungen,

- Eignung zur Übertragung von sehr hohen Datenraten (bis zu mehreren hundert MBit pro Sekunde),

- niedriges Gewicht, kleiner Kabeldurchmesser und dadurch Vereinfachung der Kabelverlegung,

- galvanische Trennung elektrischer Netzkomponenten,

- elektromagnetische Störsicherheit.

Gut geeignet für die Verwendung der optischen Übertragungstechnik sind ringförmige Topologien. Die Knoten beziehungsweise Stationen sind über optische Punkt-zu-Punkt-Verbindungen miteinander verbunden.

Im CP-Ring wird, wie im folgenden beschrieben, zur Integration von "Stream"- und "Burst"-Verkehr auf einem LAN eine Kombination aus Zeitschlitz-(TDMA-) und Token-Passing-Zugriffsverfahren realisiert.

Der CP-Ring verwendet Gradientenfasern mit einem Kerndurchmesser von (wahlweise) 50 Mikrometer oder 62,5 Mikrometer. Je nach dem Geschwindigkeitsbereich wird dabei eine Wellenlänge von 850 Nanometer beziehungsweise 1300 Nanometer (für hohe Geschwindigkeit) verwendet.

Als optische Sender kommen bei Entfernungen bis zu etwa zwei Kilometer LEDs, darüber hinaus Laserdioden zum Einsatz, als Empfänger PIN-Fotodioden.

Der Abstand zwischen zwei Knoten kann mehrere Kilometer betragen. Das bedeutet, daß bei zum Beispiel 50 angeschlossenen Knoten ein Ringumfang bis 100 Kilometer erreichbar ist.

Zugriffsverfahren

Bild 1 zeigt die im CP-Ring verwendete Nachrichtenstruktur. Ein aus n Zeitschlitzen zu je acht Bit bestehender Synchronrahmen (Rahmendauer 125 us) läuft periodisch auf dem Ring um. Er ist in zwei Unterrahmen aufgeteilt:

Der Unterrahmen "Stream" reicht von Schlitz 2 bis Schlitz m und trägt

(m-1) unabhängige Einzelkanäle zu je 64 KBit pro Sekunde. Die Grenze m ist verschiebbar von m = 0 bis zu einem Maximalwert < n.

Die (n-m) Schlitze des zweiten Unterrahmens Burst bilden gemeinsam einen schnellen Datenkanal mit einer Bitrate von (n2-m) mal 64 KBit pro Sekunde. Dieser Datenkanal wird mit einem Standard-LAN-Protokoll betrieben (IEEE 802.5 beziehungsweise ANSI FDDI).

Die Gesamt-Bitrate ist von der Zahl der Schlitze abhängig und beträgt zum Beispiel bei n = 128 Schlitzen 8,192 MBit pro Sekunde.

Bild 2 zeigt die Einbettung eines Pakets im Burst-Kanal mehrerer aufeinanderfolgender Synchronrahmen. Das Gesamtpaket setzt sich aus den m den jeweiligen Burst-Unterrahmen übertragenen "Einzelstücken" zusammen, wobei sich die resultierende Nettodatenrate aus dem jeweils eingestellten Verhältnis zwischen Stream- und Burst-Anteil ergibt.

Datenstrom transparent

Aufgrund der Rahmenstruktur und wegen des periodischen Umlaufs der Synchronrahmen liefert jeder Zeitschlitz des Stream-Unterrahmens einen kontinuierlichen Datenstrom von 8 KByte pro Sekunde, entsprechend 64 KBits pro Sekunde. Dieser Datenstrom wird transparent, ohne Protokoll, über den Ring transportiert. Damit können diese Kanäle im Sinne "geschalteter Kanäle" der Übertragung von ISDN-B-Kanälen dienen. Die Zuteilung dieser Kanäle zu den sendewilligen Teilnehmerstationen erfolgt in den Ringsteuerungen selbst, oder sie wird von einer an den Ring angeschlossenen Vermittlungsinstanz vorgenommen, beispielsweise von einem digitalen Vermittlungssystem.

Ein wesentlicher Vorteil des CP-Ring-Konzepts ist es, daß eine Station auch ein ganzes Bündel von Zeitkanälen des Stream-Kanals anfordern und belegen kann (also mehr als 64 KBit pro Sekunde) zur Übertragung breitbandiger Nachrichten, wie etwa ISDN-S2-Verbindungen.

Systemstruktur

Der CP-Ring besteht aus dem Ringmedium (Lichtwellenleiter), das bei Bedarf gedoppelt werden kann, aus der Ringankopplungseinheit (Ring Coupler/Bypass RCB) und der Ringsteuerungseinheit Ring Control Logic RCL (Bild 3).

Die Aufteilung der Stationen in RCB und RCL erfolgt aus sicherungs-und betriebstechnischen Gründen. Die RCBs sind über optische Punkt-zu-Punkt-Verbindungen miteinander verbunden. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, eine defekte Ringsteuerung durch Bypass-Schalten zu umgehen ("Online"- "Bypass"). In Bild 3 ist dies am Knoten N gezeigt. Die Verbindung zur Ringsteuerung RCL erfolgt mittels eines Stichkabels. Die RCL enthält Hardware und Software zur Realisierung folgender Funktionen:

- Durchführung des CP-Ring-Zugriffsverfahrens,

- Aufteilung der Datenströme auf die Stream- und Burst-Kanäle,

- Network-Management, insbesondere Fehlerlokalisierung, Test und Ersatzschaltung,

- Bedienung der Schnittstellen zu den Anwendern

a) im Burst-Kanal: Zwischenspeichern von Paketen, Transfer der Pakete vom/zum Anwender über ein genormtes Logical-Link-Control-(LLC-)Protokoll;

b) im Stream-Kanal: Umwandlung des physikalischen Datenstroms in das geforderte Datenformat der Anwenderschnittstelle, zum Beispiel in ISDN-B-Kanäle. Verwaltung der Zeitkanäle auf dem Ring.

Die RCL kann entweder als "Standalone"-Einheit ausgebildet sein, die über Standard-Kommunikations-Schnittstellen mit dem zugehörigen Anwendersystem kommuniziert, oder sie kann mit dem Anwendersystem eine Einheit bilden. In diesem Fall wird die RCL zum Beispiel in Form einer Flachbaugruppe in das Anwendersystem integriert.

Zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit beziehungsweise Verfügbarkeit des CP-Rings kann dieser als Doppelring mit gegensinnigem Nachrichtenfluß ausgeführt werden.

Fehlertoleranz

Bei Ausfall eines Knotens schalten sich die Knoten des CP-Rings automatisch aus dem Netz ("Bypass"). Bei einer Unterbrechung des Übertragungsmediums wird in den beiden der Fehlerstelle benachbarten Stationen eine "Loop-Back"-Schaltung durchgeführt (Bild 4). Dadurch wird aus dem defekten Doppelring ein intakter (Simplex-)Ring gebildet.

Nach Beseitigung der Ringunterbrechung konfiguriert sich das Netz selbständig wieder in einen operablen Doppelring zurück.

Die Steuerung aller sicherungstechnischen Vorgänge erfolgt im CP-Ring dezentral und vollautomatisch durch die in jeder Ringsteuerung vorhandenen sicherungstechnischen Programme.

*Bruno Czaputa und Jörg Eberspächer sind im Bereich Private Kommunikationssysteme und -netze der Siemens AG, München, tätig.