Riverbed-CEO Jerry Kennelly

„Sieben Übernahmen in vier Jahren waren einfach zu viele“

14.07.2015
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Mit dem Kauf durch zwei Finanzinvestoren sorgte der Netzwerk-Spezialist Riverbed Technology kurz vor Jahreswechsel 2014/2015 für Schlagzeilen Die Computerwoche hatte die Gelegenheit, mit CEO Jerry Kennelly über die Gründe für den Verkauf und die weitere Zukunft zu sprechen.

CW: Riverbed feierte im Mai seinen 13. Geburtstag. Rückblickend war 2002 wohl nicht die beste Zeit, um eine IT-Firma zu gründen…?

Kennelly: …es war eine schreckliche Zeit, wir nannten es den nuklearen Winter für Tech-Investments. Gleichzeitig war es aber auch eine ziemlich gute Zeit, denn kurz nachdem die Dotcom-Blase geplatzt war, konnte man auf viele gute Leute zurückgreifen. Außerdem gab es nur wenige Investment-Ideen für Venture-Capital-Firmen. Somit hatte der Zeitpunkt auch eine positive Seite, weil wir so sofort Fördergelder und hochqualifizierte Ingenieure bekamen.

Jerry Kennelly, CEO und einer der zwei Gründer von Riverbed
Jerry Kennelly, CEO und einer der zwei Gründer von Riverbed
Foto: Riverbed

Und bei Technologie geht es nur darum, das richtige Produkt zu haben und das hatten wir: Niemand dachte, dass es möglich sei, die Latenzzeit von Netzwerk-Traffic zu überwinden. Wir brauchten 18 Monate, um das erste Produkt fertigzustellen und der erste Kunde war die kanadische Umweltschutzbehörde. Ihr Problem: Sie hatten ein kleines Büro in den Bergen - 4000 Meilen entfernt von der Hauptstadt Ottawa - und konnten nicht einmal eine E-Mail hin und her schicken. Sie fanden uns auf Google und sie kauften unsere ersten zwei Steelheads in 2004. Stand heute haben wir 26.000 Kunden und über 700 000 weltweit verkaufte Steelheads, also waren es gute 14 Jahre.

CW: Wie sehen Sie die Geschäftsumgebung heute, mit dem vielen Cloud-Anwendungen etc.?

Kennelly: Als wir Riverbed 2002 starteten, musste ein CIO seinen Clients Applikationen von seinem On-Premise-Server über sein MPLS-Netz bereitstellen, das war eigentlich alles. 2015 ist die Welt anders: Der CIO muss zwar immer noch den Zugriff auf eigene Applikationen von seinem eigenen Datacenter via MPLS sicherstellen, aber er bringt auch SaaS, Amazon Web Services und Azure mit ins Spiel, er will zusätzlich zu MPLS auch die Bandweite des Internets nutzen etc. Zusammengefasst ist es mit dem hybriden Netzwerk also komplizierter geworden, weshalb der CIO mehr Sichtbarkeit braucht - und die Möglichkeit, es zu kontrollieren und eine gute Antwortzeit für seine Mitarbeiter zu gewährleisten - daher ist es aktuell eine perfekte Zeit für Riverbed und wir sind sehr glücklich.

CW: Okay, aber um diese Anforderungen abzudecken, mussten Sie auch Ihr Portfolio ausweiten.

Kennelly: Ja, 2009 machten wir unsere erste Übernahme, um Sichtbarkeit im Netzwerk zu gewährleisten - wie verhält sich das Netzwerk, wo sind die Probleme, wie können wir ein kaputtes Netz reparieren. Und es stellte sicher heraus, dass die Sichtbarkeit sehr wichtig für CIOs und Netzmanager ist, um ein kaputtes Netz zu reparieren. Daher machten wir eine Serie von drei Übernahmen, um ein Portfolio zu erhalten, das zusätzlich zur WAN-Beschleunigung auch die Sichtbarkeit bot. Erkennen und Heilen, so die Theorie dahinter, ergeben zusammen eine gute Synergie.

Aber es stimmt: Ich machte sieben Übernahmen in vier Jahren und das waren zu viele. Das hat bei uns einige Probleme verursacht, die wir fixen mussten. Wir gingen in einige Bereiche jenseits unseres Kerngebiets - und in den letzten sechs Monaten verkaufte ich diese Bereiche wieder. Und nun konzentrieren wir uns auf das Kerngeschäft und das ist besser für uns.

CW: Im Nachhinein betrachtet: Waren die Käufe ein Fehler oder ging der Plan einfach nicht auf?

Kennelly: Es war kein Fehler. Wenn man jede Übernahme für sich nimmt, war sie sehr gut - gute Produkte, gute Leute, eine gute Story, aber insgesamt gesehen waren es einfach zu viele Käufe. Einen guten Fokus zu haben ist viel besser…

CW: … besonders wenn man börsennotiert ist..

Kennelly: Ja, das stimmt (lacht). Ich bin so froh, weg von der Börse zu sein.

