Siemens-Aktie notiert wieder in der Naehe des Fruehjahrshochs Von Arnd Wolpers*

16.07.1993

Die seit Anfang Juli laufende Boersen-Ralley hat sich auch auf die Siemens-Papiere positiv ausgewirkt. Die Aktie notiert jetzt wieder in der Naehe des Fruehjahrshochs von 660 Mark. Betrachtet man die Gewinnschaetzungen fuer das laufende Geschaeftsjahr, die im Schnitt etwa bei 40 Mark liegen, so errechnet sich ein Kurs- Gewinn- Verhaeltnis von 16. Vor diesem Hintergrund draengt sich ein Siemens- Engagement nicht auf. Setzt sich die Liquiditaetshausse am deutschen Aktienmarkt allerdings fort, wird auch Siemens als marktbreiter, vom Ausland favorisierter Anlagewert weiter steigen.

Trotz niedrigerer Kapazitaetsauslastung und einem sinkenden Ergebnis vor Steuern wird 1992/93 der Ertrag nach Steuern nicht schlechter ausfallen als im Vorjahr. Die volle Eingliederung von SNI fuehrt zu einem geringeren Steueraufwand, so dass der Nettogewinn gehalten werden kann. Das schwaechere Zinsergebnis auf der einen Seite wird durch ein hoeheres Finanzresultat ausgeglichen.

Im Zusammenhang mit dem Zinsergebnis wird es am Geschaeftsjahresende erheblichen Erklaerungsbedarf geben. Siemens wird die Finanzbuchhaltung fuer das laufende Geschaeftsjahr erstmals vom Gesamtkostenverfahren (Bruttoverfahren) auf das Umsatzkostenverfahren (Nettoverfahren) umstellen.

Im vergangen Geschaeftsjahr wurde mit den liquiden Mitteln von netto 20,1 Milliarden Mark ein Zinsertrag von 1,8 Milliarden Mark vor Steuern erwirtschaftet. Dieser Ertragsblock machte 58 Prozent des gesamten Konzerngewinnes vor Steuern von 3,2 Milliarden Mark aus. 14,8 Milliarden Mark der liquiden Mittel sind Pensionsrueckstellungen.

Um das Finanzergebnis des Konzerns dem von auslaendischen Wettbewerbern vergleichbar zu machen, wechselt das Unternehmen auf den internationalen Berichtsstandard. Internationale Konkurrenten lassen die betriebliche Altersversorgung ueber ausgegliederte Pensionsfonds laufen. Dem soll bei Siemens Rechnung getragen werden. Das Zinsergebnis 1992/93 wird um einen rechnerischen Zinsfuss von sechs Prozent auf die Pensionsrueckstellungen von knapp 15 Milliarden Mark bereinigt. Im Klartext bedeutet dies, dass der Zinsertrag vor Steuern optisch um 900 Millionen Mark sinkt. Dafuer wird das Personalergebnis um den rechnerischen Zinsfuss auf die Pensionsrueckstellungen entlastet. Hier wurde der Aufwand in der Vergangenheit gebucht.

Der Wechsel vom Brutto- zum Nettoverfahren zeigt, dass die Siemens AG auf eine international akzeptierte Berichtspolitik umschwenkt. Auch wenn das Unternehmen im Gegensatz zu Daimler-Benz keinen Gang an die Wall Street anstrebt, ist dies ein bemerkenswerter Vorgang. Wer als Global player mitspielen will, kann auf Dauer seine Eigenkapitalbasis nicht nur am vergleichsweise kleinen deutschen Aktienmarkt finden. Mit der Umstellung der Bilanzierungsmethode alleine ist es jedoch nicht getan. Die Boersenzeitung vom 7. Juli 1993 fordert in einem Kommentar Siemens dazu auf, kuenftig auch Spartenergebnisse zu veroeffentlichen.