Lautem Tadel folgt Zustimmung

Siemens-Chef läßt sich von Kritik der Aktionäre nicht beeindrucken

26.02.1999
MÜNCHEN (CW) - Statt Beifall hagelte es Kritik von allen Seiten: Siemens-Chef Heinrich von Pierer mußte sich auf der Hauptversammlung die Vorwürfe zahlreicher Aktionäre anhören. Dennoch: Der Umbau des Konzerns soll bis zum Jahr 2001 abgeschlossen sein.

Schon im Vorfeld hatten Tausende von Siemens-Mitarbeitern protestiert, um eine Rahmenvereinbarung für die Umstrukturierung des Konzerns durchzusetzen. In der sollten mehrjährige Beschäftigungsgarantien für die 60000 Mitarbeiter festgeschrieben werden, die von der Ausgliederung von Geschäftsfeldern wie Halbleitern oder elektromechanischen Komponenten betroffen sind.

Von Pierer argumentierte dagegen, daß Ausgliederungen Arbeitsplätze weder sicherer noch unsicherer machen würden. Eine Gesamtvereinbarung hielt er für wenig realistisch. Harsche Kritik mußte sich der Siemens-Chef auch von den Sprechern der 7300 anwesenden Aktionären anhören. Die ließen sich von der jüngsten positiven Entwicklung der Unternehmensaktie nicht beeindrucken und bemängelten, daß sie im Fünf- oder Zehnjahresvergleich weit schlechter abschneide als der Dax. Den Kleinaktionären wie den Vertretern der institutionellen Anleger geht die Umstrukturierung des Elektrokonzerns zu langsam. Von Pierer wurde aufgefordert, den "schlingernden Riesentanker" auf Kurs zu bringen: "Lösen Sie Ihre Versprechen ein, oder verlassen Sie die Brücke."

Von solchen Angriffen ließ sich der Vorstandsvorsitzende wenig beeindrucken. In seiner Rede bekräftigte er, daß Siemens auf dem besten Weg zu einem "anderen Unternehmen" sei, das sich mit einem überzeugenden Portfolio und einer übergreifenden Geschäftsidee im globalen Wettbewerb positioniere. Der "point of no return" sei überschritten, jetzt gelte es, über 80 Prozent der Geschäfte in die führende Position am Weltmarkt zu bringen. Derzeit liege der Anteil bei 60 Prozent. Schon im laufenden Geschäftsjahr will derKonzern nach dem deutlichen Gewinnrückgang im Jahr zuvor Umsatz wie Ertrag zweistellig steigern. Das große Ziel bleibt der Gang an die US-Börse in zwei Jahren.

Für den Weg dahin haben die Aktionäre von Pierer mit einer nominalen Kapitalerhöhung um bis zu 350 Millionen Mark einen erweiterten Spielraum für Akquisitionen an die Hand gegeben. Grünes Licht erteilten sie auch dem Aktienoptionsplan für die 500 Topmanager, der mit einer Kapitalerhöhung von bis zu 50 Millionen Mark finanziert wird.