Kolumne

Siemens bleibt eine Baustelle

16.10.2006

Siemens ist eine Baustelle. Es wird gemauert, geschreinert und gemalert. Überall herrscht hektische Betriebsamkeit. Leider weiß keiner so genau, was da gebaut wird. Selbst der Bauleiter Klaus Kleinfeld hat offenbar nur eine ungefähre Vorstellung davon, wie das fertige Gebäude einmal aussehen soll. Er will die Trends Urbanisierung und demografischer Wandel nutzen. Bei seinen Lösungsszenarien fällt auf, dass sie sehr gut zu den meisten Geschäftsbereichen von Siemens passen. Von Informationstechnik und Kommunikation ist allenfalls am Rande die Rede.

Da sich der Siemens-Boss zu diesen Bereichen nicht mehr so recht bekennen mag, können sie in seinen Visionen natürlich keine tragende Rolle mehr spielen. Seltsam eigentlich, der Rest der Welt redet über Web 2.0, globale Kommunikation, Rechner-zu-Rechner-Kommunikation und über Echtzeit-Unternehmen, die nicht zuletzt durch IT und moderne Kommunikationstechnik in die Lage versetzt werden, ihre Prozesse permanent an die Bedürfnisse ihrer Kunden anzupassen.

Es scheint, dass Kleinfeld Siemens zum reinen Infrastrukturanbieter umbauen will. Dabei setzt er hauptsächlich auf die erfolgreichen Sparten Energie/Umwelt, Verkehr und Medizintechnik. Der Kommunikationsbereich ist bis auf einige Reste in ein Joint Venture mit Nokia eingebracht; die Finnen haben hier das Sagen. Womit sich der SBS-Nachfolger Siemens IT-Solutions and Services (SIS) künftig beschäftigen wird, ist noch etwas nebulös. Neben der Fortführung des Outsourcing-Geschäfts scheint er vor allem die anderen Siemens-Bereiche mit IT-Lösungs- und Entwicklungs-Know-how versorgen zu sollen. So aufgestellt, scheint SIS in erster Linie ein interner Dienstleister zu werden, der die Konzentration der Siemens AG auf "Lösungen für die Megatrends" nicht beeinträchtigen dürfte. Zumindest nach außen lässt sich SIS künftig nur noch schwer wahrnehmen.

Mit dem Gesamtumbau von Siemens werden tausende von Mitarbeitern auf der Strecke bleiben. Sie werden entlassen, outgesourct oder in den Ruhestand geschickt. Obwohl das alles wie von langer Hand vorbereitet erscheint, wird man den Verdacht nicht los, dass Kleinfeld nur noch auf Fakten reagierte, die längst geschaffen waren. Er und sein Management-Team wurden von den Ereignissen im IT- und Kommunikationsmarkt überrollt. So rief der Siemens-Chef schließlich zur Strategie aus, was er kaum noch hätte verhindern können: den endgültigen Ausstieg aus dem IT- und Kommunikationsgeschäft.

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