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Siemens: Auslagerung der IT und (Teil-)Verkauf von SBS?

12.12.2002
Siemens schreibt offenbar den Betrieb seiner IT erstmals ernsthaft aus, statt ihn wie bisher SBS zuzuschustern. Beobachter wittern bereits den möglichen Verkauf der Servicesparte.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Siemens-Konzern soll den Auftrag zum Betrieb seiner Rechenzentren und IT-Infrastruktur für die Region EMEA (Europa, Naher Osten und Afrika) nicht mehr gewohnheitsmäßig an den eigenen Bereich Siemens Business Services (SBS) vergeben, sondern öffentlich ausgeschrieben haben. Dies berichtet die "Financial Times Deutschland". Demnach bemühen sich bereits auch IBM Global Services und T-Systems um die Vergabe. Sollte SBS den Kürzeren ziehen, droht der Servicesparte ein erheblicher Minderumsatz.

"Der Siemens-Anteil am Geschäft wird weiter zurückgehen", mutmaßte SBS-Sanierer Paul Stodden gestern bereits vor Journalisten in München. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte sein Bereich noch 27,5 Prozent der Einnahmen von der Konzernmutter erhalten nach 28,3 Prozent im Vorjahr. Siemens-Chef Heinrich von Pierer hatte erst kürzlich erklärt, Quersubventionen innerhalb des Konzernverbundes dürfe es nicht länger geben; jeder Bereich müsse als Profit-Center für sich allein erfolgreich sein.

Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie lange SBS in seiner jetzigen Form noch Bestand haben kann. Laut Konzernvorgabe soll Stodden die Umsatzrendite bis September übernächsten Jahres auf wenigstens fünf Prozent steigern - derzeit liegt sie bei 1,7 Prozent und damit deutlich unter dem Branchenschnitt von rund acht Prozentpunkten. Stodden geht aber zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, die Vorgaben einhalten zu können. SBS konzentriert sich unter seiner Ägide auf die drei Bereiche Lösungen, Outsourcing und Wartung sowie regional auf Europa und Nordamerika. Risikoreiche oder margenschwache Aufträge sind kein Thema mehr. Die Rahmenbedingungen für höhere Margen sind allerdings alles andere als günstig. "Die Branche macht eines ihrer schwierigsten Jahre überhaupt durch, und die Aussichten für 2003 sind kaum besser", schreibt das Marktforschungsinsitut Gartner in einer aktuellen Studie.

SBS beschäftigt derzeit rund 33.600 Mitarbeiter, nachdem im vergangenen Geschäftsjahr rund 2600 Stellen gestrichen worden waren. Im laufenden Fiskaljahr dürften laut Stodden angesichts der mauen Auftragslage nochmals rund 2500 Mannjahre wegfallen. Weitere Entlassungen seien deswegen aber nicht geplant. Stattdessen sollen die Mitarbeiter weniger Überstunden schieben und auf Urlaub verzichten. Anders als etwa T-Systems ist SBS laut Stodden nicht an einer Fusion mit Wettbewerbern interessiert. "Bei uns ist die Größe weniger wichtig als im Produktgeschäft", erklärte der frühere Fujitsu-Siemens-Chef.

Das Münchner Beratungsunternehmen Strategy Partners geht in einer Analyse der Siemens-Strategie bezüglich seines inhäusigen IT-Dienstleisters SBS davon aus, dass es sich bei der jetzigen Ausschreibung zum Betrieb der Siemens-Konzern-Rechenzentren nicht mehr wie in der Vergangenheit um eine Scheinausschreibung handelt. Die Analysten glauben, dass es Siemens und dessen Firmenlenker Heinrich von Pierer dieses Mal ernst ist mit der Vergabe der eigenen IT an einen Outsourcer wie IBM Gobal Solutions oder die Telekom-Tochter T-Systems.

Dafür spreche unter anderem eine hausinterne Untersuchung: In dieser wurde festgestellt, dass die Siemens AG für die IT-Dienstleistungen bei SBS "häufig Preise bezahlt, die um zehn Prozent oder mehr über dem Marktniveau liegen", schreibt Strategy Partners. Der Vorstand der Siemens AG hat nach Kenntnis der Experten ferner die "Ausschreibung des Betriebs der Konzern-Rechenzentren an externe Dienstleister beschlossen, weil das Niveau der internen Verrechnungspreise für IT-Dienstleistungen durch SBS nicht mehr toleriert wird". Deshalb geht die Unternehmensberatung davon aus, dass sich das gegenwärtige Angebot von früheren Pro-Forma-Ausschreibungen wesentlich unterscheidet. Strategy Partners hält es sogar für möglich, dass "die Siemens AG einem erfolgreichen Bewerber auch ein Angebot zur teilweisen oder vollständigen Übernahme von SBS unterbreiten wird".

Nicht von der Hand zu weisen ist dabei eine Argumentation der Münchner IT-Berater, die auch in früheren Interviews der COMPUTERWOCHE mit dem jetzigen Chef von SBS, Stodden, und seinem Vorgänger Fröschl indirekt immer wieder bestätigt wurde: Die Siemens AG räumt ihrer IT-Dienstleistungstochter Siemens Business Services (SBS) bisher das Recht auf "First Call and Last Call" ein. Das heißt, bei externen Ausschreibungen der Siemens AG konnte SBS bisher ein letztes Angebot nach Schluss der Ausschreibung und in Kenntnis der Konkurrenzangebote vorlegen. Häufig wurde dabei die eigene Offerte noch nachgebessert. Kommentar Strategy Partners: Auf diese Weise haben Siemens beziehungsweise SBS immer nur ihren Marktwert und die Marktgegebenheiten getestet. Damit soll jetzt offenbar Schluss sein. (tc/jm)