Siemens: Die Ertragsqualitaet hat sich kontinuierlich verschlechtert

22.01.1993

Das Siemens-Zwischenergebnis und die Zahlen zum abgelaufenen Geschaeftsjahr 1991/92 werden auf dem deutschen Boersenparkett positiv beurteilt. Der Optimismus ist jedoch nur schwer nachzuvollziehen.

Die auffaelligste Position in der Gewinn- und Verlustrechnung des Konzerns fuer 1991/92 sind die Ertragssteuern, die konzernweit um 400 Millionen auf 1,24 Milliarden Mark zurueckgingen. In der Siemens AG stieg diese Position um 223 Millionen Mark, so dass der Rueckgang der Steuerposition der Konzerngesellschaften ausserhalb der AG mehr als 600 Millionen Mark betragen haben muss.

Die Steuerquote sank konzernweit von 48 auf 38 Prozent. Nur deshalb konnte Siemens den Jahresueberschuss von 1,79 Milliarden auf 1,95 Milliarden Mark steigern, obwohl das Ergebnis vor Steuern von 3,42 auf 3,19 Milliarden Mark zurueckgegangen ist. Der Profit je Aktie reduzierte sich trotz der Steigerung des Gewinns nach Steuern auf 42 Mark (im Vorjahr: 43 Mark), da sich die Anzahl der ausstehenden Siemens-Aktien durch Ausuebung von Optionsrechten und durch die Abfindung ehemaliger SNI-Aktionaere erhoeht hat. Im Klartext heisst das: Waere es nicht gelungen, im vergangenen Geschaeftsjahr die Steuerquote zu senken, waere der Gewinn je Siemens-Aktie deutlich niedriger ausgefallen. Setzt man die Quote des Vorjahres von 48 Prozent an, so ergibt sich ein Gewinn je Aktie von weniger als 32 Mark.

Bei der Senkung der Steuerquote haben einmalige Einfluesse wie die Aufloesung latenter Steuern eine Rolle gespielt.

Es erscheint fraglich, ob es sich dabei nicht um einen einmaligen Effekt gehandelt hat. Diese Einfluesse werden allerdings gemaess den Spielregeln der "deutschen Vereinigung fuer Finanzanalyse" normalerweise geglaettet, um Unternehmensergebnisse in ihrer historischen Entwicklung und gegenueber anderen Firmen vergleichbar zu machen.

Die wesentlichen Verlustbringer SNI, Halbleiter und Nordamerika bleiben erhalten. Auch die ostdeutschen Gesellschaften werden im laufenden Geschaeftsjahr noch ein Minus von 150 bis 200 Millionen Mark erwirtschaften. Diese verlustbringenden Bereiche werden die Ergebnisrechnung 1993 voraussichtlich mit mindestens 1,6 Milliarden Mark belasten.

Auch wenn Siemens beispielsweise im Vergleich zu Automobil- oder Stahlwerten noch gut da steht, ist doch nicht zu uebersehen, dass ein Mehrumsatz von 5,5 Milliarden Mark im vergangenen Jahr einen Minderertrag vor Steuern von 220 Millionen Mark gebracht hat. Fuer das laufende Geschaeftsjahr plant der Siemens-Konzern noch einmal ein Einnahmenplus von 5,5 Milliarden auf 84 Milliarden Mark. Das Unternehmen erklaert, man werde sich anstrengen, das Ertragsniveau zu halten. Dies ist nach Vorankuendigung in der Vergangenheit immer gelungen, da es genug Spielraum bei der Gestaltung nicht zuletzt des Finanzergebnisses gibt, um die gewuenschten Zahlen vorzuweisen. Die Ertragsqualitaet hat sich jedoch in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

*Arnd Wolpers ist Geschaeftsfuehrer der Vermoegensverwaltungsgesellschaft CMW GmbH in Muenchen.