CW: Es war sehr überraschend, von der Übernahme durch Investment-Firmen zu hören. Sie müssen wissen, in Deutschland genießen sie nicht den besten Ruf, man nennt sie Heuschrecken…

Kennelly: Das stimmte von zehn, fünfzehn Jahren, da gab es Leute, wir nannten sie Asset Strippers, die rissen Unternehmen entzwei und verkauften die Teile, um selbst reich zu werden. Aber inzwischen sind das Investoren, die in den Betrieb einer Company interessiert sind. Außerdem gilt es mittlerweile als das "neue Normal", zu privatisieren - denken Sie an Dell, Tibco, Informatica, BEA Systems oder Compuware. Weil es eben große Vorteile hat. Die Company profitiert davon - wir mussten einige Maßnahmen ergreifen, wie den Verkauf von Firmenteilen und den Refokus auf das Kerngeschäft - es ist sehr schwer, so etwas zu tun, wenn man eine börsennotierte Company ist und die Wall Street einen beobachtet und bestraft. Nun haben wir mehr Freiheit und können auch offener sein. Wenn man börsennotiert ist, muss man aufpassen, was man sagt. Ich könnte Ihnen z. B. nicht sagen, dass wir gerade ein hervorragendes Quartal haben…

CW: Wollen Sie in die Details gehen?

Kennelly: Nein, aber es zeigt sich, dass der Refokus Wirkung zeigt. Wir haben nun zwei große Gebiete: die WAN-Optimierung mit Steelhead und Steelfusion und die Sichtbarkeit, wo es ebenfalls zwei Produkte gibt: Network Performance Management und Application Performance Management. Und alle Produkte sind die besten Produkte in diesen Märkten, Nummer Eins bei Gartner Magic Quadrant, haben den größten Marktanteil und sie arbeiten zusammen, was sehr wichtig für den Kunden ist.

CW: Wie erklären Sie sich das?

Kennelly: Die neue hybride Netzwelt ist eine sehr komplizierte Welt für den CIO, sehr konfus und schwierig zu managen. Der CIO braucht Hilfe - und es ist eine gute Gelegenheit für uns, gute Geschäfte zu machen, aber nur weil wir dem CIO assistieren. Es ist sehr wichtig für ihn, zu verstehen, was mit seinem Netzwerk und den Applikationen passiert und wir machen es für ihn leichter.

CW: Und was bedeutet das konkret?

Kennelly: Früher lief alles über das Rechenzentrum als einzigen Punkt und der CIO konnte das kontrollieren. In der modernen Welt wollen die Mitarbeiter aber einen direkten Zugang vom Branch Office zum Internet. Hier können wir mit einer Routing-Funktion namens Path Selection helfen. Das Feature ermöglicht billige Internet-Bandbreite und man kann kontrollieren, wie es funktioniert. Das ist sehr wichtig für uns, denn wenn ein Unternehmen entscheidet, es zu nutzen, ist dies ein architektonisches Design und in dieser Architektur hat man Riverbed in jeder einzelnen Zweigstelle.

In der alten Welt mit WAN-Optimisierung würden Unternehmen Riverbed nur für 20 bis 30 Prozent ihrer Verbindungen wählen, nämlich nur für die teuersten Langstreckenleitungen. Und unser Ziel war es, dass Riverbed bei hundert Prozent aller Zweigstellen zum Einsatz kommt. 100 Prozent Durchdringung sind für uns ein großer Durchbruch, weil es bedeutet, dass wir eine wirklich große Company werden können. Unser Ziel ist, dass wir den Umsatz in fünf Jahren verdoppeln, von einer Milliarde zu zwei Milliarden Dollar. Und wir glauben, das wir das erreichen.

Eine andere Sache, die wir haben sind die Steelfusion-Boxen, früher Granite genannt. Es handelt sich dabei um eine Art "Branchoffice in a Box", das ist einmalig für Riverbed und auch hier zieht das Geschäft an, weil es das Leben für den CIO viel leichter macht. Er braucht nur Steelfusion, keine Extra-Server, keinen Speicher, kein lokales Backup und der gesamte Speicher bleibt zentral im Datacenter. Außerdem ist alles sehr sicher, er muss keine Mitarbeiter mit hohen IT-Qualitikation anstellen, die dann in den Niederlassungen sitzen - das Produkt explodiert bei uns.

CW: Und was sind die Pläne von Riverbed für die Zukunft?

Kennelly: Sie wissen, wenn man privatisiert, tut man das um zu restrukturieren und einen neuen Fokus zu erlangen - und das Wachstum zurückzuerlangen. Unser Ziel ist es, in vier Jahren einen neuen IPO zu wagen.

CW: Also lassen Ihnen die Investoren so viel Zeit...

Kennelly: Als wir von der Börse gingen, machten wir einen leveraged Buyout, das ist eine sehr wirkungsvolle finanzielle Weise, den Wert der Company zu erhöhen. Das heißt, man nimmt Schulden auf die Company auf. Und wir ermöglichen es der ganzen Belegschaft, daran teilzuhaben. Jeder Mitarbeiter wird ein Eigentümer der neuen privaten Riverbed und erhält Firmenanteile, die nach dem IPO viel Geld wert sein werden. Wir sind alle sehr begeistert - ich glaube, wir können uns rekapitalisieren, wir sind auf das konzentriert, was wir tun wollen und ich glaube, die Mitarbeiter sind auch sehr begeistert.